Kino aus dem Internet

Von Susanne Billig |
Weil sich abendfüllende Spielfilme auch am heimischen Computer realisieren lassen, suchen immer mehr Regietalente - oder solche, die sich dafür halten - ihr Publikum im Netz. Eine ernsthafte Konkurrenz für die klassische Filmproduktion stellen sie jedoch nicht dar.
Wer kennt ihn nicht - Matrix, den düsteren Science-Fiction-Thriller, 1999 von Hollywood fabriziert. Keanu Reeves spielt einen einsamen Programmierer, der einem erschütternden Verbrechen auf die Spur kommt: Die Welt ist ein Trugbild, eine Matrix - dem Menschen vorgegaukelt durch herrenlose Computer, die sich von der Lebenskraft der Sterblichen ernähren. Ein Häuflein Aufrechter leistet Widerstand. Keanu Reeves muss sich entscheiden.

Nicht Stars aus Hollywood, sondern ein Willi Wenger und Schorsch Hallermeier präsentieren sich in tragenden Rollen. Und der Film heißt auch nicht Matrix, sondern: Machtnix. Und gehört zu den beliebtesten Parodien des amerikanischen Kultstreifens. Zu finden ist das bayerische Pendant im Internet unter www.nuoviso.de. Die kleine Produktionsfirma macht selbstproduzierte Filme im Internet zugänglich.

Film im Internet - da denkt man an Raubkopien und Verletzung von Urheberrechten. So muss es nicht sein. Abendfüllende Spielfilme lassen sich auch am heimischen Computer realisieren. Digitale Videokameras, gute Freunde mit schauspielerischen Ambitionen und spendable Verwandte machen es möglich. Das Publikum gibt es im Internet gratis dazu. Die meisten solcher Werke zeigen bislang nur eines: wie wertvoll eine solide Ausbildung für Filmschaffende ist.

Wer Dialoge wie Schuhsohlen schreibt und die Kamera mit dem Rührbesen verwechselt, sollte sich in der kurzen Form üben. Seiten wie www.kurzfilm.de mit Pendants in Österreich und der Schweiz zeigen gelungene Beispiele. Winzig wird das Format bei mobilefilmfestival.com. Das anspruchsvolle Portal präsentiert und prämiert Handyfilme, Höchstdauer: eine Minute. In einem preisgekrönten Streifen begegnen sich zwei Frauen auf einer Rolltreppe. Wir lauschen dem Fluss ihrer Gedanken.

Ein paar Jungs aus Leipzig wollen höher hinaus. Sie realisierten den ersten deutschen Open Source Spielfilm "Route 66" - ein amüsantes Roadmovie, Sachse meets America. Was hinter der Open Source Philosophie steckt, erläutern die Jung-Regisseure in einem Podiumsgespräch. Das steht, na klar, unter www.vebfilm.de auch im Netz.

1,3 Millionen Zuschauer hatte "Route 66", 700.000 Downloads, und fand sogar seinen Weg in echte Programmkinos. Möglich wurde dieser Erfolg durch Creative Commons. Die weltweit agierende, gemeinnützige Gesellschaft bietet verschiedene Standard-Lizenzverträge an. Damit können Autoren, Musiker oder Filmemacher anderen Leuten Nutzungsrechte an ihren Werken einräumen.

So schön die Idee des freien Austausches ist - so lange niemand Geld dabei verdient, kann solches Filmemachen nur Hobby sein. Den einzelnen, begnadeten Künstler, der nur entdeckt werden muss, gibt es im Film nicht. Die Kunst der bewegten Bilder involviert zu viele Menschen, die ihr Handwerk alle verstehen müssen, damit am Ende Qualität entsteht.

Die Leipziger machen unverdrossen weiter. "Die Letzte Droge" heißt ihr neues Projekt - gedreht im neuesten HD-Standard für digitales Fernsehen und, rein technisch zumindest, erstklassige Kino-Qualität.