Kein Konzeptkünstler und kein Hofkoch
Auf der documenta gibt es lauter Dinge, die man nicht sehen kann: die graugrüne Wiese, mit gestreiftem Plastik abgezäunt, soll im Herbst rot und voller Klatschmohn sein. Irgendwo grünt blässlich etwas, das dereinst als Reis reifen soll, und das Restaurant <em>El Bulli</em> bei Roses ist gut 1200 Kilometer weit entfernt und doch für einhundert Tage zum virtuellen <em>Pavillion G</em> geworden, wie Ferran Adrià schmunzelnd sagt. Von Kassel aus kann man das Restaurant nicht sehen.
An der Costa Brava hat Ferran Adrià mit seinem Frankenstein’schen Instrumentarium bisher gekocht. Im Sommer wurde aufgetischt, was die Equipe im Winter in seinem Kochlabor in Barcelona an Unmöglichem erfunden hat. Zur Zeit steht ein Verfahren hoch in seiner Gunst: Ferran Adrià liofilisiert sehr gern zur Zeit, die Vakuumtrockung von Erdbeeren und Blauschimmelkäse, Avocados und Orangenscheiben ist seine neueste Entdeckung in der Designerküche an der Cala Montjoi, in der es keine Hängeschränke, dafür aber um so mehr Durchblicke auf die Bucht, Felsen und andere Räume gibt.
Auch in den kommenden einhundert Tagen wird Adrià das tun, was er in seinem Drei-Sterne-Restaurant an der Cala Montjo seit Jahren tut, nämlich die jüngsten Ergebnisse seiner Suche nach neuen Zubereitungsarten zu servieren. Fünfzig Plätze hat sein Haus. 800.000 Anfragen pro Saison stehen 8000 Plätzen entgegen.
Die Erdbeerscheiben, die aussehen wie vergessene Fruchtstücke aus der Kajüte des Fliegenden Holländers werden da kredenzt und Desserts aus schwarzem Sesam mit silbernem Passionsfrucht-Sorbet, einer tektonische Struktur von der Anmutung der Sandkuchen von Großmama, aber unglaublich saftig, fruchtig und lecker.
Hier also kochen Ferran Adrià und sein Team. Hier dienen vierzig Köche fünfzig Gästen, in Wirklichkeit aber suchen hier die kreativsten Köpfe Spaniens mit verspielter Akribie nach neuen Wegen in der Kochkunst. Neben seinen diversen Beratertätigkeiten, Fernseh-Auftritten und der Betreuung seiner Hotels, in denen Normalsterbliche seine Kreationen der vergangenen Jahre essen können, ohne sich auf Monate hinaus für das El Bulli zu bewerben, daneben wird der 43-Jährige also in den kommenden hundert Tagen im El Bulli kochen, wie er es an drei Tagen in der Woche immer tut.
Und in den kommenden einhundert Tagen wird in seinem Restaurant ein Tisch für Kunstsinnige reserviert für ein auserwählten Paar, das von dem Kurator Roger Michael Buergel nach dem - wie er in Kassel sagte – in den letzten vier Jahren bewährten Modell der kuratorischen Willkür stellvertretend für die Besucher der documenta 12 an der Costa Brava essen soll. Die Kosten für die Reise übernähme das Tourismusbüro von Katalonien.
Ich sollte nie der Koch der documenta sein, sagt Ferran Adrià in Kassel. Das war das erste, was Roger Buergel mir versichert hat.
Wenn sich das Drei-Sterne-Restaurant bei Roses für die kommenden hundert Tage in den virtuelle documenta Pavillon G verwandeln wird, wie Adrià mit Schmunzeln sagt, dann birgt dieses Votum aber auch verschiedenes.
Zum einen die Verweigerung des Starkochs, in Kassel den Catering Clown zu spielen. Eine Küche kann man nicht transportieren, sagt er auf seiner von diversen Assistentinnen und einem Manager gestalteten Pressekonferenz. Erklären will er seine Kochkunst gleichfalls nicht. Wie der Maler Marcus Lüpertz sieht er seine Kunst als Kommunikation mit Gleichgesinnten.
Wer den Autodidakten, der über einen Spüljob auf Ibiza in die Küche kam, auf seiner Suche nach bisher noch nie gedachten Zubereitungsformen begleiten will, wird im El Bulli seine Freude haben. Und zu seiner Kochkunst gehört auch die Performance vor Ort mit seinen Schnullern und Pipetten und der körperlichen Konzentration auf die Konfrontation mit seinen Kreationen.
Also nutzt es nichts, wenn Adrià mit seinem Messersatz nach Kassel reiste.
Wer dagegen mehr verstehen wolle, wer seine Techniken überprüfen, seine Philosophie, so Adrià, seine Dekonstruktionsideen, wie seinen Weg zur warmen Gelatine, beispielsweise, etwas, das es vor Adrià nicht gegeben hat, der solle sich seine Bücher kaufen.
Neu auf dem Markt seit gestern, so das Verkaufsgenie, sei der Band 24 Stunden im El Bulli. Sein Spiel mit Texturen und Aggregatszuständen und Extremen aber, wie heiß und kalt, salzig und süß könne man nur konkret im Restaurant erfahren.
In seinen Büchern fände sich also seine Philosophie, bei Tisch im Restaurant sein Gesamtkunstwerk, wozu auch das Ambiente, das Team, die Küche und die Bucht gehörten, die nicht nach Kassel reisen könnten. Und darum habe man die Einladung derart interpretiert.
Wer von den anderen Künstlern auf der documenta erkläre seine Kunst, fragt Ferran Adriá rhetorisch und verschmitzt.
Und drittens beinhaltete die Absage des wertkonservativen Kreativen, in Kassel aufzukochen auch eine Absage, seine Gerichte als Werke einer kulinarisch verwurzelten Konzeptkunst zu sehen. Adrià spielt nicht mit Aggregatzuständen, Texturen und Erscheinungsformen seiner Gerichte, auf suche nach einem künstlerischen Ziel, das sich fixieren ließe.
Sein Vexierspiel sieht er als persönliche Performance für einen Gast, den Mann oder die Frau am Tisch, die reagiert, der es nun schmeckt oder auch nicht, die mit der Pipette im gespitztem Schnabel regrediert oder erschrickt, wenn auf der Zunge Heißes, Sanftes explodiert.
Enttäuscht bin ich trotzdem, ich hätte ihn gern als einen Nachfolger von Francois Vatel gesehen, dem genialen Performance-Koch im Frankreich des Louis IVX, als einen der heute wieder alle Regeln sprengt und sich vielleicht in diesem Jahr nicht in das Schwert stürzt, wenn sich die Fische mit der Kutsche vom Atlantik in die Kasseler Auwiesen verspäten sollten, sondern mit seiner Kunst, die Sinne neu erschließen.
Der stolze Katalane aber ist kein Konzeptkünstler und ein Hofkoch will er nicht sein.
Für das Verständnis seiner Kochkunst aber hätte seine reale Anwesenheit in Kassel mehr bewirken können, als die fiktive Annexion des Restaurants in Katalonien.
Auch in den kommenden einhundert Tagen wird Adrià das tun, was er in seinem Drei-Sterne-Restaurant an der Cala Montjo seit Jahren tut, nämlich die jüngsten Ergebnisse seiner Suche nach neuen Zubereitungsarten zu servieren. Fünfzig Plätze hat sein Haus. 800.000 Anfragen pro Saison stehen 8000 Plätzen entgegen.
Die Erdbeerscheiben, die aussehen wie vergessene Fruchtstücke aus der Kajüte des Fliegenden Holländers werden da kredenzt und Desserts aus schwarzem Sesam mit silbernem Passionsfrucht-Sorbet, einer tektonische Struktur von der Anmutung der Sandkuchen von Großmama, aber unglaublich saftig, fruchtig und lecker.
Hier also kochen Ferran Adrià und sein Team. Hier dienen vierzig Köche fünfzig Gästen, in Wirklichkeit aber suchen hier die kreativsten Köpfe Spaniens mit verspielter Akribie nach neuen Wegen in der Kochkunst. Neben seinen diversen Beratertätigkeiten, Fernseh-Auftritten und der Betreuung seiner Hotels, in denen Normalsterbliche seine Kreationen der vergangenen Jahre essen können, ohne sich auf Monate hinaus für das El Bulli zu bewerben, daneben wird der 43-Jährige also in den kommenden hundert Tagen im El Bulli kochen, wie er es an drei Tagen in der Woche immer tut.
Und in den kommenden einhundert Tagen wird in seinem Restaurant ein Tisch für Kunstsinnige reserviert für ein auserwählten Paar, das von dem Kurator Roger Michael Buergel nach dem - wie er in Kassel sagte – in den letzten vier Jahren bewährten Modell der kuratorischen Willkür stellvertretend für die Besucher der documenta 12 an der Costa Brava essen soll. Die Kosten für die Reise übernähme das Tourismusbüro von Katalonien.
Ich sollte nie der Koch der documenta sein, sagt Ferran Adrià in Kassel. Das war das erste, was Roger Buergel mir versichert hat.
Wenn sich das Drei-Sterne-Restaurant bei Roses für die kommenden hundert Tage in den virtuelle documenta Pavillon G verwandeln wird, wie Adrià mit Schmunzeln sagt, dann birgt dieses Votum aber auch verschiedenes.
Zum einen die Verweigerung des Starkochs, in Kassel den Catering Clown zu spielen. Eine Küche kann man nicht transportieren, sagt er auf seiner von diversen Assistentinnen und einem Manager gestalteten Pressekonferenz. Erklären will er seine Kochkunst gleichfalls nicht. Wie der Maler Marcus Lüpertz sieht er seine Kunst als Kommunikation mit Gleichgesinnten.
Wer den Autodidakten, der über einen Spüljob auf Ibiza in die Küche kam, auf seiner Suche nach bisher noch nie gedachten Zubereitungsformen begleiten will, wird im El Bulli seine Freude haben. Und zu seiner Kochkunst gehört auch die Performance vor Ort mit seinen Schnullern und Pipetten und der körperlichen Konzentration auf die Konfrontation mit seinen Kreationen.
Also nutzt es nichts, wenn Adrià mit seinem Messersatz nach Kassel reiste.
Wer dagegen mehr verstehen wolle, wer seine Techniken überprüfen, seine Philosophie, so Adrià, seine Dekonstruktionsideen, wie seinen Weg zur warmen Gelatine, beispielsweise, etwas, das es vor Adrià nicht gegeben hat, der solle sich seine Bücher kaufen.
Neu auf dem Markt seit gestern, so das Verkaufsgenie, sei der Band 24 Stunden im El Bulli. Sein Spiel mit Texturen und Aggregatszuständen und Extremen aber, wie heiß und kalt, salzig und süß könne man nur konkret im Restaurant erfahren.
In seinen Büchern fände sich also seine Philosophie, bei Tisch im Restaurant sein Gesamtkunstwerk, wozu auch das Ambiente, das Team, die Küche und die Bucht gehörten, die nicht nach Kassel reisen könnten. Und darum habe man die Einladung derart interpretiert.
Wer von den anderen Künstlern auf der documenta erkläre seine Kunst, fragt Ferran Adriá rhetorisch und verschmitzt.
Und drittens beinhaltete die Absage des wertkonservativen Kreativen, in Kassel aufzukochen auch eine Absage, seine Gerichte als Werke einer kulinarisch verwurzelten Konzeptkunst zu sehen. Adrià spielt nicht mit Aggregatzuständen, Texturen und Erscheinungsformen seiner Gerichte, auf suche nach einem künstlerischen Ziel, das sich fixieren ließe.
Sein Vexierspiel sieht er als persönliche Performance für einen Gast, den Mann oder die Frau am Tisch, die reagiert, der es nun schmeckt oder auch nicht, die mit der Pipette im gespitztem Schnabel regrediert oder erschrickt, wenn auf der Zunge Heißes, Sanftes explodiert.
Enttäuscht bin ich trotzdem, ich hätte ihn gern als einen Nachfolger von Francois Vatel gesehen, dem genialen Performance-Koch im Frankreich des Louis IVX, als einen der heute wieder alle Regeln sprengt und sich vielleicht in diesem Jahr nicht in das Schwert stürzt, wenn sich die Fische mit der Kutsche vom Atlantik in die Kasseler Auwiesen verspäten sollten, sondern mit seiner Kunst, die Sinne neu erschließen.
Der stolze Katalane aber ist kein Konzeptkünstler und ein Hofkoch will er nicht sein.
Für das Verständnis seiner Kochkunst aber hätte seine reale Anwesenheit in Kassel mehr bewirken können, als die fiktive Annexion des Restaurants in Katalonien.