Katholische Kirche im Zweiten Weltkrieg

Schuldbekenntnis mit Relativierungen

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Ein Bischof hat die Hände in den Schoß gelegt und nimmt am Gottesdienst teil.
Die katholische Kirche war "Teil der Kriegsgesellschaft", sagt die Deutsche Bischofskonferenz. © picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Marina Münkler im Gespräch mit Nana Brink · 30.04.2020
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Katholische Bischöfe trugen eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg: Dieses Bekenntnis der Bischofskonferenz findet die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler bemerkenswert. Sie kritisiert aber Relativierungen. Und einen Punkt vermisst sie ganz.
Es ist einer der Kernsätze aus dem 23 Seiten langen Dokument, das die Deutsche Bischofskonferenz 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs vorgestellt hat: "Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges Nein entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg." Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler begrüßt das Schuldbekenntnis:
"Es sind jedenfalls Töne, die von einer bemerkenswerten Klarheit sind, wie man sie bislang von der katholischen Kirche nicht in einer offiziellen Erklärung gehört hat. Das macht schon einen zentralen Unterschied."
Marina Münkler im Porträt 
Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler© imago/teutopress
Wichtig sei, dass sich die Bischöfe dazu bekannt hätten, nichts gegen die Verfolgung der Juden, aber auch der Sinti und Roma übernommen zu haben - und dies "als einen Teil ihrer Schuld betrachten", so Münkler. Allerdings gebe es in den Erklärungen rund um die Veröffentlichung Relativierungen, wonach man im Nachhinein nicht urteilen oder verurteilen könne: "Ich glaube, man muss beurteilen." Relativierung in Bezug auf den Nationalsozialismus sei eine "sehr heikle Sache".

Die Verfolgung der Homosexuellen fehlt im Dokument

Dass das Bekenntnis nun 75 Jahre nach Kriegsende kommt, hält Münkler für vergleichsweise schnell - in Relation zur 2000-jährigen Geschichte und der Bereitschaft der katholischen Kirche, sich zu früheren Verfehlungen zu äußern. Spät sei es allerdings im Hinblick auf 60 Jahre Diskussion in der Bundesrepublik.
Die Aufarbeitung sei noch nicht zu Ende, meint Münkler: "Ich glaube auch nicht, dass sie am Ende sein kann. Sie muss immer wieder durch Reflexion auf die Geschichte einzelner Institutionen betrachtet werden. Das tut die Kirche immerhin, das finde ich anerkennenswert." Doch eines fehlt ihr in der Erklärung der Bischöfe: "Ich habe das Dokument gelesen, und wenn ich nicht etwas überlesen habe, dann haben sie sich beispielsweise nicht über die Verfolgung und Ermordung der Homosexuellen geäußert."
(bth)

Das gesamte Gespräch mit Marina Münkler hören Sie hier:

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