"Kein faires Angebot"

Berthold Huber im Gespräch mit Ute Welty |
Der erste Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, hat den Arbeitgebern vorgeworfen, die Gewerkschaft in den Verhandlungen hinzuhalten. Das Angebot von 3 Prozent auf 14 Monate reiche gerade aus, um die Inflationsrate auszugleichen, sagte Huber.
Ute Welty: Das ist eine klare Kampfansage gewesen: Vor 6000 Teilnehmern in Hamburg hat IG-Metall-Chef Berthold Huber die Forderung der Gewerkschaft nach 6,5 Prozent mehr Lohn bekräftigt, und ab heute laufen verstärkt die Warnstreiks. Die Arbeitgeber bieten bisher nur drei Prozent. Wie dieser Konflikt bis Pfingsten gelöst werden soll, das frage ich Berthold Huber am besten selbst. Guten Morgen!

Berthold Huber: Guten Morgen, Frau Welty!

Welty: Das Angebot der Arbeitgeber gleicht immerhin die Inflation aus. Ist es da schlau, an der Maximalforderung von 6,5 Prozent festzuhalten und gleichzeitig das Arbeitgeberangebot als Provokation zu bezeichnen?

Huber: Ja, wissen Sie, die Arbeitgeber bieten ja drei Prozent auf 14 Monate, wenn ich das rechne auf 12 Monate, sind das 2,6 Prozent. Das reicht gerade, die Inflationsrate, die offizielle, abzudecken. Die Arbeitnehmer würden damit abgekoppelt vom wirtschaftlichen Fortschritt. Wir haben eine Produktivitätsentwicklung, eine massive bei Metall, Elektro, wir haben extrem hohe Außenhandelsüberschüsse. Das ist kein faires Angebot im Sinne von Beteiligung, und wir geben uns natürlich nicht nur mit der Inflationsrate zufrieden.

Welty: Und was ist, wenn ein Arbeitgeber über diese 6,5 Prozent mehr Lohn Pleite geht? Denn nicht allen Unternehmern in der Metall- und Elektrobranche geht es ja so supergut.

Huber: Ja, also wir haben ja seit dem Jahr 2004 das sogenannte Pforzheimer Abkommen: Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind, kriegen Ermäßigung. Das hat in hunderten, mehrfach hundert Fällen so geklappt, warum sollten wir das in Zukunft nicht machen, das ist ein anerkanntes Instrumentarium. Also, das wäre keine Begründung, eine ordentliche durchschnittliche Erhöhung für die Beschäftigten zu gewähren.

Welty: Sie selbst als Arbeitgeber sind ja von 6,5 Prozent weit entfernt. Die letzte Lohnerhöhung bei der IG Metall stammt aus dem Jahre 2010 und betrug gerade mal zwei Prozent.

Huber: Ja, aber dort haben wir bei der Metall- und Elektroindustrie 2,7 Prozent gemacht, und insofern haben wir da dort Nähe. Für uns ist das, was wir in der Industrie abschließen als IG Metall, immer Maßstab. Das geht dann mal ein paar Zehntel rauf oder runter, in der Regel ist es eher höher gegangen.

Welty: Wenn Sie jetzt in die Verhandlungen gehen, wo wäre denn da die Verhandlungsmasse, eher bei den Löhnen oder eher bei den Forderungen, was die Arbeitsbedingungen angeht, die unbefristete Übernahme von Auszubildenden zum Beispiel, oder das Mitspracherecht bei der Zeitarbeit?

Huber: Also, was ich deutlich machen möchte: Es geht in dieser Tarifrunde, Frau Welty, geht es ja nicht in erster Linie um Geld nur oder ausschließlich.

Welty: Deswegen fragte ich.

Huber: Sondern es geht um die Frage Übernahme der jungen Leute. Heute werden 75 Prozent der jungen Leute nur befristet übernommen, und wenn sie Glück haben, werden sie dann nach einem Jahr fest übernommen, und wenn sie Pech haben, was viele haben, werden sie überhaupt nicht übernommen. Und das ist uns mindestens ein gleich großes Anliegen wie die Frage der Lohnerhöhung. Wir wollen, dass die jungen Leute eine Chance auf Zukunft haben. Und wir wollen nicht akzeptieren, dass wie in Italien oder gar in Spanien die Masse der jungen Leute in prekärer Arbeit drin ist.

Welty: Trotzdem muss man sich ja in einer solchen Verhandlung irgendwann entscheiden und sagen, das ist jetzt meine herausragende Forderung, das ist das Ziel, was ich durchsetzen möchte.

Huber: Wir haben drei gleichwertige Ziele, und das Problem ist eher, dass wir erst wieder am 8. Mai von den Arbeitgebern einen Verhandlungstermin bekommen haben, um weiter zu verhandeln. Und wissen Sie, offiziell verhandeln wir seit etwa sieben Wochen. Tatsächlich verhandeln wir seit über drei Monaten, weil ja klar ist, solche qualitativen Fragen sind komplex. Aber ich habe den Eindruck – und ich sage das begründet –, dass wir hingehalten werden und noch mal hingehalten werden, und irgendwann geht alles zu Ende.

Welty: Die Augen ruhen einmal mehr auf Baden-Württemberg, wo man nächsten Dienstag in die vierte Verhandlungsrunde geht. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass sich auch die Warnstreiks auf Baden-Württemberg konzentrieren?

Huber: Nein, die Warnstreiks werden in der ganzen Bundesrepublik laufen. Wir ziehen da an einem Strang, und ich würde mich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht auf einen Abschlussbezirk oder eine Abschlussregion festlegen. Das wird man dann sehen in den nächsten 14 Tagen. Ich will nur noch mal sagen, was ich auch gesagt habe, gestern in Hamburg: Wir brauchen vor Pfingsten ein Ergebnis, weil wir lassen uns da nicht Woche um Woche durch die Republik in so einem Verhandlungstournee schleppen. Irgendwann, wie gesagt, reicht das jetzt, und ich glaube, vor Pfingsten müssen wir ein Ergebnis haben.

Welty: Sie haben auch anlässlich des Tages der Arbeit an die Bundesregierung appelliert, mehr für tariflich gesicherte und rechtlich geschützte Arbeitsplätze zu tun. Was stellen Sie sich da konkret vor, und wie werden Sie Ihren Einfluss geltend machen?

Huber: Ja gut, also das Thema Mindestlohn ist ja hinreichend bekannt, ist strittig zwischen der Regierungskoalition. Das kann man ja heute in der Tagespresse wieder sehen – natürlich wäre das ein Punkt, dass mehr Absicherung nach unten da ist, dann kann der Staat selber als Arbeitgeber auch etwas dafür tun, indem er sagt, wir sourcen nicht permanent out, sondern wir halten die Arbeitsplätze auch im tariflichen Bereich drin.

Also da gibt es viele Möglichkeiten, und ich darf noch mal darauf hinweisen: Das Problem ist doch, dass wir in Deutschland inzwischen sieben Millionen Menschen haben, die im sogenannten Niedriglohnsektor arbeiten. Das ist keine gute Entwicklung, und der werden wir auch nicht tatenlos zuschauen.

Welty: IG-Metall-Chef Berthold Huber im Interview der "Ortszeit". Ich danke!

Huber: Ich danke Ihnen. Einen guten Tag!


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