Kaufkraft in Deutschland

Arme Städter, reiche Landbevölkerung

Eine Frau steht zum Bezahlen in einem Supermarkt an der Kasse.
In den Städten ist die Kaufkraft schwächer als auf dem Land. © picture alliance / dpa / RIA Novosti
Von Stefan Maas · 25.08.2014
Die Menschen in Ostdeutschland verdienen zwar weniger als die im Westen - sie können sich aber ähnlich viel leisten. Die Armutsunterschiede sind einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge geringer als bisher angenommen. Stattdessen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle.
Nimmt man allein das Einkommen als entscheidende Größe bei der Frage: Wie sind Wohlstand und Armut in Deutschland verteilt, dann ist die Antwort seit Jahren bekannt: Im Westen schneiden viele Regionen relativ gut ab, im Osten liegen die Armutsquoten in den meisten Regionen um die 20 Prozent oder höher. Das bedeutet: Mindestens jeder Fünfte verdient so wenig, dass er als einkommensarm gilt.
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man wie das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln mit einberechnet, wie viel man sich von diesem Einkommen kaufen kann, sagt IW-Direktor Michael Hüther: Denn bei der Kaufkraftarmut verläuft die Grenze nicht mehr zwischen Ost und West:
"Nun, das eigentliche Problem ist das Stadt-Land- oder Land-Stadt-Gefälle, wie man genauer sagen sollte."
So braucht etwa ein Single in München 1030 Euro monatlich, um sich genauso viel leisten zu können wie ein durchschnittlicher deutscher Bürger mit 870 Euro.
"Wenn der Schwellenwert regional preisbereinigt wird, sind in den Regionen, die ausschließlich aus Landkreisen oder aus einer Mischung von Land- und Stadtkreisen besteht, im Durchschnitt nur knapp 14 Prozent der Bevölkerung relativ kaufkraftarm. In Stadtregionen liegt diese Quote dagegen bei 22 Prozent, also acht Prozentpunkte höher."
Gruppen mit erhöhtem Risiko leben in der Stadt
Nach der so angestellten Rechnung des IW gehört zum Beispiel Thüringen zu den Top-Drei wenn es um die niedrigsten Armutsquoten geht. Die liegt im Durchschnitt der Regionen bei 17 Prozent. Zum Vergleich: Frankfurt am Main und Düsseldorf haben rund 23 Prozent kaufkraftarme Einwohner.
Brandenburg, das kaufkraftstärkste der neuen Bundesländer könnte sogar fast mit Hamburg gleichziehen, sagt Hüther. Das schlechte Abschneiden der großen Städte habe zwei wesentliche Ursachen:
"Zum einen liegt es daran, dass die Ungleichheit in den Städten besonders hoch ist. Gemessen am regionalen Schwellenwert sind die zehn Regionen mit der höchsten Betroffenheit von relativer Einkommensarmut ausschließlich Großstädte. Dies erklärt sich zu einem großen Teil damit, dass neben einkommensstarken Gruppen auch Personen mit erhöhtem Risiko von Kaufkraft besonders oft in Städten leben."
Kaufkraftarm ist etwa jede zweite Person, die mit einem Arbeitslosen in einem Haushalt lebt, etwa jeder dritte Alleinerziehende oder etwa ein Viertel der Personen mit Migrationshintergrund. Die Berechnungen des IW zeigen auch: Von 2006 bis 2012 sind die an der Kaufkraft gemessenen Armutsquoten in den Städten um 2,5 Prozentpunkte gestiegen. In ländlichen Regionen sind sie nahezu stabil geblieben.
"Auch die nahe Zukunft sieht für die Großstädte nicht rosig aus, denn gerade an gefragten Standorten sind die Mieten zuletzt angestiegen und das dürfte die Preisunterschiede weiter erhöhen."
Förderung für städtische Regionen
Das sollte Auswirkungen haben auf die Regionalförderung, auch mit dem Blick auf das Jahr 2019, sagt IW-Chef Hüther:
"Ja ist die Überschrift von der Fläche zu den Städten. Die Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum sinkt deutschlandweit, zuletzt auch in der ostdeutschen Peripherie. Der durch die Demografie, aber auch den Aufbau in neuer Beschäftigung bedingte Übergang von Unterbeschäftigung zu absehbarem Arbeitskräftemangel verringert also den bedeutsamen Risikofaktor Armut für die neuen Bundesländer und das gilt auch in der absehbaren Zeit bis zum Ende des Auslaufens des Solidarpakts 2."
Deshalb müsse anschließen gelten: Förderung nicht mehr einfach nur für den Osten, sondern Förderung für städtische Regionen.
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