Kenia

Auf eine Hummercremesuppe nach Afrika

Kenianer bei einer Demonstration in Nairobi
Wer hilft da eigentlich wem? Die kritische Serie "Aid for Aid" begeistert Kenia. © dpa / picture alliance / Dai Kurokawa
Von Linda Staude  · 08.07.2014
Abends auf der Terrasse Cocktails trinken, tagsüber Spenden für Hungeropfer sammeln. Eine satirische Fernsehserie aus Kenia nimmt Hilfsorganisationen und ihre Mitarbeiter aufs Korn. Im Mittelpunkt steht eine Nichtregierungsorganisation mit dem schönen Namen "Aid for Aid", also "Hilfe um der Hilfe willen".
"Aid for Aid" – Hilfe der Hilfe wegen – ist Kenias neueste private Hilfsorganisation. Völlig ahnungslos, ohne Ziel und frei erfunden für eine Fernsehsatire mit dem Namen "Die Samariter". Scott ist der neue Chef. Ein gegeltes Jüngelchen frisch von der Uni, der es immerhin schon zu einem Praktikum in Marokko gebracht hat – und in Kenia natürlich richtig was bewegen will.
"Scott hat seinen Abschluss in den USA gemacht und keine Ahnung, was er tun soll. Sicher ist nur, dass 'Aid for Aid' in diesem Jahr einen Riesenzuschuss beantragen will. Aber keiner weiß, wofür eigentlich."
Hussein Kurji hat sich die Geschichte um die NGO, die Nichtregierungsorganisation, ausgedacht. Er hat zwar selbst noch nie in der Entwicklungshilfe gearbeitet, aber eine Menge Bekannte, die das tun. Schließlich ist Nairobi so etwas wie ein Mekka der Hilfsorganisationen, sagt sein Regisseur und Partner Salim Keshavjee.
"Es hat angefangen, als das Umweltprogramm der UN sein Hauptquartier hierher verlegt hat. Dann sind die anderen nachgezogen. Viele von ihnen machen gute Arbeit. Aber es gibt auch ein paar, die wir 'Akten-Köfferchen'-NGOs nennen. Die bringen alle anderen mit in Verruf."
Nichts für Träumer
Genau das sagen auch die Profis. Hendrik Linneweber ist seit sechs Jahren der kenianische Landesdirektor für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ.
Ein Job als Helfer im Ausland sei eben nichts für Träumer. Gefordert ist Professionalität, betont er. Aber solche blauäugigen Helfer gibt es eben auch. Salim Keshavjee erzählt gerne die – leider wahre – Geschichte von einer amerikanischen NGO, die Spenden für die Rettung der Nashörner eingesammelt hat. Der erste Preis für den größten Spender: eine Nashornjagd in Sambia.
"Sie haben NGOs, da sitzen die Mitarbeiter in Fünf-Sterne-Hotels, schlürfen Hummercremesuppe und Champagner und reden über Armut. Obwohl sie nur die besten Absichten haben, ist dieser Widerspruch schon ironisch."
Futter für die Satiriker. Zum Beispiel, wenn die hilflosen Helfer von "Aid for Aid" zwischen endlosen Debatten über Dinnerpartys und ihre eigene Karriere darüber reden, worum es bei ihrer Arbeit wirklich geht:
"Wir retten Afrika."
Dieser naive Ansatz stößt auf dem Kontinent längst auf heftige Kritik:
"Ehrlich gesagt, ich glaube, bei der Entwicklungshilfe geht es um Mitleid. Die Überzeugung, dass Afrika es nicht alleine schaffen, kein Wachstum erreichen kann."
Entwicklungshilfe als Heftpflaster
Dambisa Moyo stammt aus Sambia, ist studierte Ökonomin und die Autorin des Buches "Dead Aid" – eine boshafte Anspielung auf die sogenannten Live-Aid-Konzerte, mit denen Prominente wie Bob Geldorf oder Bono Millionen für die Hungernden in Afrika gesammelt haben:
"So etwas kann nichts weiter sein als ein Heftpflaster, aber es schafft kein langfristiges Wachstum, mit dem Afrika ein gleichwertiger Partner auf der Weltbühne würde."
"Die Samariter" sind nicht die erste Satire über das Helfersyndrom für Afrika. Vor etwa anderthalb Jahren haben zum Beispiel südafrikanische Studenten zur Hilfe für das kältegeplagte Norwegen aufgerufen:
"Kälte ist genauso schlimm wie Armut. Die Leute ignorieren es nicht, wenn Menschen hungern. Warum sollten wir es ignorieren, wenn sie frieren. Erfrierungen können auch tödlich sein."
Das dazugehörige Musikvideo heißt Radi-Aid, ruft die Afrikaner zur Spende von elektrischen Heizkörpern auf und sieht verdächtig nach den 80er-Jahre-Produktionen à la "We are the World" aus. Jetzt drehen wir den Spieß um, singen bekannte afrikanische Musikgrößen, jetzt heißt es Afrika für Norwegen.
Pauschalkritik ist unfair
Hendrik Linneweber kann über solchen Spott schon lachen. Aber die Pauschalkritik, dass Entwicklungshilfe mehr Schaden angerichtet hat als Nutzen, hält er trotzdem für unfair. Das beste Beispiel sind die Dürrekatastrophen am Horn von Afrika in den 80er-Jahren, sagt er.
Seriöse Organisationen haben ihre Arbeit ohnehin schon seit Jahren umgestellt. Von der Nothilfe bei akuten Katastrophen einmal abgesehen, geht es heute nicht mehr um Geschenke ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse vor Ort, sondern um Zusammenarbeit.
Kriege, Konflikte, Bürokratie und Korruption erschweren die Arbeit in vielen Ländern immer noch. Aber das Konzept funktioniert, betont der Mann von der GIZ. Trotzdem: Die naiven Helfer mit Tropenhelm und Sonnebrille, die frisch aus dem Flugzeug Afrika retten wollen, sind längst noch nicht ausgestorben. Und Witze über sie wie in den "Samaritern" kommen an:
"Wir haben festgestellt, dass unsere größten Fans NGOs sind. Sie lieben die Show. Wir wollten eigentlich nur Unterhaltung machen, aber letztendlich haben wir auch einen Dialog angestoßen. Die Leute hinterfragen, ob Entwicklungshilfe wirklich funktioniert."
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