Keine Schwangerschaft auf Probe

Von Marieke Degen, freie Journalistin |
Ein Paar wünscht sich ein Kind. Doch die Frau trägt einen Defekt in ihrem Erbgut, ein Defekt, der auf das Kind übertragen werden kann, und der dazu führt, dass das Kind schon im Mutterleib stirbt. Die Frau erleidet drei Fehlgeburten. Dann entscheidet sie sich für eine Präimplantationsdiagnostik. Ihr Frauenarzt stellt künstlich Embryonen her, untersucht sie in der Petrischale auf den Gendefekt, und pflanzt nur die gesunden Embryonen in die Gebärmutter ein.
Die Frau bringt ein gesundes Kind zur Welt. Der Arzt zeigt sich an. Im Juli hat ihn der Bundesgerichtshof freigesprochen. Die PID sei mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar und deshalb nicht strafbar.

Das Urteil hat eine alte Debatte neu entfacht. Ist es richtig, krankes Leben von vorneherein auszusortieren? Es ist eine Frage, auf die es kaum eine richtige Antwort geben kann. Doch mit der Realität hat sie nicht viel zu tun. Denn aussortiert wird schon längst, nur später. Wenn während der Schwangerschaft festgestellt wird, dass das Kind nicht lebensfähig ist oder schwer krank, dann kann die Schwangerschaft abgebrochen werden. Das ist legal, das wird gesellschaftlich akzeptiert. Doch für die Frauen bricht jedes Mal eine Welt zusammen.

Wenn ein schwer kranker Foetus abgetrieben werden darf, wäre es dann nicht konsequent, eine Schwangerschaft mit einem schwer kranken Foetus von vorneherein zu verhindern? Die Präimplantationsdiagnostik macht das in einigen Fällen möglich, dann nämlich, wenn eine bekannte Erbkrankheit vorliegt, die das Kind schwer schädigen könnte. Für die betroffenen Frauen bedeutet die PID: Keine Schwangerschaft mehr auf Probe, an deren Ende möglicherweise ein Abbruch oder eine Fehlgeburt steht.

Dass einige Politiker die Methode jetzt dennoch verbieten wollen, und das, obwohl sie mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar ist, das ist für die Patienten kaum nachzuvollziehen. Der Embryo in der Petrischale genießt einen höheren Schutz als eine Frau, oder ein Fötus mit einem schlagenden Herzen.

Die Präimplantationsdoagnostik wird kein Massenphänomen in Deutschland werden. Pro Jahr würden etwa 300 Patienten eine PID vornehmen lassen, schätzen Experten. Wenn man das hochrechnet, würden pro Jahr 1000 Embryonen verworfen, also in der Petrischale absterben. Zum Vergleich: Jedes Jahr werden in Deutschland 120.000 Foeten abgetrieben.

Es muss endlich ein Gesetz her, ein Gesetz, das die Präimplantationsdiagnostik erlaubt, wenn auch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Ein Verbot ist der falsche Weg. Dann bleibt alles wie bisher. Die Paare, die es sich leisten können, gehen ins Ausland, und lassen ihre Embryonen dort untersuchen.