"Keine richtige Industriepolitik"

Uwe Beckmeyer im Gespräch mit Ute Welty |
Die SPD hat der Bundesregierung Versäumnisse bei der Unterstützung des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS vorgeworfen. Der Wirtschaftsminister habe "zu schwach agiert", meint SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer.
Ute Welty: Es hätte der Jahrhundertauftrag für EADS werden können. Der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern stand kurz davor, eine amerikanische Bestellung über 179 Tankflugzeuge für 35 Milliarden Dollar entgegenzunehmen – und dann hat sich die US-Luftwaffe doch für die US-Firma Boeing entschieden. Über die Folgen spreche ich jetzt mit Uwe Beckmeyer, dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Beckmeyer!

Uwe Beckmeyer: Guten Morgen, Frau Welty, hallo!

Welty: In Ihrem Wahlkreis in Bremen lässt EADS die Flügelausrüstung für alle Großraumflugzeuge und die Landeklappen für alle Airbusprogramme bauen. Müssen Sie befürchten, dass durch den entgangenen Auftrag Arbeitsplätze verloren gehen?

Beckmeyer: Also das glaube ich direkt nicht. Aber natürlich wäre ein solcher Auftrag für EADS schon ein weiterer wichtiger Punkt, weil natürlich EADS mit einem solchen Auftrag sich auch in Nordamerika verstärkt hätte aufstellen können und insofern wirtschaftlich unabhängiger auch Währungsschwankungen aushalten könnte. Denn es ist ja oder es war geplant zumindest, dass in Alabama ja wohl eine große Flugzeugfabrik von EADS dann aufgebaut wird.

Welty: Der Schaden für die deutsche Luftfahrtindustrie ist also nicht wegzudiskutieren, vor allem eben, wenn man eine mögliche Signalwirkung mit auf die Rechnung setzt und nicht nur die 35 Milliarden Dollar. Hätten Bundeskanzlerin und Bundeswirtschaftsminister sich stärker einschalten müssen?

Beckmeyer: Na gut, das ist … Man muss einfach sagen, eine solche Ausstrahlung muss natürlich immer auch ein politisches Verfahren, das will ich, kann man gar nicht bestreiten … Vor allen Dingen ist es ja der dritte Aufschlag, der hier jetzt gedacht wird. Zwei Vorgängerausschreibungen sind ja schon gelaufen und einmal war ja auch EADS mit der Nase vorn. Gut, ich sag mal, wir sind auf der Seite des Atlantiks sicherlich nicht schlauer als auf der anderen Seite und man hört ja, dass zumindest EADS Nordamerika noch abwarten wird, wie denn die Begründung der Air Force ist zu dieser Entscheidung. Und es wird ja auch wohl noch ein Debriefing geben, also eine Nachbesprechung, und ich glaube, innerhalb einer Frist kann man dann noch als Unternehmen im Grunde auch noch mal sagen, da sind wir nicht mit einverstanden. Und gleichwohl, man merkt, EADS, Luft- und Raumfahrt ist immer auch weiterhin eine politische Industrie und verlangt nach auch industriepolitischer Führung und industriepolitischer Einflussnahme.

Welty: Würden Sie EADS denn raten, offiziellen Protest einzulegen? Diese Möglichkeit besteht ja innerhalb der nächsten zehn Tage.

Beckmeyer: Ich habe gelernt gestern, dass auch dazu in der Bundesregierung es durchaus unterschiedliche Meinungen gibt. Der Luftfahrtkoordinator zumindest ist ja wesentlich skeptischer als das Kanzleramt. Gut, ich bin zu wenig dicht dran tatsächlich an dieser Ausschreibung, um hier aus Bremen zu beurteilen, ob dort weitere Ungereimtheiten sind. Ich glaube, EADS kann das auch erst nach dem Debriefing entscheiden. Weil natürlich es ist bisher nur die Entscheidung als solche bekanntgegeben worden, aber noch nicht die Begründung. Man hört und liest ja, dass Boeing mehr oder weniger ein Flugzeug abgegeben hat, das bisher nur auf dem Papier steht und nicht existiert. Die hat natürlich auch verglichen zu EADS, die ja mit einem existierenden Flugzeug ins Rennen gegangen sind, durchaus ja auch Weichstellen in ihrem Angebot, wo man sagen kann, na ist das wirklich so toll, ist das eine richtige Entscheidung? Also ich glaube, da ist noch ein Fragezeichen zu machen. Ich meine, dass das in erster Linie eine unternehmerische Entscheidung sein wird.

Welty: Aber hilft dann gegen diesen Protektionismus nicht nur Protektionismus? Also noch mal die Frage: Hätten sich Bundeskanzlerin und Bundeswirtschaftsminister nicht stärker hinter EADS stellen müssen?

Beckmeyer: Also auf jeden Fall das Bundeswirtschaftsministerium ist in dieser Frage ja eines, das aus meiner Sicht eigentlich zu schwach agiert. Wir haben eigentlich in Deutschland keine richtige Industriepolitik, allemal auch nicht in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Der Herr Brüderle, der eigentlich immer nur die marktwirtschaftliche Frage in den Vordergrund rückt und marktwirtschaftliche Lösungen propagiert, der verkennt völlig die Realität in dieser Angelegenheit. Natürlich …

Welty: … inwieweit? …

Beckmeyer: … natürlich ist gerade Luft- und Raumfahrtindustrie auch immer eine politische Industrie und man muss schon auch seine heimischen Unternehmen stärken und unterstützen vor allen Dingen, das ist glaube ich absolut richtig.

Welty: Wie sehen Sie das denn, gerade diese Frage, in Zusammenhang damit, dass Daimler mindestens einen Teil seiner EADS-Anteile verkaufen will? Sie haben schon vor Jahren in ähnlichem Zusammenhang für mehr Staat bei EADS sich ausgesprochen. Bleiben Sie dabei?

Beckmeyer: Ja, auf jeden Fall. Ich denke mal, ich sehe das genau so wie in der maritimen Industrie, auch bei der Luft- und Raumfahrt: Wir haben es hier mit einer Schlüsselindustrie zu tun und ich glaube, diese bedarf auch der aktiven Begleitung durch die Bundesregierung, jeweils durch die Bundesregierung. Und da kann ich nur anraten, dass auch hier wirklich mit hoher Sensibilität das begleitet wird, weil wir natürlich auch von unseren französischen und spanischen Partnern wissen, dass dort Élysée und andere doch genau hinschauen und den Einfluss absichern, und damit auch die Chancen im Auge haben, wie sich denn diese Industrie national bei den jeweiligen Ländern weiterentwickelt. Und da hat Deutschland viel zu verlieren, wenn wir nicht aufpassen, und ich kann nur anraten, dass man jetzt mit Daimler wirklich eng verhandelt, um den deutschen Einfluss auch zu sichern und sicher zu machen.

Welty: Uwe Beckmeyer, SPD-Verkehrspolitiker im Interview der "Ortszeit", ich danke fürs Gespräch!

Beckmeyer: Okay.
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