Kinderbuch

Pures Leseglück

Von Kim Kindermann |
Norman Messenger entführt die jungen Leser auf eine sagenhafte Insel, die auf keiner Karte verzeichnet ist. Sie heißt Manglaubteskaum und beherbergt allerlei fantastische Tiere und Pflanzen.
Der Katzenwels springt einem sofort ins Auge: Diese schräge Mischung aus dem Kopf einer Katze und dem Leib eines Fisches, die sich gerne hinter den Ohren kraulen lässt, hat es in sich. Aber damit ist sie nicht allein. Da sind noch der flossenlose Fisch, der sich mit seinem elefantenartigen Rüssel an den Wasserpflanzen festhalten muss, um nicht davongetrieben zu werden, der Gummistiefel tragende Watvogel, der sich nicht gerne die Füße nass macht und die Riesendrachenlibelle, die torkelnd fliegt und deshalb so gefährlich ist.
Aber egal, welche Seite man aufschlägt, jede Zeichnung in diesem Buch ist sagenhaft. Geschrieben hat es Norman Messenger, ein ehemaliger Artdirector, der sich glücklicherweise seit 1978 ganz aufs Illustrieren konzentriert und dessen Zeichnungen man förmlich ansieht, dass sie von einem Engländer stammen: Denn nicht wenige der Figuren und Tiere in diesem Buch erinnern gefährlich an den englischen Klassiker "Alice im Wunderland". Mehr noch: Wie Lewis Carroll entführt auch Norman Messenger seine Leserinnen und Leser in eine fiktive und äußerst fantasievolle Welt.
Es ist die zauberhafte Welt des Landes "Manglaubteskaum". Ein Land, das eigentlich eher eine Insel ist, die - wie sollte es anders sein - auf keiner Karte zu finden ist, sondern auf die man nur durch Zufall stößt. Die Inselform selbst erinnert an einen bösen Hund, auf dessen Kopf das Spukgebirge mitsamt seiner gruseligen Fratzen und Mäuler angesiedelt ist und auf dessen Brust der Geschichtenerzählende Bücherberg hervorragt.
Schreifalter und Ziegelbaum
Bevölkert ist die Insel mit den ungewöhnlichsten Kreaturen. Neben den oben beschriebenen Wassertieren findet man noch den vielflügeligen Papagei, das Wandeltier oder den Schreifalter. Bewachsen von den überraschendsten Pflanzen – wie dem Schokoladenbaum, der mit Pfefferminzcreme gefüllt ist und nur an dunkeln verborgenen Stellen steht, dem Ziegelbaum, dessen Stamm aus formbaren Backsteinen besteht oder – auch wieder so ein wunderbare sagenhafter Exot – der vergessliche Baum, der immer wieder vergisst, Äste hervorzubringen und sich zur Erinnerung einen Knoten in den Stamm macht. Vergeblich, versteht sich. Bewohnt wird das alles von liebenswürdigen hobbitartigen Wesen, die Hufe anstelle von Füßen haben, in genialen bunten Häusern leben und sich jeden Abend vom Berg Gutenachtgeschichten erzählen lassen.
Genauso bezaubernd wie die Zeichnungen ist die Buchgestaltung: Jede der großformatigen Seite verfügt neben den ausgefeilten Kreidestiftzeichnungen über Klapptafeln, die immer tiefer in das Land Manglaubteskaum und seine Geheimnisse entführen. Das alles ist Leseglück pur! Schade nur, dass die deutsche Ausgabe auf das spektakuläre Cover des englischen Originals verzichtet hat – anstelle des grandiosen langschnäbeligen Flachzangen-Kormorans wuseln hier sämtliche im Buch beschrieben Wesen, Tiere und Pflanzen. Aber das zeigt: Fantasie-Reisen sehen für jeden anders aus. Gut aber, dass Norman Messenger uns an seiner teilhaben lässt!

Norman Messenger: Das Land Manglaubteskaum
Aus dem Englischen von Katharina Orgass und Gerald Jung
Gesternberg Verlag, Hildesheim 2013
32 Seiten, 16,95 Euro, ab 5 Jahre