Kay Voges, Intendant am Volkstheater Wien

"Wir Theatermacher werden von unserer Leidenschaft getrieben"

10:40 Minuten
Porträt von Kay Voges, der neue Intendant am Volkstheater in Wien, Österreich.
Kay Voges startet als Intendant am Volkstheater Wien unter schwierigen Bedingungen. © Volkstheater/Lukas Beck
Kay Voges im Gespräch mit Janis El-Bira · 14.11.2020
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Kay Voges hat seine erste Spielzeit als Intendant am Wiener Volkstheater vorgestellt. Er setzt auf große Namen, wegen Corona bleiben allerdings auch Lücken und eine gewisse Unsicherheit. Seinen Optimismus lässt Voges sich dadurch nicht nehmen.
Seit anderthalb Jahren läuft die Generalsanierung, das Haus ist geschlossen und obendrauf kommt auch noch die Pandemie. Der Start des früheren Dortmunder Schauspielchefs Kay Voges als neuer Intendant am Wiener Volkstheater hätte bestimmt leichter ausfallen können.
Dennoch hat Voges nun seine erste Wiener Spielzeit vorgestellt: mit großen Namen wie Susanne Kennedy, Jonathan Meese oder Florentina Holzinger, aber auch mit Lücken, Unsicherheiten und mehreren corona-bedingten Ausfällen hochkarätiger Gastspiele.

Die Vorfreude bleibe dennoch. "Das ist eine Willenssache", sagt Kay Voges. "Man will ja eröffnen, man will spielen. Wir Theatermacher werden von unserer Leidenschaft getrieben. Und so macht man einen Plan, dann macht man einen zweiten Plan und, wenn beide nicht gehen, einen dritten. Wir planen und seit März verwerfe ich und plane neu. Aber ich bin felsenfest überzeugt: Der Lappen wird wieder aufgehen. Wann, werden wir sehen."
Dafür werde man vieles "aus eigener Kraft stemmen" und auf internationale Gastspiele im kommenden halben Jahr verzichten müssen, so Voges: "Wir müssen flexibel sein in der Zukunft. Und da geht es ja den Kulturschaffenden nicht anders als allen anderen Menschen. Ob das Mütter sind, die nicht wissen, ob ihre Kinder in die Schule kommen am nächsten Tag, oder Restaurantbesitzer. Also wir fahren alle auf Sicht."

Keine Neuauflage der Dortmunder Ästhetik

Das Wiener Volkstheater will er als ein Haus für alle Bürgerinnen und Bürger aufstellen. Voges, der das Theater Dortmund zu einem der führenden "Theaterlabore" Deutschlands entwickelt hatte, orientiert sich stark am Digitialen. Aus seiner Dortmunder Zeit bringt er einige Mitarbeiter mit nach Wien:
"Aber es kommen auch ganz viele Neue. Und so wird sich das Theater auch durch die Menschen verwandeln zu einem Volkstheater für Wien. Und man wird sicherlich das eine oder andere wiederentdecken, was man schon mal in Dortmund gesehen hat, aber es wird sehr, sehr viel Neues erscheinen. Ich glaube und hoffe, dass das Volkstheater in keinster Weise Ähnlichkeiten mit dem Dortmunder hat."
Voges will auch an die lange Tradition des Volkstheaters anknüpfen, das als Gegenentwurf zum kaiserlichen Burgtheater entstand, und an dem schon immer "waghalsige Projekte" realisiert worden seien.

Ernst Jandl zur Eröffnung

Auch österreichische Stoffe sollen dabei neben vielen Vertretern der aktuellen Theateravantgarde und "Ausflügen in die Bildende Kunst und in den Aktivismus" hinein zum Zug kommen. So etwa direkt zum Start Ernst Jandls "Der Raum", ein Stück ohne Schauspieler, nur für Bühne und Beleuchtung.
Befürchtungen, mit so viel Willen zum Experiment das Volkstheater zwar als "global village" aufzustellen, aber dafür das ortsansässige Publikum zu verlieren, hat Voges nicht: "Wir glauben, ein Spektrum anbieten zu können, dass es eigentlich keinen Grund für niemanden in Wien gibt, nicht ins Volkstheater zu gehen."

Winterschließungen passen nicht zu jeder Stadt

Schließlich äußert sich Voges, dessen neues Haus wegen der Generalsanierung ohnehin nicht vor Januar öffnen kann, noch zur aktuell in Deutschland laufenden Debatte um eine mögliche Theaterschließung über den Winter:
"Ich verstehe, wenn man in Berlin sagt, vielleicht sollen wir im Sommer die Türen öffnen und im Winter schließen. Das können sich so Touristen-Hotspots leisten, die auch im Sommer überquellen. Kleinere Städte haben da ein anders Leben. In Dortmund hätte ich mir das schwer vorstellen können, wenn das Wetter besser wurde, war’s sehr schwer, Menschen ins Theater zu kriegen. Ich bin da ganz zuversichtlich, dass wir die Pandemie überstehen werden, und dass wir dann eigentlich zu einer Normalität zurückkommen, dass unsere Theater wirklich ihre kraftvolle Zeit haben. Ich bin da ganz zuversichtlich, dass solche Grundsatzdebatten eigentlich nicht notwendig sind zu führen gerade."
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