Kennedy-Ermordung

US-Präsident Donald Trump will Akten freigeben

Zeitungen melden die Ermordung John F. Kennedys
Bis heute ranken sich viele Mythen und Verschwörungstheorien rund um die Ermordung des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 © imago/Levine-Roberts
Andreas Etges im Gespräch mit Dieter Kassel |
Bis heute gibt es rund um die Ermordung des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 viele offene Fragen. Sollte sein Nachfolger Donald Trump die Akten freigeben, erhofft sich auch der Münchner Historiker Andreas Etges neue Erkenntnisse.
Kein Mord des 20. Jahrhunderts erzeugt bis heute so viele Spekulationen wie das Attentat auf den US-Präsidenten John F. Kennedy in Dallas am 22. November 1963. Umfragen zeigen, dass auch ein halbes Jahrhundert danach nur ein Drittel der Amerikaner an die offizielle Version glaubt. Danach soll der Einzeltäter Lee Harvey Oswald aus dem fünften Stock eines Schulbuchlagers drei Schüsse auf das Kabriolett Kennedys abgegeben haben. Nun hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, die Unterlagen über den Mord an seinem Vorgänger zugänglich zu machen.

US-Bürger wollen mehr wissen

Experten wie den Historiker Andreas Etges sind davon wenig überrascht: "Er muss sich damit beschäftigen, weil es ein Gesetz von 1992 gibt, das sagt, dass in dieser Woche die noch nicht freigegebenen Akten aus dieser Aktensammlung zur John-F.-Kennedy-Ermordung freigegeben werden sollen", sagte Etges im Deutschlandfunk Kultur. "Er muss sich damit beschäftigen, und viele Amerikaner wollen, dass die Akten endlich komplett freigegeben werden, und dann würde er da auch wirklich dem Willen des Volkes entsprechen." Die Dokumente können etwas Licht in die Hintergründe der Tat und die Ermittlungspannen bringen.
Präsidenten-WitweJacqueline Kennedy mit ihren beiden Kindern Caroline und John F. Junior am 24.11.1963 bei der Trauerfeier für den ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy.
Kennedys-Witwe Jackie mit den beiden Kindern am 24.November 1963© picture alliance/dpa/Jfk Library

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Per Twitter, wie das so seine Art ist, hat der amerikanische Präsident Donald Trump am Beginn des Wochenendes angekündigt, er werde die Geheimhaltungsfrist für rund 3.000 Dokumente zur Ermordung John F. Kennedys nicht verlängern, und möglicherweise wird er heute aus seiner Twitter-Ankündigung Realität machen. Und wenn er wirklich diese 3.000 Dokumente quasi freigeben wird, dann könnten sie ab Donnerstag rein theoretisch schon öffentlich sein.
Das ist alles andere als sicher – Donald Trumps Ankündigungen werden ja nicht immer umgesetzt –, aber wir wollen über die Bedeutung dieser Dokumente, und was es denn bedeuten könnte, wenn sie bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten, trotzdem jetzt mit Andreas Etges reden. Der Historiker arbeitet am Amerika-Institut der Universität München, war zuvor unter anderem auch am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin und gilt als einer der großen Experten, was John F. Kennedy angeht. Herr Etges, schönen guten Morgen!
Andreas Etges: Guten Morgen!
Kassel: Überrascht es Sie eigentlich, dass Donald Trump sich jetzt plötzlich mit dem Kennedy-Mord beschäftigt und diese Dokumente freigeben will?
Etges: Er muss sich damit beschäftigen, weil es ein Gesetz von 1992 gibt, das sagt, dass in dieser Woche die noch nicht freigegebenen Akten aus dieser Aktensammlung zur John-F.-Kennedy-Ermordung freigegeben werden sollen und der Präsident das eigentlich nur mit einem Veto dann verhindern kann im Einzelfall oder auch für dieses ganze Paket, um das es noch geht. Er muss sich damit beschäftigen, und viele Amerikaner wollen, dass die Akten endlich komplett freigegeben werden, und dann würde er da auch wirklich dem Willen des Volkes entsprechen.
Kassel: Er hat im Wahlkampf mal was Merkwürdiges erzählt, Donald Trump, da hat er über seinen damaligen Konkurrenten Ted Cruz erzählt, dessen Vater habe sich mit Lee Harvey Oswald, dem Mörder von Kennedy, getroffen. Das konnte er nie beweisen, aber glauben Sie möglicherweise, dass Donald Trump ernsthaft daran glaubt, für diese merkwürdige These stünden irgendwelche Beweise in diesen Dokumenten?
Etges: Nein, das ist ist, denke ich, auch wieder so ein typischer Fall von Donald Trump, der irgendwelche Behauptungen oder Lügen in die Welt setzt, wo er hofft, dass sie ihm nützen. Dazu wird man mit ziemlicher Sicherheit nichts finden können in diesen verbleibenden Akten.

Mehr Informationen über Oswald

Kassel: Aber diese 3.000 Dokumente, wie interessant sind die denn für einen Wissenschaftler wie Sie, aus wissenschaftlicher Sicht? Was wäre von denen bei ihrer Veröffentlichung wirklich zu erwarten?
Etges: Man kann natürlich nur ein bisschen spekulieren, aber man weiß ungefähr, wann diese Dokumente jeweils entstanden sind. Es gibt so eine Übersichtsliste, ohne dass man genau weiß, was denn da jeweils drinsteht. Was man, glaube ich, nicht drin finden wird, ist die endgültige Antwort darüber, wer denn John F. Kennedy ermordet hat. Was man wahrscheinlich finden kann, ist ein bisschen mehr Information darüber, vor allen Dingen bei CIA-Dokumenten, was genau die über Lee Harvey Oswald wussten.
Es sind wohl definitiv Akten dabei, die über einen Mexiko-Besuch von ihm mehrere Wochen vor der Kennedy-Ermordung handeln, wo er auch unter anderem die russische Botschaft besucht hat und mit Sicherheit observiert wurde. Und das ist eben auch die Spekulation, warum vielleicht manche in den USA, wie die CIA, nicht wollen, dass alles freigegeben wird, dass da Dinge drin stehen, die kein gutes Licht auf die CIA werfen. Nicht, dass die CIA in die Ermordung involviert war, aber dass sie sie vielleicht hätte eher verhindern können oder zumindest viel mehr über den wusste, der als der Alleintäter gilt.
Kassel: Also das, was wir heute gern als Ermittlungspannen bezeichnen. Könnten wir da wieder einen Grund finden, warum Trump das veröffentlichen will? Wir wissen alle, sein Verhältnis zur CIA ist nicht das beste.
Etges: Es ist nicht das beste, aber die CIA argumentiert, und viele Akten sind eben auch gar nicht in den 60er-Jahren entstanden, sondern als dieser – es wurde ein Ausschuss gebildet nach dem berühmten Oliver-Stone-Film John F. Kennedy, "JFK.", der Druck machte auf die Bundesregierung, dann endlich mehr Akten freizugeben. Daraufhin sind noch mal neue Dinge geschrieben worden von der CIA, auch über Aktionen, also Dokumente, die erst in den 90er-Jahren sind. Und die CIA hat immer wieder Angst, dass Namen veröffentlicht werden, dass bestimmte Methoden bekannter werden, oder eben auch, dass eigene Fehler bekannt werden.
Da wird zum Teil so eine Mischung drin sein – ja, da geht es dann immer um das, was dann nationale Sicherheit heißt, die geschützt werden muss. Und Trump hat sich ja so ein kleines Hintertürchen offengehalten: Ja, ich will die Akten freigeben, aber ich höre mir auch noch mal an, was mir andere noch zu sagen haben. Das war so ein kleiner Hinweis darauf, vielleicht lasse ich doch noch nicht alles an die Öffentlichkeit.

Schwierige Wahrheit

Kassel: Bestehen eigentlich aus wissenschaftlicher Sicht, auch für Sie ganz persönlich, Herr Etges, überhaupt irgendwelche Zweifel daran, dass tatsächlich Lee Harvey Oswald der Täter war?
Etges: Man wird es wahrscheinlich nie endgültig wissen können, weil doch in den 60er-Jahren, als da ein ganz großer Untersuchungsbericht erstellt wurde von der Warren-Kommission, weil unglaublich viele Ermittlungspannen gemacht wurden, weil auch damals FBI, CIA und viele andere nicht richtig kooperiert haben, weil sie damals Dinge, die wir inzwischen allerdings heute wissen nach Watergate, an ganz vielen illegalen Aktionen im In- und Ausland beteiligt waren, und, wie wir heute auch wissen, der damalige Präsident, Lyndon Johnson, gar nicht wissen wollte, wer es wirklich war, sondern der Bericht eigentlich zeigen wollte, dass Lee Harvey Oswald der Alleintäter war. Er war es wahrscheinlich, aber wie gesagt, wir werden wahrscheinlich nie die ganze Wahrheit wissen, weil damals keiner ein Interesse hatte, an diese ganze Wahrheit zu kommen.
Kassel: Zwischen den Zeilen habe ich jetzt bei Ihnen rausgelesen, Sie halten es für extrem wahrscheinlich bis sicher, dass er der Täter war, aber es bleiben Zweifel daran, was die Hintergründe sind, also ob er tatsächlich allein gehandelt hat?
Etges: Genau. Ich bin ziemlich fest davon überzeugt, dass nicht, wie viele der Verschwörungstheorien denken, es war die CIA oder der militärisch-industrielle Komplex oder sogar sein Nachfolger Lyndon Johnson, die dahintersteckten, also eine große Verschwörung. Dafür gibt es aus meiner Sicht zu wenig Hinweise. Aber dass es eine kleine gegeben hat, dass also ein paar mehr Personen geplant haben, wird man wahrscheinlich nie ausschließen können.
Das wäre dann eine Verschwörung, aber sicher nicht in diesem großen Ausmaß, an die immer gedacht wurde. Aber ich glaube auch, egal, was diese Woche dann rausgelassen wird – und wenn es dann noch drei Dokumente sind, die noch nicht freigegeben werden oder komplett freigegeben werden, diese Verschwörungstheorien werden trotzdem weitergehen.

Suche nach der Verschwörung

Kassel: Diese Verschwörungstheorien, ich habe es vorhin schon gesagt, ich glaube, es gibt vielleicht noch Nine-Eleven und mit einem gewissen Abstand dann hinter Kennedy noch die Mondlandung. Aber es gibt kaum Ereignisse, die so viele Verschwörungstheorien produziert haben wie Kennedys Ermordung 1963. Liegt das an diesen Ermittlungspannen, den Unklarheiten, liegt das an seiner Person, oder haben Sie eine andere Erklärung dafür? Ich meine, Sie selbst sind ja offenbar auch fasziniert von dem Fall.
Etges: Ich bin eher ein bisschen faszinierter von der Kennedy-Administration oder diesen ganzen Jahren, in denen unglaublich viel passierte. Aber diese Ermordungsfrage ist natürlich auch eine spannende. Ich denke, es ist eine Mischung aus verschiedenen Dingen. Zum einen wuchs das Misstrauen gegenüber der amerikanischen Bundesregierung und einigen Behörden. Und nach Watergate und nach weiteren Ergebnissen, die man heute weiß, konnte man dieser Bundesregierung und einigen ihrer Behörden auch durchaus an vielen Dingen nicht vertrauen, weil sie von Vietnam bis hin zu vielen anderen Dingen das Volk belogen hat.
Der andere Punkt ist, glaube ich, dieser Kennedy, der so jung aus dem Leben scheiden musste und bei dem man noch so viel Hoffnung hatte, was denn aus dieser Administration werden kann, so ein bisschen vergleichbar vielleicht wie Obama in der ersten Amtszeit. Der durfte einfach nicht von einer so komischen, obskuren Figur wie Harvey Oswald ermordet worden sein, sondern da musste was ganz Großes dahinterstecken, was verhindert hätte, dass Kennedy die Welt angeblich komplett verändert hätte, wenn er hätte weiter regieren können. Ich glaube, das ist auch dieses Bedürfnis danach, es muss eine ganz große Erklärung geben, die dann zu vielen Verschwörungstheorien geführt hat.
Kassel: Ein paar neue Erkenntnisse könnte es geben, wenn rund 3.000 Dokumente, die bisher unter Geheimhaltung lagen, in dieser Woche freigegeben werden – wenn es denn passiert. Aber endgültige Klarheit über die Ermordung Kennedys und gar ein Ende der Verschwörungstheorien wird das sicherlich nicht bringen, sagt Andreas Etges vom Amerika-Institut der Universität München. Herr Etges, vielen Dank fürs Gespräch und einen angenehmen Montag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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