"Kernenergie fällt für mich nicht unter erneuerbare Energie"
Im Streit um einen angeblichen Pro-Atomenergie-Kurs der EU-Kommission hat sich der Regionalkommissar für eine Priorität erneuerbarer Energien ausgesprochen. Bisher sei nicht vorgeschlagen worden, Strukturfondsmittel für den Ausbau von AKWs zu verwenden.
Burkhard Birke: Johannes Hahn ist EU-Kommissar für Regionalpolitik und unser Gesprächsgast heute auf Deutschlandradio Kultur. Herr Hahn, mit Blick auf die aktuelle Nachrichtenlage kann ich es mir nicht verkneifen, Ihnen die Frage zu stellen, ob sich die Förderprinzipien der EU gewandelt haben. Es ist die Rede davon, dass wieder der Neubau von Atomkraftwerken gefördert werden sollte.
Johannes Hahn: Ja, die Frage ist, soweit ich es bisher verstanden habe, bezieht es sich darauf, ob hier etwa staatliche Subventionen zur Anwendung kommen können. Also, es ist jedenfalls bis dato nicht der Vorschlag gemacht worden, dass europäische Strukturfondsmittel dafür verwendet werden sollen, und das ist für mich das Wesentlichste.
Birke: Und Sie würden den Einsatz von Struktur- oder Kohäsionsfondsmitteln für solche Zwecke absolut ausschließen?
Hahn: Also es wird Sie nicht überraschen, dass ein Österreicher, der eher sozusagen auch als europäischer Kommissar seine Überzeugungen nicht bei der Eingangstür abgibt, eine klare Position hat. Jedenfalls kann für mich Kernenergie nicht unter erneuerbare Energie fallen.
Birke: Das heißt, Sie werden sich auch in der EU-Kommission gegen diese Förderung oder gegen die Genehmigung solcher Beihilfen aussprechen?
Hahn: Na, jedenfalls werde ich mich dafür aussprechen, dass dies [nicht] unter erneuerbare Energie fällt.*
Birke: 347 Milliarden Euro, das ist die Summe, die in den nächsten sieben Jahren für die Regional- und Kohäsionspolitik der EU zur Verfügung steht. Das sind ja enorme Beträge, 49 Milliarden pro Jahr. Dennoch hat man den Eindruck, gerade mit Blick auf das, was sich in den Krisenländern – Griechenland, Spanien und Portugal – abspielt, dass vieles dieser Gelder verpufft oder sogar auch nicht abgerufen wird. Wie können Sie sicherstellen, dass diese Gelder wirkungsvoll eingesetzt werden?
Hahn: Nehmen Sie das Beispiel Griechenland: Hier ist in diesem berühmten Memorandum of Understanding, das immer wieder kritisiert wird wegen der sogenannten Austerity-Maßnahmen, unter anderem auch festgehalten, dass Griechenland von 2010 bis jetzt, 2013, jedes Jahr eine bestimmte Summe – das war aufsteigend zwischen 3,2 und 3,8 Milliarden pro Jahr – von den Strukturfondsmitteln, die ihnen im Prinzip zur Verfügung stehen, abzurufen hat.
Wir haben hier mitzuhelfen, dass eben die Administration sich in ihrer Qualität so verbessert, dass die Projekte so vorbereitet werden können, dass sie unseren Standards entsprechen, dass sie dann eben genehmigt werden können. Es ist ja nicht so, dass es an Ideen mangelt. Ideen gibt es zuhauf, sondern das Problem ist in manchen Ländern, dass die administrative Kapazität noch nicht da ist, um die Projekte antragsreif zu machen.
Birke: Liegt das auch an dem Problem der Kofinanzierung, dass Griechenland selbst nicht mehr in der Lage ist, seinen Anteil an der Finanzierung der Projekte zu stellen?
Hahn: Nein, das haben wir im Wesentlichen ausgeschaltet, indem eben Länder wie Griechenland fünf Prozent zu den Projektkosten hinzuzuzahlen haben, und das ist sicherlich darstellbar. Uns war es aber auch wichtig, dass jedes Land auch mit einem Minimum an Eigenfinanzierung sich zu beteiligen hat, damit hier die entsprechende Identifikation auch gegeben ist. Also das ist nicht das Thema, sondern das Thema ist einfach, dass es da und dort oft noch Unklarheiten gibt über Zuständigkeiten, dass etwa in Griechenland wir vielfach Schwierigkeiten haben, aufgrund eines fehlenden Landregisters, wer ist nun Eigentümer von Grund und Boden.
Das sind übrigens auch Dinge, die wir jetzt mit den Strukturfondsmitteln versuchen zu beseitigen. Und davon profitiert auch eine Wirtschaft insgesamt, und zwar die griechische, aber auch die nationaler Investoren, wenn Klarheit darüber herrscht, wem Grund und Boden gehört. Das hat Vorteile, die dann in der Folge gar nichts mehr mit Strukturfondsmitteln und deren Verwendung zu tun hat, die aber dazu beitragen, dass Rechtssicherheit einkehrt.
Birke: Herr Hahn, wenn wir aber auf Griechenland blicken, 56 Prozent Arbeitslosigkeit. Auch in Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent, und man blickt auf die Verteilung der Strukturfondsmittel, dann sieht man, dass nur etwa ein Siebtel insgesamt für beschäftigungspolitische Maßnahmen bereitgestellt wird. Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Hahn: Ja, zunächst einmal, glaube ich, wäre es in Hinkunft besser, sich anzuschauen, wie viele von einem Jahrgang in Ausbildung sind, wie viele am Arbeitsmarkt sind und wie viele davon eben einen Job suchen. Wenn man diese Betrachtungsweise in der Form wählt, dann ist in Griechenland die Jugendarbeitslosigkeit bei unter 20 Prozent. Das ist noch immer zu viel – jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel, keine Frage –, nur man muss eben auch sehen, wer in Ausbildung ist, sucht keine Arbeit. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist, die europäischen Strukturfondsmittel, insbesondere der europäische Sozialfonds, die können Beiträge leisten, aber sie können per definitionem nicht das Problem lösen, dazu sind die Größenordnungen zu gering. Wir haben mit vielen Ländern jetzt das Bedürfnis nach Einführung der dualen Berufsausbildung, da helfen oder da können beide Fonds – Regionalentwicklung und Sozialfonds – mithelfen, das zu entwickeln. Das wird nicht von heute auf morgen Wirksamkeit erreichen, aber man muss ja mal damit beginnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
*) Redaktioneller Hinweis: Die verschriftete Fassung weicht an dieser Stelle von der Audio-Fassung ab. Gemeint war "nicht" - wie es aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews auch hervorgeht.
Johannes Hahn: Ja, die Frage ist, soweit ich es bisher verstanden habe, bezieht es sich darauf, ob hier etwa staatliche Subventionen zur Anwendung kommen können. Also, es ist jedenfalls bis dato nicht der Vorschlag gemacht worden, dass europäische Strukturfondsmittel dafür verwendet werden sollen, und das ist für mich das Wesentlichste.
Birke: Und Sie würden den Einsatz von Struktur- oder Kohäsionsfondsmitteln für solche Zwecke absolut ausschließen?
Hahn: Also es wird Sie nicht überraschen, dass ein Österreicher, der eher sozusagen auch als europäischer Kommissar seine Überzeugungen nicht bei der Eingangstür abgibt, eine klare Position hat. Jedenfalls kann für mich Kernenergie nicht unter erneuerbare Energie fallen.
Birke: Das heißt, Sie werden sich auch in der EU-Kommission gegen diese Förderung oder gegen die Genehmigung solcher Beihilfen aussprechen?
Hahn: Na, jedenfalls werde ich mich dafür aussprechen, dass dies [nicht] unter erneuerbare Energie fällt.*
Birke: 347 Milliarden Euro, das ist die Summe, die in den nächsten sieben Jahren für die Regional- und Kohäsionspolitik der EU zur Verfügung steht. Das sind ja enorme Beträge, 49 Milliarden pro Jahr. Dennoch hat man den Eindruck, gerade mit Blick auf das, was sich in den Krisenländern – Griechenland, Spanien und Portugal – abspielt, dass vieles dieser Gelder verpufft oder sogar auch nicht abgerufen wird. Wie können Sie sicherstellen, dass diese Gelder wirkungsvoll eingesetzt werden?
Hahn: Nehmen Sie das Beispiel Griechenland: Hier ist in diesem berühmten Memorandum of Understanding, das immer wieder kritisiert wird wegen der sogenannten Austerity-Maßnahmen, unter anderem auch festgehalten, dass Griechenland von 2010 bis jetzt, 2013, jedes Jahr eine bestimmte Summe – das war aufsteigend zwischen 3,2 und 3,8 Milliarden pro Jahr – von den Strukturfondsmitteln, die ihnen im Prinzip zur Verfügung stehen, abzurufen hat.
Wir haben hier mitzuhelfen, dass eben die Administration sich in ihrer Qualität so verbessert, dass die Projekte so vorbereitet werden können, dass sie unseren Standards entsprechen, dass sie dann eben genehmigt werden können. Es ist ja nicht so, dass es an Ideen mangelt. Ideen gibt es zuhauf, sondern das Problem ist in manchen Ländern, dass die administrative Kapazität noch nicht da ist, um die Projekte antragsreif zu machen.
Birke: Liegt das auch an dem Problem der Kofinanzierung, dass Griechenland selbst nicht mehr in der Lage ist, seinen Anteil an der Finanzierung der Projekte zu stellen?
Hahn: Nein, das haben wir im Wesentlichen ausgeschaltet, indem eben Länder wie Griechenland fünf Prozent zu den Projektkosten hinzuzuzahlen haben, und das ist sicherlich darstellbar. Uns war es aber auch wichtig, dass jedes Land auch mit einem Minimum an Eigenfinanzierung sich zu beteiligen hat, damit hier die entsprechende Identifikation auch gegeben ist. Also das ist nicht das Thema, sondern das Thema ist einfach, dass es da und dort oft noch Unklarheiten gibt über Zuständigkeiten, dass etwa in Griechenland wir vielfach Schwierigkeiten haben, aufgrund eines fehlenden Landregisters, wer ist nun Eigentümer von Grund und Boden.
Das sind übrigens auch Dinge, die wir jetzt mit den Strukturfondsmitteln versuchen zu beseitigen. Und davon profitiert auch eine Wirtschaft insgesamt, und zwar die griechische, aber auch die nationaler Investoren, wenn Klarheit darüber herrscht, wem Grund und Boden gehört. Das hat Vorteile, die dann in der Folge gar nichts mehr mit Strukturfondsmitteln und deren Verwendung zu tun hat, die aber dazu beitragen, dass Rechtssicherheit einkehrt.
Birke: Herr Hahn, wenn wir aber auf Griechenland blicken, 56 Prozent Arbeitslosigkeit. Auch in Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent, und man blickt auf die Verteilung der Strukturfondsmittel, dann sieht man, dass nur etwa ein Siebtel insgesamt für beschäftigungspolitische Maßnahmen bereitgestellt wird. Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Hahn: Ja, zunächst einmal, glaube ich, wäre es in Hinkunft besser, sich anzuschauen, wie viele von einem Jahrgang in Ausbildung sind, wie viele am Arbeitsmarkt sind und wie viele davon eben einen Job suchen. Wenn man diese Betrachtungsweise in der Form wählt, dann ist in Griechenland die Jugendarbeitslosigkeit bei unter 20 Prozent. Das ist noch immer zu viel – jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel, keine Frage –, nur man muss eben auch sehen, wer in Ausbildung ist, sucht keine Arbeit. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist, die europäischen Strukturfondsmittel, insbesondere der europäische Sozialfonds, die können Beiträge leisten, aber sie können per definitionem nicht das Problem lösen, dazu sind die Größenordnungen zu gering. Wir haben mit vielen Ländern jetzt das Bedürfnis nach Einführung der dualen Berufsausbildung, da helfen oder da können beide Fonds – Regionalentwicklung und Sozialfonds – mithelfen, das zu entwickeln. Das wird nicht von heute auf morgen Wirksamkeit erreichen, aber man muss ja mal damit beginnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
*) Redaktioneller Hinweis: Die verschriftete Fassung weicht an dieser Stelle von der Audio-Fassung ab. Gemeint war "nicht" - wie es aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews auch hervorgeht.