Kein Nützling par excellence: Der Regenwurm
Der Herbst ist da, die Bäume werfen ihr Laub ab, die Äcker sind abgeerntet und die letzten Stoppeln werden untergepflügt. Nun beginnt die Hochsaison für die Regenwürmer. Ihnen obliegt es, das organische Material wegzuräumen und wieder reinen Tisch zu machen. Dabei lockern sie auch noch den Boden, sie düngen ihn und sorgen für die nötige Drainage zu. Der Regenwurm – ein Nützling par excellence. Solange sein Tisch reich gedeckt ist, ist es unserer auch. Oder etwa nicht?
Ja, im Wurm ist tatsächlich der Wurm drin. Aber nicht, weil er durch Pestizide oder Kunstdünger vom Aussterben bedroht wäre, im Gegenteil, der große Wohltäter der Landwirte und Gärtner ist – und damit hatte wirklich niemand gerechnet – ja der gute Wurm ist seinerseits für das Verschwinden von Pflanzen und Tieren verantwortlich. Der Grund dafür ist gänzlich aberrant: Es ist die simple Tatsache, dass sich der gewöhnliche Regenwurm bei Anglern besonderer Beliebtheit erfreut. Mit zappelnden Würmern kriegt man die fettesten Fische auf den Tisch. Und genau das gefährdet nun Ökosysteme.
Aber der Reihe nach: Die Würmer ziehen bekanntlich das Laub als Futter in ihre Erdgänge und sorgen dadurch für das schnelle Verrotten organischen Materials. Auf diese Weise fördern sie erheblich die Bodenfruchtbarkeit. Deshalb gelten Regenwürmer auch als Bioindikatoren für die Qualität des Mutterbodens. So weit, so gut. Aber das Gesagte stimmt leider nicht überall. In Nordamerika ist es genau umgekehrt. Denn dort sind die Regenwürmer während der letzten Eiszeit allesamt erfroren. Und deshalb funktioniert dort das Bodenleben ohne Würmer viel besser.
Die Wälder in den USA und Canada brauchen zur Regeneration eine dicke Laubschicht. Ohne das Laubpolster erfrieren die Pflänzchen durch Bodenfröste. Und der Wald kann sich nicht mehr erneuern. Dort, wo die europäischen Würmer die Landschaft untergraben, verschwinden zunächst viele Blütenpflanzen vom Waldboden. In der Laubschicht lebt natürlich auch allerlei Kleinvieh, neben Käfer und Spinnen auch Salamander und Mäuschen, die nun ebenfalls ihren Lebensraum verlieren.
In den USA ist der Regenwurm unter Naturschützern ein gefürchteter Alien. Und was bitte hat das mit den vorhin erwähnten Anglern zu tun? Nun, die Siedler wollten den Fischreichtum des Landes nutzen und entschlossen sich – mangels einheimischer Würmer – ihre geliebten Köder aus Europa zu importieren. Noch heute stehen die Angler im Ruf Faunenverfälscher zu sein, weil sie nach getaner Freizeit die restlichen Würmer achtlos wegwerfen. Man weiß es daher, weil die Verarmung der Landschaft in aller Regel von See- und Flussufern ausgeht.
Wie wird man der Würmer Herr? Bisher gar nicht. Die Amerikaner haben in ihrer Not sogar versucht, die Viecher mit elektrischem Strom aus dem Erdreich zu jagen. Zwar verließen die Würmer fluchtartig ihre Behausungen - aber die Eier überlebten den Anschlag unbeschadet und machten so den schönen Plan zunichte. Aber vielleicht entdecken die Amerikaner ja noch die kulinarischen Qualitäten der Schädlinge, so wie vor ihnen zahlreiche Völkerschaften wie die Aborigines, die Maori oder die Azteken. Die haben die Würmer getrocknet und das eiweißreiche Pulver anderen Speisen zugesetzt. Eine Handvoll ist so nahrhaft wie ein kleines Steak.
Immerhin gibt es von US-Autoren allerlei Kochbücher, in denen Regenwürmer in jeder nur denkbaren Form zubereitet werden: In Teigtaschen, als Omelette, auf einer Quiche Lorraine. Wie wär’s mit Regenwurm-Rosinen-Muffins oder hätten Sie‘s lieber in Butter gebraten und mit Zwiebeln und saurer Sahne abgeschmeckt? In deutschen Chatrooms - und nur dort - habe ich den Tipp entdeckt, dass Regenwürmer fettarm sind und deshalb der schlanken Linie... Sie wissen schon. Ich frage mich nun, ob der Regenwurm eher als rotes Fleisch gilt oder doch als weißes, weil fettarm?
Egal wie, eins sollten alle Lausbuben beachten, die im Rahmen von Mutproben Regenwürmer schlucken wollen: Zappelnde Würmer können zahlreiche Parasiten und Krankheiten übertragen. Deshalb sollte auch diese Art von Fastfood vor dem Genuss gründlich erhitzt werden. Wohl bekomm’s!
Literatur:
1) Marshall J: War of the worms. New Scientist 2007, 3. März, S.42-43
2) Tiunov AV et al: Invasion patterns of Lumbricidae into the perviously earthworm-free areas of northwestern Europe and the western Great Lakes region of North America. Biological Invasions 2006; 8: 1223-1234
3) Hale CM et al: Exotic European earthworm invasion dynamics in northern hardwood forests of Minnesota, USA. Ecological Applications 2005; 15: 848-860
4) Wironen M et al: Exotic earthworm invasion increases soil carbon and nitrogen in an old-growth forest in southern Quebec. Canadian Journal of Forest Research 2006; 36: 845-854
5) Taylor RL et al: Enteraining with Insects. Ten Speed Press, Berkeley 1976
6) Nyerges C: Urban Wilderness: A Guidebook to Resourceful City Living. Peace Press, Culver City 1979
7) Nancarrow L et al: The Worm Book. Ten Speed Press, Berkeley 1998
8) Hopkins J: Extreme Cuisine. Periplus Editions, Singapore 2004
9) Cianferoni A et al: Visceral Larva Migrans Associated With Earthworm Ingestion: Clinical Evolution in an Adolescent Patient. Pediatrics 2006; 117: 336-339
Aber der Reihe nach: Die Würmer ziehen bekanntlich das Laub als Futter in ihre Erdgänge und sorgen dadurch für das schnelle Verrotten organischen Materials. Auf diese Weise fördern sie erheblich die Bodenfruchtbarkeit. Deshalb gelten Regenwürmer auch als Bioindikatoren für die Qualität des Mutterbodens. So weit, so gut. Aber das Gesagte stimmt leider nicht überall. In Nordamerika ist es genau umgekehrt. Denn dort sind die Regenwürmer während der letzten Eiszeit allesamt erfroren. Und deshalb funktioniert dort das Bodenleben ohne Würmer viel besser.
Die Wälder in den USA und Canada brauchen zur Regeneration eine dicke Laubschicht. Ohne das Laubpolster erfrieren die Pflänzchen durch Bodenfröste. Und der Wald kann sich nicht mehr erneuern. Dort, wo die europäischen Würmer die Landschaft untergraben, verschwinden zunächst viele Blütenpflanzen vom Waldboden. In der Laubschicht lebt natürlich auch allerlei Kleinvieh, neben Käfer und Spinnen auch Salamander und Mäuschen, die nun ebenfalls ihren Lebensraum verlieren.
In den USA ist der Regenwurm unter Naturschützern ein gefürchteter Alien. Und was bitte hat das mit den vorhin erwähnten Anglern zu tun? Nun, die Siedler wollten den Fischreichtum des Landes nutzen und entschlossen sich – mangels einheimischer Würmer – ihre geliebten Köder aus Europa zu importieren. Noch heute stehen die Angler im Ruf Faunenverfälscher zu sein, weil sie nach getaner Freizeit die restlichen Würmer achtlos wegwerfen. Man weiß es daher, weil die Verarmung der Landschaft in aller Regel von See- und Flussufern ausgeht.
Wie wird man der Würmer Herr? Bisher gar nicht. Die Amerikaner haben in ihrer Not sogar versucht, die Viecher mit elektrischem Strom aus dem Erdreich zu jagen. Zwar verließen die Würmer fluchtartig ihre Behausungen - aber die Eier überlebten den Anschlag unbeschadet und machten so den schönen Plan zunichte. Aber vielleicht entdecken die Amerikaner ja noch die kulinarischen Qualitäten der Schädlinge, so wie vor ihnen zahlreiche Völkerschaften wie die Aborigines, die Maori oder die Azteken. Die haben die Würmer getrocknet und das eiweißreiche Pulver anderen Speisen zugesetzt. Eine Handvoll ist so nahrhaft wie ein kleines Steak.
Immerhin gibt es von US-Autoren allerlei Kochbücher, in denen Regenwürmer in jeder nur denkbaren Form zubereitet werden: In Teigtaschen, als Omelette, auf einer Quiche Lorraine. Wie wär’s mit Regenwurm-Rosinen-Muffins oder hätten Sie‘s lieber in Butter gebraten und mit Zwiebeln und saurer Sahne abgeschmeckt? In deutschen Chatrooms - und nur dort - habe ich den Tipp entdeckt, dass Regenwürmer fettarm sind und deshalb der schlanken Linie... Sie wissen schon. Ich frage mich nun, ob der Regenwurm eher als rotes Fleisch gilt oder doch als weißes, weil fettarm?
Egal wie, eins sollten alle Lausbuben beachten, die im Rahmen von Mutproben Regenwürmer schlucken wollen: Zappelnde Würmer können zahlreiche Parasiten und Krankheiten übertragen. Deshalb sollte auch diese Art von Fastfood vor dem Genuss gründlich erhitzt werden. Wohl bekomm’s!
Literatur:
1) Marshall J: War of the worms. New Scientist 2007, 3. März, S.42-43
2) Tiunov AV et al: Invasion patterns of Lumbricidae into the perviously earthworm-free areas of northwestern Europe and the western Great Lakes region of North America. Biological Invasions 2006; 8: 1223-1234
3) Hale CM et al: Exotic European earthworm invasion dynamics in northern hardwood forests of Minnesota, USA. Ecological Applications 2005; 15: 848-860
4) Wironen M et al: Exotic earthworm invasion increases soil carbon and nitrogen in an old-growth forest in southern Quebec. Canadian Journal of Forest Research 2006; 36: 845-854
5) Taylor RL et al: Enteraining with Insects. Ten Speed Press, Berkeley 1976
6) Nyerges C: Urban Wilderness: A Guidebook to Resourceful City Living. Peace Press, Culver City 1979
7) Nancarrow L et al: The Worm Book. Ten Speed Press, Berkeley 1998
8) Hopkins J: Extreme Cuisine. Periplus Editions, Singapore 2004
9) Cianferoni A et al: Visceral Larva Migrans Associated With Earthworm Ingestion: Clinical Evolution in an Adolescent Patient. Pediatrics 2006; 117: 336-339