Straßenbau

Eine KI gegen Schlaglöcher

06:07 Minuten
Ausgebrochener Asphalt auf einer von Autos befahrenen Straße
Schlaglöcher – Problemfall für Kommunen. Der Straßenerhalt ist aufwendig und kostspielig. © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Von Jörn Straehler-Pohl · 09.01.2023
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Messfahrzeuge und sogenannte Wegewarte prüfen regelmäßig den Zustand unserer Straßen, melden Schlaglöcher und Stolperfallen. Für Kommunen eine teure Angelegenheit. In Zukunft könnte eine künstliche Intelligenz den Job zum Teil übernehmen.
Thomas Köhler ist Wegewart in Hamburg. „Unsere Hauptaufgabe ist natürlich die Verkehrssicherungspflicht, die Leichtigkeit im Straßen- und Wegekörper sicherzustellen“, beschreibt er seinen Job. Sein Revier ist Billstedt, ein Stadtteil im Osten der Stadt, und was er da sagt zur „Leichtigkeit im Wegekörper“ steht so im Hamburgischen Wegegesetz von 1974.

Schlagloch-Check zu Fuß

Sein Revierbezirk umfasse 85 Kilometer Begehungslänge und etwa 132 Straßen, sagt Köhler. Zu jeder der Straßen könne er etwas erzählen.  Denn Köhler und seine Kollegen laufen die Hamburger Hauptstraßen alle zwei Wochen komplett ab, die Nebenstraßen einmal im Monat.
Mit ihren Tablets erfassen sie jedes Schlagloch in der Straße, jede Stolperfalle im Gehweg, jeden unachtsam umgefahrenen Poller. „Die Parksituation in Billstedt ist schwierig. Dann wird hier halt mal rangiert, und viele Bürger denken auch, das ist ein Bagatellschaden“, sagt Köhler. „Ist es aber nicht. Das ist der Tatbestand einer Fahrerflucht und der Behörde kostet das auch viel Geld, so etwas immer wieder in Stand zu setzen.“
Köhler hat jahrzehntelang im Straßen- und Tiefbau gearbeitet, seine Augen sehen auch die Schäden, die der Laie nicht erkennt. Möglicherweise werden Köhler und seine Kollegen aber bald von einer künstlichen Intelligenz unterstützt, zum Beispiel einem System, wie es gerade hunderte Kilometer weiter südlich entwickelt wird.

Günstige Alternative zu Messfahrzeugen

Video-Anruf bei Marcel Mutz in Saarbrücken. Der arbeitet am August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse, angewandte Wissenschaft also. „Unser Ziel ist es immer, die Forschung im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße zu bringen“, und eine dieser Entwicklungen sei eine KI, die Straßenschäden erkennen kann, sagt Mutz.
Davor hatte das Institut mit den Kommunen gesprochen, ihren Bedarf und ihre Probleme analysiert. „Da war der Straßenerhalt einer dieser Problemzonen.“ Denn bislang ist es ziemlich teuer, ein Straßennetz regelmäßig auf Schäden zu überprüfen.
Dabei geht es weniger um die Kosten für die Wegewarte, sondern um eine günstige Alternative zu den großen und schweren Messfahrzeugen, die alle paar Jahre von den Kommunen losgeschickt werden, um den Straßenzustand zu erfassen. „Wir verwenden Smartphones zur Erfassung der Straßenzustände“, erklärt Mutz. „Die Smartphones werden dann mit einer Vorrichtung in ein Auto eingesetzt. Methoden künstlicher Intelligenz, sogenannte KI-Modelle, sind vorher trainiert worden, um basierend auf diesen Rohdaten die Straßenzustände abzubilden.“

Die KI im Müllfahrzeug

Vorstellen kann man sich das wie bei der Gesichtserkennung von Fotoapps. Der Clou bei der digitalen Straßenzustandserfassung: Die Smartphones können hinter jeder Windschutzscheibe angebracht werden, zum Beispiel von Müllfahrzeugen, die eh jeden Tag auf den Straßen unterwegs sind – und nicht nur alle paar Jahre wie die Messfahrzeuge. „Wenn wir zwanzigmal drüberfahren, aus anderen Winkeln, zu anderen Tageszeiten, dann gehen wir davon aus, dass wir mit dem statistischen Mittel die richtige Klassifizierung vornehmen können“, sagt Marcel Mutz.
Vom August-Wilhelm-Scheer Institut in Saarbrücken zurück nach Hamburg. Die Verkehrsbehörde sei bereits dabei, die verschiedenen neuen Systeme zu testen, sagt Jens Burmann, Projektleiter für Erhaltensmanagement beim Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). „Das kann durchaus sein, dass durch solche ständigen Überfahrten, durch das Erkennen von Mustern, Rückschlüsse gezogen werden können auf unsichere Straßenzustände, was dann ein Handeln der Wegeaufsicht auslöst.“

KI muss noch mehr lernen

Nicht nur Smartphones an Windschutzscheiben von Müllfahrzeugen können übrigens diese Daten liefern, auch neue, teure Autos sind inzwischen mit dutzenden Sensoren ausgerüstet, die Aufschluss über den Straßenzustand geben können.
Bisher sei die Erkennung von Schlaglöchern allerdings „noch nicht ausgereift“, meint Burmann. Erst einmal bleiben also die klassischen Messfahrzeuge im Einsatz. Alle vier Jahre erfassen sie den Zustand jeder größeren Straße in Hamburg. Jens Burmann und seine Kollegen werten diese Daten dann aus, um rechtzeitig zu wissen, wann eine Asphaltdecke ausgebessert oder neu gemacht werden muss, und draußen, in seinem Revier, ist Wegewart Thomas Köhler weiter zu Fuß unterwegs.
Er macht sich keine Sorgen, dass eine KI ihm oder seinen Kollegen mal den Job wegnimmt. Welche künstliche Intelligenz solle schließlich Bürgeranfragen beantworten, sagt er. „Oder, wenn Sie jetzt mal ein Einzelhaus bauen wollen und Sie brauchen eine Bauüberfahrt, auch dafür sind wir zuständig. Wir sind in erster Linie der erste Ansprechpartner für die Bürger. Gegebenenfalls müssen wir auch mal meckern, wenn was nicht so in Ordnung ist.“
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