Keine Kunst in der Wüste

Von Werner Bloch · 07.12.2011
Eine große Kulturlandschaft mit Museen, Theatern, Stätten für bildende Kunst und Musik wollte Abu Dhabi am Persischen Golf bauen, doch das Projekt ist zum Stillstand gekommen. Westliche Kunst ist im Emirat nicht mehr gefragt.
Nein, es wird sie wohl nicht geben, die Insel des Glücks - das nämlich bedeutet der Name Saadiyat Island, eine kleine Insel im Persischen Golf, die der Stadt Abu Dhabi vorgelagert ist. Hier soll einmal der größte Museumskomplex der Welt entstehen - überdimensionierte Ausstellungstempel zwischen Luxushotels und Privatvillen.

Doch was ist heute zu sehen, an den Bauplätzen der Museen? Wer hierher kommt, sieht: nichts. Kein Bagger, kein Kran, keine Arbeiter. Nur Sand und Schotterstraßen.
"Momentan sieht man sehr viel Sand. Im Fall von Guggenheim Abu Dhabi, aber auch Louvre und Scheik Zayed Museum, sieht man gar nichts. Es wird momentan nicht gebaut."

Verena Formanek ist seit zwei Jahren am Golf - als Chefprojektleiterin des Guggenheim Abu Dhabi. Sie ist nach wie vor von dem Mammutprojekt begeistert. Wo, fragt sie, gibt ein Staat schon einmal so viel Geld für Kultur aus?

Doch vielen ihrer ehemaligen Kollegen sitzen auf der Straße. Rund 400 europäischen und amerikanischen Mitarbeitern der staatlichen Entwicklungsgesellschaft TDIC wurde gekündigt - praktisch die gesamte obere Planungsebene.

Das Projekt ist, materiell und personell, zum Stillstand gekommen. Bauverträge wurden annulliert, Lieferungen von Baumaterialien wie Zement wurden storniert. Wie es weiter gehen soll, weiß keiner.

Kunst in der Wüste? Nicht einmal die technischen Voraussetzungen sind dafür geklärt.

Jetzt, in der Krise, steht plötzlich alles auf dem Prüfstand. Wie soll die künftige Sammlung aussehen? Wer kauft dafür ein? Wer wird Direktor, Intendant, Kurator in dem neuen Haus - wenn es denn kommt? Strukturen gibt es bis heute keine.

Und es rächt sich, dass Abu Dhabi bisher vor allem mit großen Namen punkten wollte, mit Frank Gehry und Jean Nouvel, mit Guggenheim und Louvre - es aber inhaltlich an klaren Strukturen fehlen ließ. Die Londoner Kuratorin und Galeristin Rose Issa, eine der besten Kennerinnen nahöstlicher Kunst:

"Es ist toll, an große Namen zu denken, aber vorher müsste erst einmal eine Sammlung aufgebaut werden - und dann das Gebäude den Zielen angepasst, nicht umgekehrt. Wer aber baut die Sammlung auf? Wer sind die Kuratoren, Chefkuratoren, Direktoren? Wer ist überhaupt für irgendetwas in diesen Museen verantwortlich?"

Selbst die Ideologie ist ins Wanken geraten. Früher hieß es, die Museen seien ein ideales Zusammenspiel von Ost und West, ein Beitrag zum "interkulturellen Dialog", fast eine Art friedensstiftende Maßnahme.

Doch der Wind hat gedreht. Westliche Kunst ist am Golf kein begehrter Luxusartikel mehr; im Gegenteil: Sie ist mancherorts sogar zum Feindbild geworden. Brauchen wir tatsächlich diese großen Museen und so viel westliche Kunst, fragen viele in Abu Dhabi, ist das nicht ein Akt der kulturellen Unterwerfung? Und warum zeigen wir nicht viel mehr aus unserer eigenen arabischen Tradition? In dem Emirat macht sich eine antiwestliche Stimmung breit.

Was also passiert wirklich am Golf - auch angesichts wachsender Finanzprobleme? Will man die Museen nicht mehr haben? Oder warum sind die Budgets dramatisch reduziert worden? Eben erst ist das Budget von TDIC, der Investitionsgesellschaft, um 26 Prozent gekürzt worden.

Sicher scheint nur eines: Von den vier geplanten Museen wird am ehesten das Louvre Abu Dhabi gebaut. Denn anders als das Guggenheim ist es durch einen Staatsvertrag zwischen Frankreich und Abu Dhabi vereinbart worden. Einen diplomatischen Eklat mit Frankreich durch Nichterfüllung dürfte sich das Emirat nicht leisten.