Keine leichte Kost
Essen war den alten Römern eine Herzensangelegenheit. In den Speisesälen des antiken Adels wurde nicht nur getafelt, hier fand große Politik statt, hier wurden Intrigen gesponnen und Orgien gefeiert. Die Historikerin Stein-Hölkeskamp ist der kulinarischen Kulturgeschichte Roms nachgegangen.
Das Römische Gastmahl ist natürlich kein Kochbuch , solche Gelage ließen sich heute auch in seinem rituellem Luxus und kultivierter Dekadenz beim besten Willen nicht mehr zelebrieren. Wohl aber gewährt dieses Buch einen wissenschaftlich fundierten Einblick in die Kulturgeschichte einer Epoche um 100 vor Christus bis 100 nach Christus , einer Zeit, in der der römische Adel Luxus mit Sinnen- und Tafelfreuden gleichsetzte. Die Tiefenschärfe bezieht die Autorin und Akademikerin Elke Stein-Hölkeskamp aus ihrer Forschung.
"Als Historiker bin ich immer daran interessiert gewesen, auf allen Epochen, in denen ich gearbeitet habe und Gastmahl, der Konsum von Speisen, von Wein ist ein Luxuskonsum und ich glaube, dass das ein wesentlicher Aspekt ist, wie eine Gesellschaft sich artikuliert, wie sich selber versteht, wie sie sich den Konsum ausrichtet und in ihrer Literatur, in ihren Briefen, Romanen, in Gedichten, in satirischen Stücken über den Konsum schreibt."
Eine der größten Stärken des Buches sind die unzähligen und vielfach weitgehend unbekannten Quellen, aus denen die Autorin schöpft. Als ob sie selbst mit an der Tafel gesessen und mitgespeist hätte, beschreibt sie die mitunter zügellosen Tischsitten und die kostbare Ausstattung der Speiseräume, typisiert Gäste aufs Köstlichste und deren wichtige oder geringe Stellung in der Gesellschaft, stellt gar ganze Menüpläne zusammen. Gerade hier kredenzt die Historikerin wenn auch nicht immer Appetitliches, so doch äußerst Komisches.
"Was ich am Befremdlichsten finde, sind die großen Mengen an Gewürzen, Pfeffer beispielsweise, ungeheuerlich. Das zweite ist, das es als ausgesprochen schick galt, ganz viele verschiedene Sachen miteinander zu kombinieren. Der Philosoph Seneca, der im ersten Jahrhundert nach Christus zur Zeit Kaiser Neros lebte, hat einmal gesagt, dass die Römer darauf spezialisiert sind, durch Mischungen und Gewürze Speisen so zu verändern, dass niemand mehr weiß, was er eigentlich isst."
Mit geradezu seziererischem Historikerblick macht Elke Stein-Hölkeskamp deutlich, dass gerade in der Welt des römischen Adels das Essen Haupt- und gleichzeitig Nebensache war. Dass der Speiseraum gar zum Kampf- und Kriegsschauplatz avancieren konnte, um sich über den Umweg der Kulinaria anzubiedern oder Gäste anzuleiten, unbewusst gegen Tischsitten zu verstoßen. Und sie damit politisch wie auch gesellschaftlich "in die Pfanne zu hauen". Wobei der Leser ob der vielen lateinischen Namen und Fremdworte mitunter leicht den Überblick verlieren kann.
"Etwa wie man sich bei solchen Geselligkeiten mit gesellschaftlich Unterlegenen unterhält, die dort hinkommen, was für Formen der Kommunikation man bei diesen Geselligkeiten hat, wie Jovialiät oder auch Überlegenheit demonstriert wird, etwa dadurch, was in unseren Augen sicherlich eine sehr merkwürdige Sitte ist, dass man Leuten an der Spitze der sozialen Pyramide bessere Sachen, teurere Sachen serviert, als denen, die am unteren Ende dieser Pyramide sind, die man sicherlich heute als eine schreiende Ungerechtigkeit, ja als Bloßstellung empfinden würde, was aber in dieser Gesellschaft schlicht und einfach dazugehört."
Pikantes ja bisweilen Unappetitliches weiß die Autorin auch von den diversen Ausschweifungen zu berichten, die während oder nach diversen Gastmahlen ihren Lauf nahmen. Nicht selten wurde dies in den zahlreichen Quellen poetisch verbrämt dargestellt, damit der Leser gar selbst Gefallen an den zweifelhaften Belustigungen haben sollte.
"Da war beispielsweise Gabinius, einer der Consuln des Jahres 58, dass er sich bei seinen Gastmählern auf unerhörte Weise zur Schau gestellt habe. Der Consul selbst habe vor seinen Gästen Nackttänze aufgeführt. Und dann war da Gallius, der Prätor des Jahres 65.
Gallius soll auch mit Sergius Catilina sympathisiert haben, laut Cicero ein dekadenter Altaristokrat und Wüstling, dessen Anhänger sich beim Mahl noch ganz anderen Ausschweifungen hingaben. Diese jungen Leute, schmucke Burschen, hübsch und verwöhnt, hätten nämlich gelernt zu lieben und sich lieben zu lassen."
Mit viel Engagement hat die Historikerin in fünf Jahren Quellen studiert und das römische Gastmahl zu Papier gebracht. Darin liegt der Schatz des Buches . Wer sich mit dem akademischen Sprachstil, der das Werk beherrscht, nicht anfreunden kann, dem dürfte das römische Gastmahl schwer im Magen liegen. Schade auch, dass so wenige und wenn, dann nur Schwarzweiß-Abbildungen, den Band zieren. Gerade hier hätte sich der Leser zur Entspannung farbige Abbildungen solcher Mahlzeiten, von Speisesälen und Speisen gewünscht. Nur auf dem Umschlag findet sich eine solche.
Kurzum: es ist keine leichte Kost, die die Autorin Elke Stein-Hölkeskamp dem Leser da serviert. Die Kulturgeschichte römischer Tafelfreuden, die Welt des römischen Adels könnte auch bekömmlicher daherkommen. Wer allerdings ein Buch sucht, um genauestens in die Geheimnisse römischer Speise - und sonstiger Freuden und geheimer Gesetzmäßigkeiten bei Tisch eingeweiht zu werden, sollte die Einladung zum römischen Gastmahl nicht ausschlagen. Denn nicht zuletzt ist das Buch auch eine wahre Fundgrube alt überlieferter und niveauvoller Tafelkunst, die es gerade in unserer neuzeitlichen Fast-Food-Kultur wert sein sollte, ihrer zu gedenken.
Elke Stein-Hölkeskamp: "Das Römische Gastmahl - eine Kulturgeschichte"
C.H.Beck, 2005
364 Seiten, 29.90 €
"Als Historiker bin ich immer daran interessiert gewesen, auf allen Epochen, in denen ich gearbeitet habe und Gastmahl, der Konsum von Speisen, von Wein ist ein Luxuskonsum und ich glaube, dass das ein wesentlicher Aspekt ist, wie eine Gesellschaft sich artikuliert, wie sich selber versteht, wie sie sich den Konsum ausrichtet und in ihrer Literatur, in ihren Briefen, Romanen, in Gedichten, in satirischen Stücken über den Konsum schreibt."
Eine der größten Stärken des Buches sind die unzähligen und vielfach weitgehend unbekannten Quellen, aus denen die Autorin schöpft. Als ob sie selbst mit an der Tafel gesessen und mitgespeist hätte, beschreibt sie die mitunter zügellosen Tischsitten und die kostbare Ausstattung der Speiseräume, typisiert Gäste aufs Köstlichste und deren wichtige oder geringe Stellung in der Gesellschaft, stellt gar ganze Menüpläne zusammen. Gerade hier kredenzt die Historikerin wenn auch nicht immer Appetitliches, so doch äußerst Komisches.
"Was ich am Befremdlichsten finde, sind die großen Mengen an Gewürzen, Pfeffer beispielsweise, ungeheuerlich. Das zweite ist, das es als ausgesprochen schick galt, ganz viele verschiedene Sachen miteinander zu kombinieren. Der Philosoph Seneca, der im ersten Jahrhundert nach Christus zur Zeit Kaiser Neros lebte, hat einmal gesagt, dass die Römer darauf spezialisiert sind, durch Mischungen und Gewürze Speisen so zu verändern, dass niemand mehr weiß, was er eigentlich isst."
Mit geradezu seziererischem Historikerblick macht Elke Stein-Hölkeskamp deutlich, dass gerade in der Welt des römischen Adels das Essen Haupt- und gleichzeitig Nebensache war. Dass der Speiseraum gar zum Kampf- und Kriegsschauplatz avancieren konnte, um sich über den Umweg der Kulinaria anzubiedern oder Gäste anzuleiten, unbewusst gegen Tischsitten zu verstoßen. Und sie damit politisch wie auch gesellschaftlich "in die Pfanne zu hauen". Wobei der Leser ob der vielen lateinischen Namen und Fremdworte mitunter leicht den Überblick verlieren kann.
"Etwa wie man sich bei solchen Geselligkeiten mit gesellschaftlich Unterlegenen unterhält, die dort hinkommen, was für Formen der Kommunikation man bei diesen Geselligkeiten hat, wie Jovialiät oder auch Überlegenheit demonstriert wird, etwa dadurch, was in unseren Augen sicherlich eine sehr merkwürdige Sitte ist, dass man Leuten an der Spitze der sozialen Pyramide bessere Sachen, teurere Sachen serviert, als denen, die am unteren Ende dieser Pyramide sind, die man sicherlich heute als eine schreiende Ungerechtigkeit, ja als Bloßstellung empfinden würde, was aber in dieser Gesellschaft schlicht und einfach dazugehört."
Pikantes ja bisweilen Unappetitliches weiß die Autorin auch von den diversen Ausschweifungen zu berichten, die während oder nach diversen Gastmahlen ihren Lauf nahmen. Nicht selten wurde dies in den zahlreichen Quellen poetisch verbrämt dargestellt, damit der Leser gar selbst Gefallen an den zweifelhaften Belustigungen haben sollte.
"Da war beispielsweise Gabinius, einer der Consuln des Jahres 58, dass er sich bei seinen Gastmählern auf unerhörte Weise zur Schau gestellt habe. Der Consul selbst habe vor seinen Gästen Nackttänze aufgeführt. Und dann war da Gallius, der Prätor des Jahres 65.
Gallius soll auch mit Sergius Catilina sympathisiert haben, laut Cicero ein dekadenter Altaristokrat und Wüstling, dessen Anhänger sich beim Mahl noch ganz anderen Ausschweifungen hingaben. Diese jungen Leute, schmucke Burschen, hübsch und verwöhnt, hätten nämlich gelernt zu lieben und sich lieben zu lassen."
Mit viel Engagement hat die Historikerin in fünf Jahren Quellen studiert und das römische Gastmahl zu Papier gebracht. Darin liegt der Schatz des Buches . Wer sich mit dem akademischen Sprachstil, der das Werk beherrscht, nicht anfreunden kann, dem dürfte das römische Gastmahl schwer im Magen liegen. Schade auch, dass so wenige und wenn, dann nur Schwarzweiß-Abbildungen, den Band zieren. Gerade hier hätte sich der Leser zur Entspannung farbige Abbildungen solcher Mahlzeiten, von Speisesälen und Speisen gewünscht. Nur auf dem Umschlag findet sich eine solche.
Kurzum: es ist keine leichte Kost, die die Autorin Elke Stein-Hölkeskamp dem Leser da serviert. Die Kulturgeschichte römischer Tafelfreuden, die Welt des römischen Adels könnte auch bekömmlicher daherkommen. Wer allerdings ein Buch sucht, um genauestens in die Geheimnisse römischer Speise - und sonstiger Freuden und geheimer Gesetzmäßigkeiten bei Tisch eingeweiht zu werden, sollte die Einladung zum römischen Gastmahl nicht ausschlagen. Denn nicht zuletzt ist das Buch auch eine wahre Fundgrube alt überlieferter und niveauvoller Tafelkunst, die es gerade in unserer neuzeitlichen Fast-Food-Kultur wert sein sollte, ihrer zu gedenken.
Elke Stein-Hölkeskamp: "Das Römische Gastmahl - eine Kulturgeschichte"
C.H.Beck, 2005
364 Seiten, 29.90 €