Keineswegs beunruhigt

Von Burkhard Birke |
Frankreich ist das europäische Land, in dem sich die Schweinegrippe am schnellsten ausbreitet. Und die Behörden bereiten sich darauf vor, die höchste Alarmstufe auszuruhen. Dennoch zeigt sich die Bevölkerung gelassen.
In den französischen Überseegebieten Guyana, Neukaledonien, Polynesien und auf Réunion treibt die Schweinegrippe schon länger ihr Unwesen: 21 Todesopfer sind dort bereits zu beklagen. Mit bisher sechs Todes- und 103.000 registrierten Grippefällen ist nun auch im französischen Mutterland das Epidemiestadium erreicht. Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot:

"Wir beabsichtigen allerdings noch nicht unmittelbar Alarmstufe sechs auszurufen. Das Ausmaß der Epidemie rechtfertigt das noch nicht!"

Stufe sechs wäre die Pandemie! Dennoch zeigen sich die französischen Behörden besorgt: Binnen einer Woche hat sich die Zahl der registrierten Krankheitsfälle verdoppelt. Das Virus verbreitet sich angeblich in Frankreich schneller als im Rest Europas, wobei offenbar nicht immer gezielte Tests durchgeführt werden, um tatsächlich den Nachweis für den H1N1-Erreger zu erbringen, dem immerhin 80 Prozent der Grippefälle zugeschrieben werden.

Ende letzter Woche waren 22 Schulen ganz und 46 Schulklassen in verschiedenen Institutionen übers ganze Land verteilt geschlossen. Bereits im August hatte Bildungsminister Luc Chatel angeordnet, dass Schulleiter zur Vermeidung der Ansteckungsgefahr beim zuständigen Präfekten beantragen können, Klassen oder ganze Schulen vorübergehend zu schließen.

Sobald drei Schüler einer Klasse vom Virus befallen sind, werden sämtliche Schüler nach Hause geschickt – so lange die Ansteckungsgefahr besteht, das heißt für mindestens acht Tage! Das Bildungsministerium hat einen exakten Plan für eine Notversorgung erarbeitet. Für den Fall, dass das Gros oder eine Vielzahl der Schulen geschlossen werden muss, gibt es Unterricht per Radio, Fernsehen und Internet. Der zuständige Minister Luc Chatel:

"Für jede Bildungseinrichtung gibt es einen Plan Kontinuität. Wir haben zusammen mit dem fünften Fernsehkanalprogramme vorbereitet. 264 Stunden Fernsehunterricht und 288 Stunden Radioprogramme auf France Culture können ausgestrahlt werden. Darüber hinaus stehen uns die Möglichkeiten des Fernunterrichtsinstituts zur Verfügung, das über das Internet lehrt!"

Wie das Bildungsministerium hat auch der Verkehrsminister für den Notfall geplant: Man könne auch im Pandemiefall einen Betrieb wie im August für die Kunden bereitstellen, lautet die Demarche etwa bei der Pariser Metro sowie den Nahverkehrsbetrieben in anderen Großstädten. Im Ferienmonat August verringert sich der Frequenztakt enorm, bleibt aber deutlich höher als bei der Grundversorgung bei Streik. Die Staatsbahn SNCF wappnet sich ebenfalls für das Schlimmste. Die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, Polizisten, Feuerwehrleute, Militärs, vor allem aber die Beschäftigten des Gesundheitswesens sollen wie die Risikogruppen darunter auch schwangere Frauen und Kleinkinder bevorzugt geimpft werden.

Flächendeckende Impfungen sind nicht vorgesehen. Zunächst muss der Impfstoff zugelassen und geliefert werden. Ab Mitte Oktober könnten die kostenlosen, freiwilligen Impfungen gegen den Erreger H1N1 beginnen, heißt es im Gesundheitsministerium. Dort wird die Doppelimpfung empfohlen: Im Abstand von drei Wochen sollte man sich gegen den klassischen Grippeerreger und das H1N1 Virus impfen lassen. Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot:

"Man darf die beiden Impfungen nicht durcheinanderbringen. Wir brauchen zwei unterschiedliche, zeitlich gestreckte Impfaktionen: Beide zielen gegen die Grippe, aber auf zwei völlig unterschiedliche Viren."

Während die Kosten für die Impfung gegen die Schweinegrippe ganz übernommen werden, kommen nur die rund neun Millionen zur Risikogruppe zählenden Franzosen ab sofort in den Genuss einer Gratisimpfung gegen die klassische Grippe. Die Gesamtkosten werden auf 1,5 Milliarden Euro veranschlagt, die zur Hälfte vom Staat, zur anderen von der Krankenversicherung übernommen werden. Hinzukommen etwa 240 Millionen für das Impfpersonal.

Ältere Personen gelten bei der klassischen, nicht aber bei der Schweinegrippe als besonders gefährdet. Mediziner warnen allerdings ohnehin vor Panikmache: Bislang ist der Verlauf der Schweinegrippe im Allgemeinen weniger tödlich und virulent als der der klassischen Grippe, die alljährlich in Frankreich zwischen 2500 und 6000 Menschen das Leben kostet.

Die Bevölkerung nimmt die Gefahr einer Schweinegrippeepidemie gelassen: Laut Umfrage sind 80 Prozent der Franzosen keineswegs beunruhigt!