Keine Rücktrittsforderung an Stoiber

Moderation: Birgit Kolkmann |
Trotz der parteiinternen Kritik an CSU-Chef Edmund Stoiber hat die stellvertretende CSU-Vorsitzende Barbara Stamm Rücktrittsforderung gegenüber Stoiber ausgeschlossen. Stoiber merke selbst, dass zukünftig mehr im Team gearbeitet werden müsse, betonte die CSU-Politikerin. Ebenso halte sie es für überzogen, von einer „zweiten Chance“ oder einem Ministerpräsidenten Stoiber „auf Bewährung“ zu sprechen.
Kolkmann: Frau Stamm, wie groß ist denn der Unmut über Stoibers Hin und Her zwischen Berlin und München?

Stamm: Ja gut, da hat es natürlich, wie auch der Fraktionsvorsitzende gesagt hat, doch sehr viele Irritationen gegeben. Es war sehr unverständlich gewesen, und die Partei und die Basis waren natürlich nicht darauf vorbereitet. Aber nichtsdestotrotz müssen wir einfach nach vorne schauen, und ich sage immer, man muss das Beste daraus machen.

Kolkmann: Der Fraktionsvorsitzende Herrmann sagt ja in ebendieser Rede auf dem Flug nach Rom, wenn Bayern Bayern bleiben will, dann muss sich etwas ändern. Was muss sich denn ändern?

Stamm: Ja, ich denke, zunächst stehen in der Woche im Mittelpunkt die Koalitionsverhandlungen und dass dort auch die Handschrift der Union und natürlich auch noch die Handschrift der CSU zu sehen ist. Wenn wir das hinter uns haben, wenn dann hoffentlich die große Koalition auch gelingt, nicht auf dem gemeinsamen Nenner, sondern wenn es wirklich auch eine Regierung wird, die Zeichen für die Zukunft setzt, dann müssen wir uns selbstverständlich in Bayern daran machen, wie geht es bei uns weiter. Ich denke, ich habe das auch in Gesprächen mit dem Parteivorsitzenden persönlich, aber auch mit anderen gespürt, dass er also selber merkt, dass wieder mehr im Team gearbeitet und erarbeitet werden muss, dass auch wieder mehr in die Partei hineingearbeitet werden muss, vor allen Dingen auch in die Kommunalpolitik. Das ist ganz, ganz wichtig, weil wir ja im Jahr 2008 erst Kommunalwahlen und dann Landtagswahlen haben.

Kolkmann: Kommen wir, bevor wir über Landes- und Kommunalpolitik vielleicht noch mal sprechen, noch mal zu den Koalitionsverhandlungen. Das Lavieren Stoibers hat sehr geschadet, das sagt Sachsens Ministerpräsident Milbradt von der CDU, erst habe er alle mit dem Herauslösen von Referaten und Kompetenzen aufgehalten, und dann hieß es, April, April! Sieht man das in München ähnlich kritisch, dass dadurch die CSU-Handschrift, von der Sie sprachen, etwas verlorengegangen ist?

Stamm: Ja, wir hatten natürlich zunächst Befürchtungen, das ist richtig, aber wenn ich mir jetzt so ein bisschen die letzten Tage dann auch noch mal Revue passieren lasse und auch wie der Parteivorsitzende und auch insgesamt die CSU wieder am Verhandlungstisch ist und wie also hier hart gerungen wird, bin ich also da doch guten Mutes und auch zuversichtlich, dass wir in den Koalitionsverhandlungen gemeinsam mit der CDU eben auch das erreichen, was eben auch wichtig ist für die Zukunft.

Kolkmann: In München waren ja die Nachfolger schon gegeneinander angetreten. Jetzt heißt es wieder, zurück, marsch, marsch! Werden da eigentlich ohne Not Personen beschädigt?

Stamm: Also da habe ich persönlich auch meine Probleme, das muss ich natürlich ganz offen sagen. Beide, sowohl Huber als auch Günter Beckstein, sind herausragende Persönlichkeiten, ich muss sagen, sie haben das beide sehr gut geschultert, großen Respekt, und jetzt gilt es einfach, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und nach vorne zu sehen. Ich denke einfach, für alle, die wir in einem politischen Amt und in der Verantwortung sind, wir sind in erster Linie den Menschen verpflichtet, und da kann es einfach nicht gehen, dass man da eigene Nabelschau sehr lange betreibt.

Kolkmann: Sie sprachen eben die Teamarbeit an, die nun besser geleistet werden soll. Das hätten Sie aus Gesprächen mit dem Parteivorsitzenden, mit Stoiber auch herausgehört. Welche Zukunft hat denn Stoiber in Bayerns Politik, nur dann, wenn er auch im Team vernünftig funktioniert?

Stamm: Nun, ich gehöre also nicht zu denjenigen, die jetzt Rücktritte fordern oder sagen, Stoiber hat keine Zukunft mehr, sondern ich bin also hier zuversichtlich und hoffe, dass er es verstanden hat und dass er weiß, dass sich die Administration etwas zurücknehmen muss und dass auch die politischen Verantwortlichen wieder mehr im Mittelpunkt stehen, nicht nur in der Landespolitik, sondern – ich betone noch einmal – vor allen Dingen auch unsere Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen. Die sind vor Ort und die sind nahe an den Menschen und die müssen wieder sehr, sehr eng eingebunden werden.

Kolkmann: Was berichten denn Ihre Kommunalpolitiker, die nahe an den Menschen sind, über das, was die Menschen denken?

Stamm: Ja gut, das brauchen uns nicht nur die Kommunalpolitiker zu unterrichten. Ich bin also auch sehr, sehr viel unterwegs. Wie gesagt, es gibt Enttäuschungen, es gibt Irritationen, und man muss natürlich mit den Menschen diskutieren, und das ist nicht ganz einfach, aber ich hoffe, dass uns das jetzt auch in den nächsten Wochen gelingen wird.

Kolkmann: Es ging ja schon so ein bisschen das Wort um, die Frage, ob Stoiber noch eine zweite Chance bekommt, oder sozusagen auf Bewährung noch ein bisschen Ministerpräsident bleiben soll. Wäre das ein bisschen überzogen?

Stamm: Also ich finde das überzogen, zu denen gehöre ich nicht. Ich bin immer eine gewesen, auch in den letzten Wochen, die eben auch deutlich ihm gegenüber die Meinung geäußert hat. Ich denke, es gilt, offen und ehrlich miteinander umzugehen, es gilt, Vertrauen zueinander zu haben und, wie gesagt, ich gehe einmal davon aus, dass er es verstanden hat, was die Partei in Zukunft braucht, nämlich Teamfähigkeit und Aufeinanderhören, Aufeinanderzugehen, Entscheidungsprozesse reifen lassen und die Basis nicht im Stich lassen.

Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.