Keine Frage der Freiheit

Von Günter Hellmich, Landeskorrespondent Berlin, Deutschlandradio |
Haben sich die Berliner nun gegen die Freiheit entschieden? Hat der Atheismus in der Hauptstadt endgültig gesiegt? Ist der antireligiösen Indoktrination der Ostberliner auch nach 20 Jahren einfach nicht beizukommen? Wenn man das Ergebnis der gestrigen Volksabstimmung aus dem Blickwinkel jener Parolen sähe, mit denen für "Pro Reli" geworben wurde, müsste einem wohl tatsächlich Angst und Bange werden.
Muss einem aber nicht - denn das Szenario auf den Großplakaten und in den bischöflichen Hirtenworten war, freundlich ausgedrückt, überspitzt. Die Gefährdung der Religionsfreiheit heraufzubeschwören, weil für die 7. bis 10. Klassen vor drei Jahren neben dem freiwilligen Religionsunterricht ein Pflichtfach Ethik eingeführt wurde, war der Versuch der Volksverdummung. Und der ist gescheitert. Weil der freiwillige weitgehend vom Senat bezahlte Religionsunterricht funktioniert und die Trennung von Religionszeugnis und normalem Zeugnis in Berlin gute Tradition ist.

Das Argument, in den meisten Bundesländern sei das anders, verfängt angesichts des Kulturföderalismus sowieso nicht. Die tatsächliche Problemlage bei der Wertevermittlung im Schulunterricht wurde von der Propagandaschlacht um Pro Reli nicht erfasst.

Vielmehr ging es wie im Vorjahr beim Volksentscheid in Sachen Flughafen Tempelhof darum, dass die selben politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die im parlamentarischen Rahmen unterlegen waren, versuchten ihr Thema danach auf dem Umweg über einen Volksentscheid durchzusetzen. Mit demselben Kampagnenchef übrigens, der zuvor als Geschäftsführer und Pressesprecher der Berliner CDU fungierte.

Die Berliner haben auch diesen zweiten Versuch mit einer medialen Materialschlacht Entscheidungen der repräsentativen über den Weg der direkten Demokratie zu kippen, ad absurdum geführt. Die doppelte Niederlage - mehr Nein- als Ja-Stimmen und eine deutliche Schlappe bei der Wahlbeteiligung und damit beim erforderlichen Quorum - zeigt, dass die Berliner mit den Entscheidungen ihrer Parlamentarier eigentlich ganz zufrieden sind. Nach demokratischen Gepflogenheiten sollten die Unterlegenen dieses Volksentscheides das Ergebnis akzeptieren. Sonst bleibt der bekannte Tipp: ein neues Volk suchen!