Keine gelungene Überraschung

Der Sitz der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen in Den Haag in den Niederlanden
Der Sitz der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen in Den Haag in den Niederlanden © picture alliance / dpa / Evert-Jan Daniels
Von Klaus Remme, Hauptstadtstudio · 11.10.2013
Zurück zu den Wurzeln! Nach Jahren, in denen das Nobelpreis-Komitee Engagement für humanitäre, soziale und politische Ziele ausgezeichnet hat, werden die internationalen Chemiewaffen-Zerstörer im Sinne von Alfred Nobel dieses Jahr für Abrüstung, ja im wörtlichen Sinne für Entwaffnung geehrt.
Die Entscheidung ist dennoch fragwürdig. Das Komitee ist der Ersuchung erlegen, mit seiner Wahl scheinbar vieles gleichzeitig bewirken zu können. Es hat, erstens, medial für eine Überraschung gesorgt, kaum jemand hatte die OPCW auf dem Schirm. Es konnte, zweitens, die tatsächlich erbrachte Leistung vergangener Jahre belohnen. Man war, drittens, in der Lage mit Blick auf die Zukunft Motivation für die beispiellose Aufgabe der Zerstörung des syrischen Chemiewaffenarsenals zu bewirken, konnte, viertens, das Rampenlicht auf einen hochaktuellen kriegerischen Konflikt lenken und, fünftens, nebenbei die Chemiewaffenbestände Russlands und der USA kritisieren.

OPCW für Impulse nicht zuständig
Gleichzeitig durfte das Komitee davon ausgehen, dass Entrüstung und Empörung als Reaktionsreflex in diesem Jahre ausfallen würden. Anders als im Fall von Barack Obama 2009 oder der Europäischen Union im vergangenen Jahr, verbietet sich inhaltliche Kritik am diesjährigen Preisträger. Chemiewaffen gehören unschädlich gemacht, wer wollte das bestreiten? Nein, nicht der Preisträger, das Preiskomitee gehört kritisiert. Es ist kein Zufall, dass der Name OPCW nicht so recht von der Zunge gehen will. Die Organisation ist weitgehend unbekannt, da sie doch in erster Linie als ausführendes Organ arbeitet. Für eigene Impulse ist die OPCW nicht zuständig, sie ist Auftragnehmerin.

Doch wozu dann der Preis? Der Friedensnobelpreis kann außergewöhnlichen und vorbildlichen Impulsen dauerhaftes moralisches Gewicht verleihen. Jody Williams und ihre Kampagne gegen Landminen, Preisträger im Jahr 1997, sind dafür ein gutes Beispiel. Mit der heutigen Entscheidung ehrt das Komitee in Oslo eine Organisation, die zwar nicht de jure, aber doch de facto verlängerter Arm der Vereinten Nationen ist. Sie rückt die moralisch so achtbare Auszeichnung in den Dunstkreis des aktuellen Gemetzels in Syrien, in die Nähe eines Krieges, bei dem sich gerade die Vereinten Nationen, insbesondere der Sicherheitsrat als Totalausfall erweisen, als das Gegenteil von preiswürdig. Noch ist der Tabubruch vom 21. August ungesühnt. Nein, 2013 ist kein gutes Jahr, Verdienste im Kampf gegen Chemiewaffen auszuzeichnen.

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