Keine Staatspleite wäre "die gerechteste Strafe für Spekulanten"

Robert Goebbels im Gespräch mit Ute Welty |
Das luxemburgische Mitglied der Sozialistischen Fraktion, Robert Goebbels, hat die Rolle der Hedgefonds bei den Verhandlungen um die Hilfen für Griechenland kritisiert. Einige Hedgefonds würden "mit allen Mitteln versuchen, sich gegen ein Abkommen zu wehren, um damit Kasse zu machen".
Ute Welty: 100 Milliarden Euro - um diese Summe geht es bei den Verhandlungen Griechenlands mit den Banken. 100 Milliarden, die die Banken und ihre Kunden in den Wind schreiben sollen. Auf gut Neudeutsch heißt das Schuldenschnitt. Auf der anderen Seite wäre diese Vereinbarung das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht, wenn Griechenland, die Europäische Union, die Europäische Zentralbank und der internationale Währungsfonds nicht übereinkommen, was weitere Einsparungen angeht, denn auch dann ist Griechenland pleite.

Der Luxemburger Sozialist Robert Goebbels beobachtet von seinem Sitz im Europaparlament das Ganze mit Sorge und auch mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Guten Morgen, Herr Goebbels!

Robert Goebbels: Guten Morgen!

Welty: Wenn Griechenland pleitegeht, dann geht auch jede Menge Geld verloren. Trotzdem werden wohl aller Wahrscheinlichkeit nach einige auch wieder daran verdienen, nämlich die Hedgefonds, die sich gegen eine Pleite versichert haben. Was halten Sie von dieser Konstruktion?

Goebbels: Ich finde das skandalös, vor allem, dass es die Möglichkeit gibt in der Finanzwelt, dass man sich gegen ein Risiko versichern kann, das man überhaupt nicht hat. Ich erkläre mich, es gibt diese Credit Default Swaps, diese CDS, das sind eigentlich Versicherungen gegen Verluste, die man auf Staatspapieren oder anderen Papieren haben kann.

Nur hat das sich eingebürgert, dass einige Hedgefonds, die überhaupt keine griechischen Staatspapiere besitzen, dann noch diese Versicherungen getätigt haben mit der Hoffnung, dass Griechenland Konkurs erreicht, weil nur dann können sie echt Geld kassieren. Und es ist ganz klar, dass bei diesem Verhandlungspoker jetzt in Athen einige Hedgefonds mit allen Mitteln versuchen, sich gegen ein Abkommen zu wehren, um damit Kasse zu machen.

Welty: Das Ganze funktioniert ja nur noch bis November, denn dann sind Spekulationen dieser Art verboten, dass man nämlich sich versichert gegen den Verlust einer Staatsanleihe, die man gar nicht hat. Das heißt aber doch im Klartext, das Verbot kommt im Grunde genommen zu spät.

Goebbels: Ja, das Verbot kommt zu spät, weil das früher nie so erkannt war. Die Europäische Kommission hat vor einem Jahr ungefähr vorgeschlagen, dass man die Hedgefonds besser eingrenzen soll, besser kontrollieren soll. Im Europäischen Parlament habe ich zu den Abgeordneten gehört, die daran gearbeitet haben, und wir haben im November letzten Jahres gemeinsam mit dem Rat in einem sogenannten Trilog ein Abkommen gemacht, wo eben diese sogenannten nackten CDS, "Naked CDS", wo die verboten werden sollen.

Der Gesetzgeber ist leider immer zu langsam, aber immerhin haben wir es geschafft, auf europäischer Ebene ein solches Regelwerk zu erlassen, das muss selbstverständlich im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht werden, dann müssen auch die Aufsichtsbehörden in den verschiedenen Staaten das umsetzen - das benötigt leider etwas Zeit. Problem ist nur, dass wir auch in dieses Regelwerk hineingeschrieben haben, dass sobald es im Amtsblatt veröffentlicht ist, keine neuen nackten Gewinnausfallversicherungen getätigt werden könnten, also ehe das Regelwerk ganz in Kraft tritt. Nur hat der Herbst bis heute noch immer irgendwo blockiert, und es ist noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Sonst würden zumindest diese neuen Kreditausfallsversicherungen nicht mehr getätigt werden können.

Welty: Wenn Sie sagen, der Gesetzgeber ist zu langsam - und Sie beschreiben das ja sehr eindrücklich -, heißt das auch, der Gesetzgeber ist machtlos?

Goebbels: Nein, der Gesetzgeber ist nicht machtlos, wir haben hier Macht gezeigt, nur wie gesagt ...

Welty: Aber was nützt Macht denn, die zu spät kommt?

Goebbels: Ja, die nützt für die Zukunft - wenn Griechenland pleitegehen sollte, was ich mir nicht wünsche, weil vor allem die Deutschen werden dann merken, wie viel Geld in Deutschland vernichtet wird, wenn Griechenland pleitegeht. Aber nachher gibt es ja noch andere Länder, die unter Druck stehen. Dann hoffe ich wenigstens, dass diese neuen Instrumente greifen, im Falle von Irland oder Portugal.

Welty: Sie greifen diese Maßnahmen gegen ein Ja nahezu unbekannten Gegner? Denn keiner weiß so genau, wer in diesen Hedgefonds investiert und wem sie gehören. Haben Sie eine Vermutung?

Goebbels: Das sind vor allem Leute, die über genügend Kapital verfügen und die meistens auch noch von Banken finanziert werden. Das sind ja Leute, die arbeiten mit Leverage, mit Hebel, das heißt, die leihen sich auch noch Geld, meistens bei Banken, um ihre spekulativen Geschäfte zu tätigen. Aber wir haben ja auch im Europäischen Parlament durchgesetzt, dass in Zukunft die Hedgefonds und die Private-Equity-Fonds und andere Fonds transparent werden müssen. Nur leider - das zeigt wiederum, dass in Rechtsstaaten das nicht so schnell geht - haben die Nationalstaaten zwei Jahre Zeit, um diese europäische Direktive umzusetzen. Die haben wir vor einem halben Jahr ungefähr angenommen, bis anderthalb Jahre dauert das noch, bis das überall rechtskräftig wird. Der einzige Staat, der bislang diese Direktive umgesetzt hat, ist Luxemburg.

Welty: Angesichts dieser Gemengelage und angesichts der jüngsten Äußerungen Ihres Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker, rechnen Sie mit einer griechischen Pleite?

Goebbels: Das kann man nicht ... ich hoffe nicht, weil erstens wäre das die gerechteste Straße für die Spekulanten, die auf die Pleite setzen, zweitens würden immense Vermögenswerte zerstört, gerade auch in der Bundesrepublik Deutschland: Die deutschen Banken, die deutschen Versicherungen, die deutschen Pensionsfonds, die haben meistens diese Art Papiere gekauft früher. Und wenn es zu einem Totalausfall käme, wären genau diese Papiere futsch. Und dann können neue Löcher aufgehen in der Bundesrepublik, in Frankreich, in Großbritannien und anderswo, und dann müssten die Staaten wieder die Banken retten.

Welty: Der Europaabgeordnete Robert Goebbels. Er vertritt die Luxemburger Sozialisten in Brüssel. Danke fürs Gespräch und einen guten Tag noch!

Goebbels: Vielen Dank! Wiederhören!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen./
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