Kevin-Prince Boateng hat ein Zeichen gesetzt!

Von Martin Hyun · 19.02.2013
Fünf Jahre lang Stadionverbot – so lautet das Urteil gegen die Männer, die den Fußballspieler Kevin-Prince Boateng vom AC Mailand bei einem Spiel vor einigen Wochen rassistisch beleidigt hatten. Martin Hyun befürwortet solche harte Strafen.
Anfeindungen gehören zum Alltag dunkelhäutiger Fußballspieler. Affengeschrei beim Ballkontakt und Schmährufe wie "Bimbo", "Husch, husch, Neger in den Busch" oder "Scheiß Neger!" sind nur einige rassistische Beleidigungen, die sie auf sich nehmen müssen.

Wir erinnern uns an Adebowale Ogungbure, einen Deutschen mit nigerianischen Wurzeln. 90 Minuten lang wurde er übel beschimpft, bis ihm der Kragen platze. Er lief zur Tribüne der gegnerischen Fans und zeigte den Hitlergruß. Daraufhin stürmten einige Zuschauer das Spielfeld, um ihn zu attackieren.

Solidarität erfuhr er nicht. Sein Verein, der 1. FC Sachsen Leipzig sprach lieber verniedlichend von "reiner Provokation" der Fans aus Halle als von "rassistischen Anfeindungen". Und die Staatsanwaltschaft Halle ermittelte gegen ihn "wegen Verwendung eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation", stellte allerdings später das Verfahren ein. In der Saison 2011/2012 wechselte Ogungbure zum vietnamesischen Erstliga-Club Vissai Ninh Binh.
Auch der frühere Nationalspieler Gerald Asamoah, heute beim Bundesligisten Greuther Fürth, berichtete, wie er mit Bananen beworfen, bespuckt und beleidigt worden war. Und von Otto Rehhagel, wissen wir, dass er als Trainer des FC Bayern München seiner Mannschaft vor einem Spiel gegen Hansa Rostock riet, auf Jonathan Akpoborie aufzupassen - mit den Worten: "Sie wissen doch, die Neger wollen uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen".

Als ehemaliger Eishockeyprofi, mit koreanischem Namen und asiatischem Gesichtsausdruck, weiß ich, wovon ich rede. Rassistische Sprüche, die ich als "Provokationen" erdulden sollte, gehörten zu meinem Alltag – vor allem bei Spielen im Osten Deutschlands. Im sächsischen Weißwasser schrie mir ein Betreuer der Gastmannschaft zu: "Spiel auf dem Reisfeld!"

So manch einer aus dem Publikum ergötzte sich damit, mich mit Namen von Gerichten zu benennen: "Nasi Goreng!", "Chop-Suey" oder "Peking Ente". "Hey Kamikaze!" riefen Gegenspieler. Das Zeigen von Schlitzaugen war nichts Ungewöhnliches. Und es werden ja nicht nur dunkelhäutige oder asiatische Sportler diffamiert, auch Sprechgesänge antisemitischer Art sind ein fester Bestandteil deutscher Fußballkultur.

Doch es geht auch anders. Kevin Boateng, der gebürtige Berliner, engagiert beim AC Mailand, hat Anfang Januar auf beeindruckende Weise gezeigt, wie man solch "reine Provokationen" klar und effektiv beantwortet, etwas tut, was über Stadionverbote und symbolische Gesten von Fans und Funktionären hinausgeht.

Nach Schmährufen gegen ihn und einige Kameraden schoss er wütend den Ball in die Fan-Ränge der Gegner und verließ den Platz. Ihm folgte die ganze Mannschaft in die Umkleidekabine. Sie zeigten den Zuschauern, dass sie dieses pöbelhafte Verhalten nicht länger hinnehmen werden. Das Spiel wurde daraufhin unterbrochen. Der Fall sorgte für internationale Schlagzeilen.

Es ist an der Zeit, dass Spieler klare Zeichen setzen, ob sie nun persönlich betroffen sind oder nicht: Zeichen gegen rassistische, gegen antisemitische, gegen Beschimpfungen aller Art, so wie es Kevin-Prince Boateng und seine Mannschaftskollegen vorgemacht haben. Und Betreuer und Funktionäre der Vereine sollten nicht beschwichtigen, sondern hinter ihnen stehen.

Doch einige sind unbelehrbar, wie Paolo Berlusconi, Bruder von Silvio Berlusconi und Vizepräsident des AC Mailand offenbarte. Kürzlich beendete er eine Wahlkampfrede mit dem Satz: "Jetzt gehen wir zum Negerlein der Familie, dem Hitzkopf". Und meinte den italienischen Nationalspieler Mario Balotelli, den der Club gerade erst als neuen Star verpflichtet hat.


Martin Hyun wurde 1979 in der nordrhein-westfälischen Samt- und Seidenstadt Krefeld geboren. Er ist Sohn koreanischer Gastarbeiter und studierte Politik sowie International Relations in den USA und Belgien. Er war der erste koreanischstämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey Liga sowie Junioren Nationalspieler Deutschlands. Seit 1993 ist er glücklicher deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.