Kinderlose sollten höhere Abgaben zahlen

Von Annette Rollmann |
Mehrere junge CDU-Politiker forderten kürzlich eine Sonderabgabe für Kinderlose, um die Sozialkassen zu stabilisieren. "Unfair und reaktionär" sei dieser Vorschlag, hieß es aus der Opposition. Dabei ist das Konzept eine gute Idee, meint Annette Rollmann.
Himmel und Hölle liegen beim Thema Kinder nahe beieinander. Die Hoffnung, Gerechtigkeit zu erfahren, spiegelt sich nicht nur im sehnsuchtsvollen Blick großer Kulleraugen wider. Auch in den kinderfernen Sphären der Politik wird leidenschaftlich gestritten: Was eigentlich ist familienpolitisch gerecht? Wer muss für wen zahlen?

Eine Unart ist es, Vorschläge kaum dass sie ausgesprochen sind, schroff und endgültig abzulehnen. So erging es kürzlich einer Gruppe von jungen christdemokratischen Bundestagsabgeordneten um den sächsischen Politiker Marco Wanderwitz. Dabei war, was sie vorschlugen, durchaus bemerkenswert. Es verdient, ernsthaft diskutiert zu werden.

Sie wollen durchsetzen, dass Kinderlose ab 25 Jahren ein Prozent ihres Bruttoeinkommens zahlen, um die Sozialversicherungen zu stabilisieren, Eltern mit einem Kind dagegen nur ein halbes Prozent. Diesen Beitrag nennen sie "solidarische Demographie-Rücklage".

Sie berücksichtigten also die alte Einsicht, dass Menschen mit Kindern im Vergleich zu Kinderlosen finanziell sehr stark belastet sind. Die FDP sprach dagegen von einer "Strafsteuer für Kinderlose". Die Grünen fanden die Idee gar "unfair und reaktionär". Die Kanzlerin selbst nannte sie "nicht Ziel führend".

Warum eigentlich? Und warum behaupten die Kritiker, hier würden Kinderlose gegen Kinderreiche ausgespielt. Es geht nicht um eine Bestrafung der Kinderlosen. Jeder möge seinen Lebensentwurf selbst bestimmen, mit oder ohne Kinder. Es geht einzig und allein um Geld und Leistung in der Solidargemeinschaft.

Das Statistische Bundesamt hat 2003 errechnet, dass ein Kind durchschnittlich 550 Euro im Monat kostet. Das Kindergeld liegt bei den ersten beiden Kindern bei 184 Euro, dann steigt es um sechs Euro. Rund zwei Drittel der Kosten trägt die Familie also allein. All das war gesellschaftlich hinnehmbar, so lange die meisten Menschen Kinder hatten.

Die Zahl der Kinderlosen steigt jedoch. Schon jetzt ist etwa ein Drittel der ab 1970 Geborenen ohne Nachwuchs. Der demografische Wandel stellt die sozialen Sicherungssysteme vor dramatische Probleme, da das System umlagefinanziert ist. Das heißt: Die jüngere Generation versorgt die ältere. Entsprechend werden im Alter immer mehr kinderlose Rentner durch kinderreiche Familien mitfinanziert.

Eine doppelte Ungerechtigkeit entsteht dadurch. Denn wenn eine Familie mehr als zwei Kinder hat, gibt oft die Mutter ihren Beruf und Einkommen auf. Und auch im Alter geht es ihr und ihrem Partner schlechter. Wer für eine Erziehungsphase zu Hause bleibt, erwirbt nur sehr kleine Rentenansprüche. Pro Kind sind es drei Jahre.

Familien haben also – trotz Unterstützung – zunächst finanzielle Einbußen. Und sichern später über ihre berufstätigen Töchter und Söhne die Einnahmen der Sozialkassen. Sie leisten also einen geldwerten Beitrag zur Solidargemeinschaft. Die Früchte ihrer Leistung werden sozialisiert.

Kinderlose dagegen haben mehr Verdienst und weniger Kosten. Diesen Vorteil können sie, nach Steuern und Abgaben, privat genießen – durch hohe Renten beispielsweise, die nur Menschen erhalten, die sich ausschließlich um ihre Karriere kümmern.

Die Gesellschaft verändert sich. Die Politik ist dazu da, darauf zu reagieren. Weil die Politik es versäumte, finanzielle Gerechtigkeit für Familien mit Kindern herzustellen, wurde sie immer wieder vom Bundesverfassungsgericht gerügt. So zahlen Kinderlose schon seit 2005 einen höheren Beitrag für die Pflegeversicherung, wenn sie das 23. Lebensjahr vollendet haben.

Dieser guten Idee folgt die "solidarische Demographie-Rücklage". Nichts ist an ihr ist unfair. Sie ist hilfreich und das Konzept sollte weiterentwickelt werden.

Annette Rollmann, Journalistin, wurde 1965 in Hamburg geboren. Sie war Redakteurin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Korrespondentin im Hauptstadtbüro des "Rheinischen Merkurs". Die Politologin lebt als freie Autorin in Berlin.

Die Journalistin Annette Rollmann
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