Kein Drama!
Der Intendant beglückwünscht den Dramatiker zur Uraufführung seines neuen Stückes. Der bedankt sich. "Hätten Sie Lust", fragt der Intendant, "für uns etwas Neues zu schreiben?" Der Autor meint naiv, sein Stück sei doch eigentlich noch ganz neu.
"Ja ja", sagt der Intendant, "aber er meine etwas ganz Neues, was Aktuelles." Der Autor meint naiv, sein Stück sei doch eigentlich ganz aktuell, eben erst geschrieben. Man kann sich vorstellen, wie diese Szene weiter geht. Moritz Rinke hat sie erzählt, in einem Vortrag anlässlich des Symposions "Schleudergang Neue Dramatik", in dem vor Kurzem die Berliner Festspiele heraus finden wollten, wie sich die Zusammenarbeit von Theatern und Autoren verbessern lassen könnte.
Viele Autoren, die gerade aufgeführt werden, waren nicht vertreten. Auch Rinke verließ nach seinem Grußwort die Veranstaltung. Anscheinend sind diejenigen, die drin sind im Betrieb, recht zufrieden. Oder haben einfach zu viel zu tun, weil sie ja ständig neue Stücke liefern müssen, ganz neue, was Aktuelles, eben. Die Mehrzahl der nicht so gefragten Autoren wünschten sich mehr Sicherheit, einen eigenen Platz des Autoren, entweder in der Dramaturgie, oder als eine Art Stadtschreiber, nur eben für das Theater. Ein sicheres Gehalt für eine Spielzeit, aber möglichst keinen Druck, etwas zu schreiben, dafür die Möglichkeit, auch einmal zu inszenieren oder anderweitig in den Theaterbetrieb hineinzuschauen.
Die anwesenden Dramaturgen fanden diese Ideen zwar interessant, aber nicht wirklich durchsetzbar angesichts der knappen Finanzen. Sie entwickelten das Konzept eines Flirtraumes, in dem unverbindlich Theatermacher und Autoren über Themen und Spielweisen diskutieren, die den Bühnen gerade wichtig sind. In Graz wird so etwas bereits praktiziert, auch das Rheinische Landestheater Neuss plant so eine Zusammenkunft.
Denn letztlich zählt die Qualität eines Textes, nichts anderes. Sagen die Dramaturgen. In der Praxis gibt es seit Jahren viele verschiedene Modelle der Autorenförderung. Da sind einmal die immer unübersichtlicher werdenden Preise. Bei renommierten Auszeichnungen wie dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatik kaufen manche Theater sogar die Uraufführungskatze im Sack, um die Chance auf die Entdeckung eines neuen Sterns zu haben. Doch manchmal geht das auch nach hinten los.
Andere Preise sind manchmal lächerlich gering dotiert und lassen kaum den Rückschluss zu, dass die Auslober ein Verständnis dafür haben, dass Autoren von ihrer Arbeit leben müssen. Durch die Vielzahl an Preisen entstehen absurde Situationen. Der begabte Nis Momme Stockmann zum Beispiel hat schon beim Heidelberger Stückemarkt und den Werkauftrag beim Stückemarkt des Theatertreffens gewonnen. Aber keiner seiner Texte wurde bisher uraufgeführt. Das ändert sich im Laufe der Saison, in Frankfurt, wo Stockmann nun Hausautor ist.
Die beste Autorenförderung ist das Nachspielen ihrer Stücke. Denn damit beweist ein Theater, dass es die Texte wirklich will und nicht nur auf das Medieninteresse an Uraufführungen setzt. Das hat allerdings im Laufe der letzten Jahre nachgelassen, ein neues Stück ist nicht automatisch eine Garantie dafür, dass die überregionale Kritik anrückt. Was auch daran liegt, dass inzwischen auch Romanbearbeitungen und Filmadaptionen als Uraufführungen geführt werden, was deren Zahl gewaltig ansteigen lässt. Auch dabei gibt es ja große Unterschiede. Manchmal ist ein Autor beteiligt, wie John von Düffel, der bald das Gesamtwerk von Thomas Mann für die Bühne eingerichtet haben dürfte. Oft machen sich die Regisseure und Autoren ihre eigenen Spielfassungen.
An vielen Theatern gibt es Hausautoren. Allerdings sind diese Verabredungen meistens nicht besonders scharf gefasst. Und das ist gut so. Denn wenn der Druck da ist, dass auf Biegen und Brechen eine Uraufführung heraus kommen muss, wird der Text oft verkrampft. Das gewisse Gefühl der Unfertigkeit zeichnet ja auch viele Auftragswerke aus, die einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig werden müssen.
Englische, französische oder amerikanische Autoren haben damit kein Problem, weil sie das Handwerk der well made plays beherrschen. Doch solche Stücke haben in der deutschsprachigen Dramatik immer noch nur selten eine Chance, da importieren die Theater lieber Texte von Yasmina Reza, Neil LaBute oder Simon Stephens.
Lockere Vereinbarungen bringen die meisten Erfolge. Das Nationaltheater Mannheim beschäftigt im jährlichen Wechsel einen Hausautor. Manchmal kommen die dabei entstandenen Texte erst Jahre später auf die Bühne. Das macht aber nichts, man leistet sich einen langen Atem. So kommen Arbeitsverhältnisse zustande, die mittelfristig angelegt sind. Und das Theater profitiert davon, eben erhielt Mannheim den Preis der deutschen Theaterverlage für eine besonders intensive Pflege zeitgenössischer Stücke.
Auch in Bochum gab es in der vergangenen Spielzeit ein ungewöhnliches Projekt. Da zog der Autor und Dramatiker Kristo Sagor für ein halbes Jahr in die Kellerbühne des Schauspielhauses ein, inszenierte dort, entwickelte neue Formate, lud zum Beispiel Zuschauer abends zum gemeinsamen Kochen ein. Doch der Gedankenansatz verpuffte, fand keine Fortsetzung, wurde kaum reflektiert. Die Theater müssen an solchen Ideen dran bleiben, sie weiter entwickeln, nicht einfach nur ausprobieren und gleich wieder zum nächsten Projekt sausen.
So brutal es klingen mag: Zur Künstlerexistenz gehört eine gewisse Unsicherheit einfach dazu. Junge Dramatiker mit Preisen, Stipendien und Hausautorschaften zu pampern, ohne dass dabei verwertbare Produkte heraus kommen, ist schlicht Unsinn. Dass die Werkstatttage für junge Dramatik am Wiener Burgtheater mangels Qualität der Einreichungen in diesem Jahr nicht statt fanden, ist ein klares Zeichen.
Auf die wenigen Talente stürzen sich viele Jurys und die nach Blutauffrischung lechzenden Bühnen ebenfalls. Da bleiben oft nur Kompromisskandidaten übrig. Autoren sollten sich breit am Markt aufstellen. Warum es kaum Theaterautoren gibt, die auch fürs Fernsehen schreiben und umgekehrt, ist nicht nachvollziehbar. Geschichten erzählen lassen sich in allen Medien, und es kommt ja auch darauf an, erstmal die unterschiedlichsten Erfahrungen zu sammeln.
Langsam trauen sich junge Autoren, auch mal über Dinge zu schreiben, die über das Chaos im eigenen Kopf und die Jugenderinnerungen hinaus gehen. Sie müssen den Mut entwickeln, sich mit den bedeutenden Gegenwartsthemen zu beschäftigen. Dass es kein Stück über den Mauerfall gibt, ist ein Armutszeugnis. Die Theater spielen Romanbearbeitungen, weil die Dramatiker ihnen keine großen Stoffe bieten. Das muss sich ändern, nicht die Autorenförderung.
Viele Autoren, die gerade aufgeführt werden, waren nicht vertreten. Auch Rinke verließ nach seinem Grußwort die Veranstaltung. Anscheinend sind diejenigen, die drin sind im Betrieb, recht zufrieden. Oder haben einfach zu viel zu tun, weil sie ja ständig neue Stücke liefern müssen, ganz neue, was Aktuelles, eben. Die Mehrzahl der nicht so gefragten Autoren wünschten sich mehr Sicherheit, einen eigenen Platz des Autoren, entweder in der Dramaturgie, oder als eine Art Stadtschreiber, nur eben für das Theater. Ein sicheres Gehalt für eine Spielzeit, aber möglichst keinen Druck, etwas zu schreiben, dafür die Möglichkeit, auch einmal zu inszenieren oder anderweitig in den Theaterbetrieb hineinzuschauen.
Die anwesenden Dramaturgen fanden diese Ideen zwar interessant, aber nicht wirklich durchsetzbar angesichts der knappen Finanzen. Sie entwickelten das Konzept eines Flirtraumes, in dem unverbindlich Theatermacher und Autoren über Themen und Spielweisen diskutieren, die den Bühnen gerade wichtig sind. In Graz wird so etwas bereits praktiziert, auch das Rheinische Landestheater Neuss plant so eine Zusammenkunft.
Denn letztlich zählt die Qualität eines Textes, nichts anderes. Sagen die Dramaturgen. In der Praxis gibt es seit Jahren viele verschiedene Modelle der Autorenförderung. Da sind einmal die immer unübersichtlicher werdenden Preise. Bei renommierten Auszeichnungen wie dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatik kaufen manche Theater sogar die Uraufführungskatze im Sack, um die Chance auf die Entdeckung eines neuen Sterns zu haben. Doch manchmal geht das auch nach hinten los.
Andere Preise sind manchmal lächerlich gering dotiert und lassen kaum den Rückschluss zu, dass die Auslober ein Verständnis dafür haben, dass Autoren von ihrer Arbeit leben müssen. Durch die Vielzahl an Preisen entstehen absurde Situationen. Der begabte Nis Momme Stockmann zum Beispiel hat schon beim Heidelberger Stückemarkt und den Werkauftrag beim Stückemarkt des Theatertreffens gewonnen. Aber keiner seiner Texte wurde bisher uraufgeführt. Das ändert sich im Laufe der Saison, in Frankfurt, wo Stockmann nun Hausautor ist.
Die beste Autorenförderung ist das Nachspielen ihrer Stücke. Denn damit beweist ein Theater, dass es die Texte wirklich will und nicht nur auf das Medieninteresse an Uraufführungen setzt. Das hat allerdings im Laufe der letzten Jahre nachgelassen, ein neues Stück ist nicht automatisch eine Garantie dafür, dass die überregionale Kritik anrückt. Was auch daran liegt, dass inzwischen auch Romanbearbeitungen und Filmadaptionen als Uraufführungen geführt werden, was deren Zahl gewaltig ansteigen lässt. Auch dabei gibt es ja große Unterschiede. Manchmal ist ein Autor beteiligt, wie John von Düffel, der bald das Gesamtwerk von Thomas Mann für die Bühne eingerichtet haben dürfte. Oft machen sich die Regisseure und Autoren ihre eigenen Spielfassungen.
An vielen Theatern gibt es Hausautoren. Allerdings sind diese Verabredungen meistens nicht besonders scharf gefasst. Und das ist gut so. Denn wenn der Druck da ist, dass auf Biegen und Brechen eine Uraufführung heraus kommen muss, wird der Text oft verkrampft. Das gewisse Gefühl der Unfertigkeit zeichnet ja auch viele Auftragswerke aus, die einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig werden müssen.
Englische, französische oder amerikanische Autoren haben damit kein Problem, weil sie das Handwerk der well made plays beherrschen. Doch solche Stücke haben in der deutschsprachigen Dramatik immer noch nur selten eine Chance, da importieren die Theater lieber Texte von Yasmina Reza, Neil LaBute oder Simon Stephens.
Lockere Vereinbarungen bringen die meisten Erfolge. Das Nationaltheater Mannheim beschäftigt im jährlichen Wechsel einen Hausautor. Manchmal kommen die dabei entstandenen Texte erst Jahre später auf die Bühne. Das macht aber nichts, man leistet sich einen langen Atem. So kommen Arbeitsverhältnisse zustande, die mittelfristig angelegt sind. Und das Theater profitiert davon, eben erhielt Mannheim den Preis der deutschen Theaterverlage für eine besonders intensive Pflege zeitgenössischer Stücke.
Auch in Bochum gab es in der vergangenen Spielzeit ein ungewöhnliches Projekt. Da zog der Autor und Dramatiker Kristo Sagor für ein halbes Jahr in die Kellerbühne des Schauspielhauses ein, inszenierte dort, entwickelte neue Formate, lud zum Beispiel Zuschauer abends zum gemeinsamen Kochen ein. Doch der Gedankenansatz verpuffte, fand keine Fortsetzung, wurde kaum reflektiert. Die Theater müssen an solchen Ideen dran bleiben, sie weiter entwickeln, nicht einfach nur ausprobieren und gleich wieder zum nächsten Projekt sausen.
So brutal es klingen mag: Zur Künstlerexistenz gehört eine gewisse Unsicherheit einfach dazu. Junge Dramatiker mit Preisen, Stipendien und Hausautorschaften zu pampern, ohne dass dabei verwertbare Produkte heraus kommen, ist schlicht Unsinn. Dass die Werkstatttage für junge Dramatik am Wiener Burgtheater mangels Qualität der Einreichungen in diesem Jahr nicht statt fanden, ist ein klares Zeichen.
Auf die wenigen Talente stürzen sich viele Jurys und die nach Blutauffrischung lechzenden Bühnen ebenfalls. Da bleiben oft nur Kompromisskandidaten übrig. Autoren sollten sich breit am Markt aufstellen. Warum es kaum Theaterautoren gibt, die auch fürs Fernsehen schreiben und umgekehrt, ist nicht nachvollziehbar. Geschichten erzählen lassen sich in allen Medien, und es kommt ja auch darauf an, erstmal die unterschiedlichsten Erfahrungen zu sammeln.
Langsam trauen sich junge Autoren, auch mal über Dinge zu schreiben, die über das Chaos im eigenen Kopf und die Jugenderinnerungen hinaus gehen. Sie müssen den Mut entwickeln, sich mit den bedeutenden Gegenwartsthemen zu beschäftigen. Dass es kein Stück über den Mauerfall gibt, ist ein Armutszeugnis. Die Theater spielen Romanbearbeitungen, weil die Dramatiker ihnen keine großen Stoffe bieten. Das muss sich ändern, nicht die Autorenförderung.