"Keiner meiner Gesprächspartner hat gesagt, er fühlt sich mächtig"
Dass die Macht zwei Seiten hat, habe sie zu ihrem Buch inspiriert, sagt Katja Kraus. Während die Wahrnehmung von außen eindeutig sei, sprach sie mit erfolgreichen und gescheiterten Prominenten über deren Unsicherheiten und Zweifel im Innern, so die frühere Fußballnationalspielerin.
Ute Welty: Geschichten vom Erfolg und vom Scheitern – da hat Katja Kraus nicht nur drüber geschrieben, die hat sie auch selbst erlebt. Acht Jahre lang saß sie im Vorstand des Hamburger SV, die einzige Frau in einer solchen Position bei den Profifußballern, um dann quasi über Nacht entlassen zu werden. "Macht" heißt ihr Buch, das jetzt pünktlich zur Leipziger Buchmesse und zur LitCologne erschienen ist. Und mit Macht hat es sie heute früh auch aus dem Bett getrieben, damit wir miteinander sprechen können. Guten Morgen, Frau Kraus!
Katja Kraus: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Welty: Sie haben Björn Engholm getroffen, ehemals Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, zurückgetreten wegen Falschaussage in der Barschel-Affäre, Sie haben Gesine Schwan getroffen, zwei Mal gescheitert mit dem Versuch, Bundespräsidentin zu werden, oder auch den Skispringer Sven Hannawald, der den Sport aufgab wegen seiner Depressionen. Wie traurig oder mindestens wehmütig waren alle diese Gespräche?
Kraus: Die waren eigentlich gar nicht ausschließlich traurig, weil bei vielen ist ja schon eine gewisse Zeit vergangen und damit hat auch eine Verarbeitung stattgefunden. Aber ganz klar ist, dass all diese Menschen, die mit sehr viel Herz und Hingabe eine Sache getan haben, danach erst mal eine sehr große Leere empfunden haben.
Welty: Wie sehr hat für diese Recherche eine Rolle gespielt, dass Sie ja auch ein solches Schicksal zwischen Erfolg und Scheitern teilen? Gibt es da so ein Gefühl von "Willkommen im Club"?
Kraus: Ach, es kannte gar nicht jeder meine Geschichte. Aber es ist sicher so gewesen, dass bei dem einen oder anderen Gesprächspartner diese Tatsache, diese geteilte Geschichte, geteilte Erfahrung, wahrscheinlich dazu geführt hat, dass er bereit war, mit mir zu sprechen.
Welty: Auch vielleicht bereit war, sich mehr zu öffnen?
Kraus: Ja, vielleicht hat es auch vielmehr mir die Möglichkeit gegeben, ein anderes Vertrauensverhältnis zu erzeugen, auch diese Gespräche auf eine bessere, intensivere Weise zu führen, weil ich einfach die neuralgischen Punkte geglaubt habe zu kennen.
Welty: Die da wären?
Kraus: Mir sind auch noch ein paar neue begegnet. Na ja, es ist schon eine sehr intensive Auseinandersetzung, und die Frage ist ja: Was ist der eigentliche Schmerz dabei? Bei vielen ist es das öffentliche, das publikumsbegleitete Scheitern, was immer so einen Makel natürlich auch mit sich bringt, gerade wenn man sehr öffentlich gewesen ist. Für mich war es eher das Thema, was kann ich eigentlich auf die gleiche Weise, und all die Unsicherheiten, die damit verbunden sind, wenn man erst mal ganz viele Stabilitätsfaktoren verliert, die ja auch in einer Funktion liegen.
Welty: Bei wem haben Sie eine Öffnung oder eine Bereitschaft besonders stark gespürt? Wo hat das besonders gut funktioniert, dass man eine gemeinsame Ebene findet?
Kraus: Das sind ja sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Was ich grundsätzlich sagen kann, ist, dass Frauen bereit sind, sich intensiver damit auseinanderzusetzen, was ihnen passiert ist, intensiver Fehlersuche betreiben, vielleicht manchmal sogar zu intensiv. Aber diese Gespräche sind wahrscheinlich auf eine besondere Weise offen gewesen.
Welty: Hat das alles auch eine Rolle gespielt für die Begegnung mit dem Mann, der wohl zeit seines Lebens der gefühlte Bahnchef bleiben wird und jetzt den Berliner Flughafen auf Vordermann bringen soll, für die Begegnung mit Hartmut Mehdorn?
Kraus: Na, erst mal ist das sehr respektabel, dass er bereit ist, einen der schwierigsten Jobs dieses Landes anzutreten mit 71 Jahren, also ich finde, das ist alle Ehren wert. Hartmut Mehdorn war bereit, mit mir zu sprechen, als er zwischen der Bahn und Air Berlin gewesen ist, also auch gerade in so einer Zwischenphase. Und das Gespräch kam dann aber erst zustande, als er bei Air Berlin war. Und schon das fand ich sehr bemerkenswert, dass er trotz der veränderten Voraussetzungen mir als Gesprächspartner zur Verfügung stand. Denn da gehört ja auch eine Menge Mut dazu, diese stillen Momente zu zeigen, die man normalerweise nicht sieht von diesen Menschen.
Welty: Hartmut Mehdorn und ein stiller Moment – entschuldigen Sie, aber das drängt sich jetzt nicht gerade auf, dieses Bild.
Kraus: Sehen Sie, das sind die Dinge, die Sie in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmen, die ich versucht habe, mit diesem Buch zu zeigen. Ich wollte wirklich verstehen – und das war etwas, das lange schon in mir gewachsen ist, das Interesse daran: Wie viel Mensch bleibt eigentlich noch in einer Funktion? Wo gehen diese öffentlichen Menschen hin mit ihren Unsicherheiten, Zweifeln, Ängsten? Wie erleben sie Erfolg, aber wie erleben sie eben auch Misserfolg?
Welty: Würden Sie sagen, Mehdorn kann auch Flughafen?
Kraus: Also den Beweis wird er erbringen müssen. Ich weiß nicht, wie weit das allein von seiner Kompetenz abhängt. Aber was ich für wichtig halte, ist, dass man ihn diese Aufgabe jetzt erst mal machen lässt und dann am Ende bewertet. Ich glaube, diese Häme, die jetzt mit seinem Amtsantritt ausgeschüttet wurde, die ist einfach fehl am Platz.
Welty: Am Ende Ihres Vorwortes schreiben Sie: "Macht ist eindeutig." Worin begründet sich diese Eindeutigkeit?
Kraus: Macht ist eindeutig in der Wahrnehmung von außen. Im Inneren ist das ein abstraktes Gefühl, man fühlt es nicht an, also keiner meiner Gesprächspartner hat gesagt, er fühlt sich mächtig. Es hat natürlich auch damit zu tun, dass Macht sehr negativ besetzt ist. Was, ich finde, zu Unrecht passiert, denn natürlich braucht man für alles, was man bewegen will, für jede gute Sache eben auch die Macht, um sie anständig am Ende umzusetzen.
Welty: Katja Kraus hat ein Buch über Macht geschrieben, das genauso heißt und zu lesen lohnt. Danke dafür, und für das Interview hier in der "Ortszeit" natürlich auch!
Kraus: Vielen Dank! Einen schönen Tag für Sie!
Welty: Danke schön! Und wenn Sie Katja Kraus live erleben wollen: Am Montag trifft sie sich um 20 Uhr im Hamburger Abaton-Kino mit schon erwähntem Björn Engholm und der geschätzte Kollege Roger Willemsen passt auf die beiden auf und moderiert, damit die Buchpräsentation zum Erfolg wird und nicht scheitert.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Katja Kraus: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Welty: Sie haben Björn Engholm getroffen, ehemals Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, zurückgetreten wegen Falschaussage in der Barschel-Affäre, Sie haben Gesine Schwan getroffen, zwei Mal gescheitert mit dem Versuch, Bundespräsidentin zu werden, oder auch den Skispringer Sven Hannawald, der den Sport aufgab wegen seiner Depressionen. Wie traurig oder mindestens wehmütig waren alle diese Gespräche?
Kraus: Die waren eigentlich gar nicht ausschließlich traurig, weil bei vielen ist ja schon eine gewisse Zeit vergangen und damit hat auch eine Verarbeitung stattgefunden. Aber ganz klar ist, dass all diese Menschen, die mit sehr viel Herz und Hingabe eine Sache getan haben, danach erst mal eine sehr große Leere empfunden haben.
Welty: Wie sehr hat für diese Recherche eine Rolle gespielt, dass Sie ja auch ein solches Schicksal zwischen Erfolg und Scheitern teilen? Gibt es da so ein Gefühl von "Willkommen im Club"?
Kraus: Ach, es kannte gar nicht jeder meine Geschichte. Aber es ist sicher so gewesen, dass bei dem einen oder anderen Gesprächspartner diese Tatsache, diese geteilte Geschichte, geteilte Erfahrung, wahrscheinlich dazu geführt hat, dass er bereit war, mit mir zu sprechen.
Welty: Auch vielleicht bereit war, sich mehr zu öffnen?
Kraus: Ja, vielleicht hat es auch vielmehr mir die Möglichkeit gegeben, ein anderes Vertrauensverhältnis zu erzeugen, auch diese Gespräche auf eine bessere, intensivere Weise zu führen, weil ich einfach die neuralgischen Punkte geglaubt habe zu kennen.
Welty: Die da wären?
Kraus: Mir sind auch noch ein paar neue begegnet. Na ja, es ist schon eine sehr intensive Auseinandersetzung, und die Frage ist ja: Was ist der eigentliche Schmerz dabei? Bei vielen ist es das öffentliche, das publikumsbegleitete Scheitern, was immer so einen Makel natürlich auch mit sich bringt, gerade wenn man sehr öffentlich gewesen ist. Für mich war es eher das Thema, was kann ich eigentlich auf die gleiche Weise, und all die Unsicherheiten, die damit verbunden sind, wenn man erst mal ganz viele Stabilitätsfaktoren verliert, die ja auch in einer Funktion liegen.
Welty: Bei wem haben Sie eine Öffnung oder eine Bereitschaft besonders stark gespürt? Wo hat das besonders gut funktioniert, dass man eine gemeinsame Ebene findet?
Kraus: Das sind ja sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Was ich grundsätzlich sagen kann, ist, dass Frauen bereit sind, sich intensiver damit auseinanderzusetzen, was ihnen passiert ist, intensiver Fehlersuche betreiben, vielleicht manchmal sogar zu intensiv. Aber diese Gespräche sind wahrscheinlich auf eine besondere Weise offen gewesen.
Welty: Hat das alles auch eine Rolle gespielt für die Begegnung mit dem Mann, der wohl zeit seines Lebens der gefühlte Bahnchef bleiben wird und jetzt den Berliner Flughafen auf Vordermann bringen soll, für die Begegnung mit Hartmut Mehdorn?
Kraus: Na, erst mal ist das sehr respektabel, dass er bereit ist, einen der schwierigsten Jobs dieses Landes anzutreten mit 71 Jahren, also ich finde, das ist alle Ehren wert. Hartmut Mehdorn war bereit, mit mir zu sprechen, als er zwischen der Bahn und Air Berlin gewesen ist, also auch gerade in so einer Zwischenphase. Und das Gespräch kam dann aber erst zustande, als er bei Air Berlin war. Und schon das fand ich sehr bemerkenswert, dass er trotz der veränderten Voraussetzungen mir als Gesprächspartner zur Verfügung stand. Denn da gehört ja auch eine Menge Mut dazu, diese stillen Momente zu zeigen, die man normalerweise nicht sieht von diesen Menschen.
Welty: Hartmut Mehdorn und ein stiller Moment – entschuldigen Sie, aber das drängt sich jetzt nicht gerade auf, dieses Bild.
Kraus: Sehen Sie, das sind die Dinge, die Sie in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmen, die ich versucht habe, mit diesem Buch zu zeigen. Ich wollte wirklich verstehen – und das war etwas, das lange schon in mir gewachsen ist, das Interesse daran: Wie viel Mensch bleibt eigentlich noch in einer Funktion? Wo gehen diese öffentlichen Menschen hin mit ihren Unsicherheiten, Zweifeln, Ängsten? Wie erleben sie Erfolg, aber wie erleben sie eben auch Misserfolg?
Welty: Würden Sie sagen, Mehdorn kann auch Flughafen?
Kraus: Also den Beweis wird er erbringen müssen. Ich weiß nicht, wie weit das allein von seiner Kompetenz abhängt. Aber was ich für wichtig halte, ist, dass man ihn diese Aufgabe jetzt erst mal machen lässt und dann am Ende bewertet. Ich glaube, diese Häme, die jetzt mit seinem Amtsantritt ausgeschüttet wurde, die ist einfach fehl am Platz.
Welty: Am Ende Ihres Vorwortes schreiben Sie: "Macht ist eindeutig." Worin begründet sich diese Eindeutigkeit?
Kraus: Macht ist eindeutig in der Wahrnehmung von außen. Im Inneren ist das ein abstraktes Gefühl, man fühlt es nicht an, also keiner meiner Gesprächspartner hat gesagt, er fühlt sich mächtig. Es hat natürlich auch damit zu tun, dass Macht sehr negativ besetzt ist. Was, ich finde, zu Unrecht passiert, denn natürlich braucht man für alles, was man bewegen will, für jede gute Sache eben auch die Macht, um sie anständig am Ende umzusetzen.
Welty: Katja Kraus hat ein Buch über Macht geschrieben, das genauso heißt und zu lesen lohnt. Danke dafür, und für das Interview hier in der "Ortszeit" natürlich auch!
Kraus: Vielen Dank! Einen schönen Tag für Sie!
Welty: Danke schön! Und wenn Sie Katja Kraus live erleben wollen: Am Montag trifft sie sich um 20 Uhr im Hamburger Abaton-Kino mit schon erwähntem Björn Engholm und der geschätzte Kollege Roger Willemsen passt auf die beiden auf und moderiert, damit die Buchpräsentation zum Erfolg wird und nicht scheitert.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.