Kevin Morbys Album "Sundowner"

Melancholischer Sonnenuntergang im Mittleren Westen

05:49 Minuten
Der US-amerikanische Singer-Songwriter Kevin Morby bei einem Auftritt auf der Bühne. Er hält das Mikrofon auf dem Mikrofonständer und legt den Kopf in den Nacken, quer über dem Oberkörper ist das Band zu sehen, an dem die Gitarre befestigt ist.
Kevin Morbys neues Album ist inspiriert von der Weite der Natur im mittleren Westen der USA. © imago images / GlobalImagens / Pedro Correia
Von Jan Paersch · 14.10.2020
Audio herunterladen
Kevin Morby ist für seine politischen Songs gegen Polizeigewalt und die laxen Waffengesetze der USA bekannt. Das neue Album des US-amerikanischen Singer-Songwriters kommt privater daher: Erzählt von seiner Heimat Kansas, feiert das Leben und den Tod.
"Als ich hier aufwuchs, mochte ich es gar nicht und wollte nur weg", sagt Kevin Morby über Kansas City. "Aber es ist praktisch, dass Kansas buchstäblich in der Mitte der Vereinigten Staaten liegt." Er sei immer sehr beschäftigt, da sei es schön, hierher zurückzukommen. "Hier gibt es weder Ego noch Wettbewerb. Es ist ein Ort, um ganz normal zu leben. Es ist schön, in einer Stadt zu sein, in der man atmen kann."
Kevin Morby hat in New York City und Los Angeles gelebt, Bands gegründet und in beiden Städten Alben aufgenommen. Im Jahr 2017 ist der Singer-Songwriter ungeplant an den Ort seiner Kindheit, Kansas City im Staate Kansas, zurückgezogen und fand dort neue Inspiration. Noch bevor er das von der Kritik hochgelobte Album "Oh my God" fertigstellte, das 2019 erschien, schrieb er in Kansas zehn weitere Songs. Sie bilden nun "Sundowner": ein eigenständiges, reflektiertes Album, das den Sänger und Gitarristen ganz bei sich zeigt. Nie klang seine Stimme so präsent. Die Stücke wirken intensiver denn je. Morby beschränkte sich bei den Demo-Aufnahmen auf vier Spuren und arbeitete alle Arrangements alleine aus.
Es sei das erste Mal gewesen, dass er ganz allein an einem Album gearbeitet habe. "Es sind sehr intime Songs, und ich habe sie niemandem gezeigt. Ich habe alles in meinem Schuppen eingespielt und bin später noch einmal in ein richtiges Studio gegangen."

Den Tod und das Leben feiern

Das Thema Tod spielt auf fast jedem Stück auf "Sundowner" eine Rolle. Im Song "Jamie", von Kevin Morby für einen an einer Überdosis Heroin verstorbenen Freund komponiert, singt der Künstler ohne jeden poetischen Filter davon, wie sehr er seinen Kumpanen vermisst.
"Mein bester Freund Jamie starb, als ich 20 war. Es hat mich überrascht, wie wenig die Leute darüber reden wollten, selbst die, die ihn kannten. In anderen Kulturen wird der Tod und das Leben gefeiert. Das in meine Musik zu integrieren, hat mir geholfen. Wir haben alle Angst vor dem Tod. Man muss einfach darüber reden."
Über Leben und Tod reden: Kevin Morby behandelt auf "Sundowner" die ganz großen Themen, mal explizit, mal metaphorisch. War sein letztes Album eine Auseinandersetzung mit seinem Glauben, so ist das neue inspiriert von der Weite der Natur des mittleren Westens der USA. Der galoppierende E-Bass in "Brother, Sister" erinnert gar an eine klassische Country-and-Western-Platte.

Die eigene Geschichte erzählen

Americana-Elemente dominieren das Album, kurze Gitarrensoli und stimmungsvolle Orgelbegleitung prägen viele der Songs. Es dominieren jedoch akustische Gitarre und der eindringliche Gesang Kevin Morbys. "Sundowner" klingt relaxt und selbstsicher, jedes Detail stimmt.
Kevin Morby nennt sich selbst einen "Sundowner". Für ihn bedeutet das: eine Person, die sich von der Melancholie des Sonnenuntergangs beeinflussen lässt. Nun heißt auch seine beeindruckende neue Platte so, in die vieles einfließt, was der 32-Jährige in seinem erwachsenen Leben erlebt hat – nicht zuletzt die Kunst seiner Vorbilder Bob Dylan, Leonard Cohen und Lou Reed. Morby nimmt die Vergleiche mit solchen Songwriter-Ikonen als Kompliment.
"Was ich an diesen Leuten mag, ist, dass sie keine Profis sind. Sie haben nicht die tollsten Stimmen. Ich habe mir für meinen Gesang Selbstbewusstsein von ihren Platten geholt." Worum es gehe sei, die eigene Aufmerksamkeit auf die Zuhörerinnen und Zuhörer zu richten. "Du brauchst keine perfekte Stimme, um deine Geschichte zu erzählen."
Mehr zum Thema