Kent Nagano

Nur keine Routine am Dirigentenpult

Kent Nagano steht vor einem Poster, das Musiker in den Rängen der Elbphilharmonie zeigt.
Kent Nagano ist Dirigent und musikalischer Leiter der Hamburger Staatsoper. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Moderation: Susanne Führer · 22.04.2022
„Ich bin der Sohn eines Bauern“, sagt Dirigent Kent Nagano. Trotzdem seien auf der kalifornischen Farm seiner Eltern regelmäßig Beethoven-Sonaten zu hören gewesen. Einen wirklichen Zugang zur europäischen Kultur habe er aber erst in Paris gefunden.
Wenn man auf der Bühne nicht authentisch sei, falle das sofort auf, sagt Kent Nagano. Der Dirigent und musikalischer Leiter der Hamburger Staatsoper spricht aus mehr als sechs Jahrzehnten Auftrittserfahrung. „Das Publikum kann immer fühlen, ob man ehrlich ist oder nicht.“

Beethoven-Sonaten im Bauernhaus

Aufgewachsen im kalifornischem Fischer- und Bauerndorf Morro Bay, wo sein Vater die Artischockenfarm des verstorbenen Großvaters weiterbetrieb, setzte Kent Naganos Mutter den Sohn schon als Vierjährigen ans Klavier. Obwohl die Mutter Pianistin und Mikrobiologin, der Vater Architekt war, sei es zugleich eine Bauernfamilie gewesen – aber sicherlich die Einzige, in der regelmäßig Beethoven-Sonaten gespielt wurden.
Entscheidend für Kent Naganos frühe musikalische Entwicklung war aber nicht nur das Musizieren mit der Mutter und den drei jüngeren Geschwistern. Großen Einfluss hatte der georgische Musiker Wachtang Korisheli, ein offenbar begnadeter Pädagoge, der es schaffte, nicht nur Kent Nagano, sondern viele andere Kinder im Dorf für die Musik zu begeistern. „Wir waren es als Kinder gewöhnt, drei, vier, fünf Stunden am Tag am Klavier zu sitzen.“
Die Musik habe ihre Fantasie so inspiriert, dass sie die Enge des Dorfs in Gedanken verlassen konnten. „Das war ein Geschenk.“

Ein Amerikaner in Paris

Anfänglich noch mit der Idee im Kopf, eine Karriere im diplomatischen Dienst zu starten, studierte er zunächst in seiner Heimat Kalifornien Soziologie und Recht, dirigierte aber bald das Berkeley Symphony Orchestra. In dieser Zeit kam er in Kontakt mit dem französischen Komponisten und Organisten Olivier Messiaen, der ihn später zu sich nach Paris einlud. Ein Jahr lebte Nagano mit Olivier Messiaen und dessen Ehefrau Yvonne Loriod zusammen.
Kent Naganos Großeltern waren Ende des 19. Jahrhunderts als Einwanderer aus Japan in die USA gekommen, er selbst sei „mit Leib und Seele Amerikaner“. Über Olivier Messiaen, der „fast ein Vater“ für ihn wurde, bekam er Zutritt in eine ganz neue Welt, die über die musikalische hinausreichte. „Er hat mir die Tür für die europäische Kultur geöffnet.“
Politiker wie Francois Mitterrand und Jacques Chirac, Maler, Dichter, Intendanten und Komponisten wie Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez gingen im Hause Messiaen-Loriod ein und aus. Er habe in dieser Zeit erkannt: „Amerika ist regional.“ Die USA seien „so weit weg von der Quelle dieser Art von Kultur“.

Neue Fragen, neue Antworten

Seit vielen Jahrzehnten ist Kent Nagano, der mit der Pianistin Mari Kodama verheiratet ist, auf den Bühnen der Welt unterwegs. Er hat unter anderem in Boston dirigiert, in Manchester, Lyon, Salzburg, Berlin, Montreal  – und heute in Hamburg.
Als Interpret sei es auch nach all der Zeit wichtig, „die eigenen Fragen zu stellen“. Nur so könne man vielfach aufgeführte Werke neu betrachten, ohne in eine Routine zu verfallen. „Die Antworten von heute werden nicht die Antworten von morgen oder übermorgen sein.“
Die Partitur bleibe zwar die gleiche, „aber sie ist nicht die Musik“. In der Musik müsse man immer wieder „von Neuem“ anfangen, mit einer neuen Recherche, neuen Aspekten, einer anderen Perspektive. Wenn es keine Änderung mehr im Blick auf die Musik gebe, „dann müssen wir in Pension gehen“.
(era)

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