Keine Lösung im Fall Snowden in Sicht

Von Gesine Dornblüth · 16.07.2013
Eigentlich hatte Edward Snowden angekündigt, nun doch Asyl in Russland beantragen zu wollen. Da er es offenbar noch nicht getan hat, stellt sich die Frage, ob er noch Herr seiner eigenen Lage ist.
Wer in der Transitzone eines russischen Flughafens Asyl beantragen möchte, teilt dies den Grenzbeamten mit. Die ziehen einen Mitarbeiter der Migrationsbehörde hinzu. Der nimmt das Asylgesuch auf. Dann darf der Antragsteller nach Russland einreisen und kommt ins Asylverfahren. Svetlana Gannuschkina, Leiterin einer Flüchtlingshilfsorganisation in Moskau, kennt das Verfahren auswendig:
"Das ist die Standardprozedur, und ich verstehe absolut nicht, warum Edward Snowden dieses Verfahren nicht nutzt. Überhaupt begreife ich nicht, was für eine Show in Scheremetjewo abläuft. Das ist wie in dem alten Witz. Jemand bittet Gott, ihn im Lotto gewinnen zu lassen, kauft aber kein Los."

Vielleicht habe Snowden es sich anders überlegt und wolle nun doch kein Asyl in Russland, heißt eine Erklärung. Eine andere lautet, es gab einen Antrag, doch der ist verschwunden. Dass der IT-Spezialist nicht vollständig Herr der Lage ist, scheint offensichtlich. Sergej Nikitin, Leiter von Amnesty International Russland, macht das an dem Treffen Snowdens mit Menschenrechtlern, Anwälten und Politikern am vergangenen Freitag fest. Er war selbst dabei:

"Wenn man die Liste der Eingeladenen durchgeht, ist ganz klar, dass nicht Edward Snowden sie zusammengestellt hat. Er hat vielleicht von internationalen Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch gehört, aber wohl kaum von dem Einiges-Russland Abgeordneten Nikonov oder dem Juristen Kutscherena. Snowden war allenfalls einer der Initiatoren des Treffens."

Der Gewinner war der Kreml, meint Nikitin:

"Da es bei dem Treffen auch um die USA ging, die gerade nicht sehr gut dastehen, weil sie jemanden verfolgen, der für Menschenrechte eintritt, war das für Russland ein guter Anlass, die USA zu kritisieren, die ja ihrerseits die Menschenrechtslage in Russland anprangern."

Gleich nach dem Treffen am Freitag sprachen sich führende Politiker Russlands dafür aus, Snowden Asyl zu gewähren. Doch danach verstummten diese Stimmen. Der Kreml geht auf Distanz zu Snowden. Andrej Soldatow arbeitet für das Internetprojekt agentura. Es befasst sich mit der Kontrolle von Geheimdiensten:

"Russland will Gewinn aus dem schlagen, was Snowden sagt, dabei aber keine Verantwortung übernehmen. Genau das signalisiert Putin ständig, wenn er sagt: Er befindet sich nicht auf russischem Gebiet."

Soldatow meint, es gehe Russland um mehr als nur darum, die USA als Verfolger eines Menschenrechtlers darzustellen. Er verweist auf das Thema Internetkontrolle - seit Jahren ein wichtiges Anliegen Russlands. Zurzeit wird das Internet größtenteils von Organisationen reguliert, die ihren Sitz in den USA haben. Russland will das, ebenso wie China, ändern. Ein entsprechender Versuch bei der weltweiten Telekommunikationskonferenz in Dubai im Dezember 2012 scheiterte. Nun könnte Russland die Frage erneut aufs Parkett bringen, meint Soldatow:

"Snowden hat Russland unfreiwillig sehr gute Argumente geliefert. Denn nun regen sich ja alle darüber auf, dass die Amerikaner ihren Vorteil – dass die Server in Amerika stehen - so schamlos ausgenutzt haben. In dem Zusammenhang ist es für den Kreml wichtig, dass Snowden eine internationale politische Figur bleibt. Dass man ihm nicht vorhalten kann, er arbeite für den russischen oder für den chinesischen Geheimdienst."

Soldatov meint, niemand habe Interesse, Snowden aus dem Transitbereich herauszuholen. Wladimir Putin reagierte gestern auf die Frage, was mit Snowden werde, mit einer Gegenfrage: "Woher soll ich das wissen?"