Kein Kulturminister mehr in NRW

Von Michael Köhler |
In NRW wird es mit der CDU-Landesregierung kein Kulturministerium mehr geben. Der ehemalige Düsseldorfer Kulturdezernent Heinrich Grosse-Brockhoff wird Chef der Staatskanzlei und gleichzeitig Staatssekretär für Kultur. An Großprojekten wie den Ruhrfestspielen oder der Ruhrtriennale soll festgehalten werden.
Der Mann hat es nicht weit. Ein paar hundert Meter den Rhein hinunter sind es vom Kulturdezernat der Landeshauptstadt bis in die Staatskanzlei, deren Chef er nun wird. Über zwölf Jahre lang hat der nun 55-Jährige die Kultur in der Rheinmetropole nach vorn gebracht. Düsseldorf hat einen ausgeglichenen Haushalt und hat sich als die Kunststadt am Rhein positioniert.
Herausragenden Anteil daran hatte Hans Heinrich Grosse-Brockhoff als es darum ging, den Not leidenden Ehrenhof, ein großes Ensemble historischer Gebäude zum dritten Kunstplatz neben der Kunstakademie und der Kunstsammlung K20 und K21 zu machen. Er fädelte die public private partnership zwischen e.on und kunstpalast ein.

" Es war ein Irrtum 1949, diese Arbeitsteilung, die Wirtschaft kümmert sich um den Wiederaufbau, die Kommunen um die Infrastruktur einschließlich der Kultur – so heißt es wörtlich in einem Beschluss des damaligen Städtetages – das geht nicht mehr, das haben wir spätestens Anfang der 90er gemerkt, als wir nicht verkraftet haben die Kosten der Wiedervereinigung und die gestiegenen Kosten unter anderem im Kulturbereich."

Überhaupt ist er ein Machertyp, der sich nicht schreckte, gefährliche Eisen anzufassen. Nun muss er auch dafür sorgen, dass es auch in Detmold weiter Stadtbibliotheken und Jugendmusikschulen gibt. Das ist was anderes. An den Großprojekten wie Kurzfilmtage und Ruhrfestspiele sowie Triennale und einer neuen Quadriennale der Kunst in Düsseldorf ab 2006 wird festgehalten.
Anders als der beliebte grüne Realo Michael Vesper, der kulturelle Nischenpolitik betrieb und einem Monsterministerium mit Städtebau, Wohnen, Sport und Kultur vorstand, ist Grosse-Brockhoff scheinbar nur Staastsekretär. Ein Kulturministerium gibt es nicht mehr. Aber bekanntlich machen in der Politik die Staatssekretäre die Arbeit. Und Chef der Staatskanzlei ist nicht irgendwas. Das war auch mal ein Wolfgang Clement. Das ist die strategische Schalt- und Entscheidungsstelle für Landespolitik. Also genau betrachtet, könnte es mehr für die Kultur bringen als die alte Lösung, und ist mit dem Kieler Modell nicht zu vergleichen.

Mit Grosse-Brockhoff wird ein intellektueller Konservativer Kulturchef. Habermas und Luhmann sind für ihn keine Fremdworte. Im Gegenteil. Für die "FAZ" schrieb er im Feuilleton vor zehn Jahren einen Beitrag, in dem er darauf aufmerksam machte, dass mit dem Wandel von der Industrie- zur Kommunikationsgesellschaft nicht die Utopie an ein Ende gekommen sei, sondern die utopischen Akzente sich vom Begriff der Arbeit auf den der Kommunikation verlagert haben.

" Zur Kultur gehört dazu, dass sich sowohl der Staat als auch die Kommunen als auch Bürger und Firmen engagieren und das ein gute Mischung ist."

Wenn man es nicht wüsste, würde man sagen, das könnte auch von anderen Parteien so gesagt worden sein. Grosse-Brockhoff ist kein traditionsloser Liberaler, der alles nach der Effektivität bemisst. Er ist ein Pragmatiker, der die Zügel gern eng hält. Man muss suchen, um ihm in den vielen jahren eine Fehlentscheidung ans Bein zu flicken. Aufgabe von Kulturpolitik sei es heute, schrieb er vor zehn Jahren, "die Vielheit der Informationen in ein Verhältnis zu Knappheit der Kulturhaushalte zu bringen".

In ersten Reaktionen haben sich traditionell linke Größen wie Triennale-Chef Flimm oder der Bühnenverein zufrieden gezeigt. Das muss sich jetzt bewähren. An das Versprechen, den Kulturhaushalt zu verdoppeln, werden ihn die Wähler erinnern.

" Es geht nicht mehr nur um Geldwerte, sondern es geht zum Beispiel um eine Ökonomie der Aufmerksamkeit. Und so gibt es eben Zeitmärkte, es gibt Wissensmärkte, die alle neben dem Geldmarkt, dem Geldwert eine Rolle spielen. Kunst und Wirtschaft gucken viel voneinander ab. "

Sie können ein Interview mit Heinrich Grosse-Brockhoff in der rechten Spalte als Audio hören.