Zur ARD-Doku "Wie Gott uns schuf"

"Das größte Coming-out in der katholischen Kirche"

06:41 Minuten
Eine Regenbogenfahne weht an der an der Herz-Jesu-Kirche in Freiburg . *** A rainbow flag flies at the Herz Jesu church in Freiburg, Germany
Nicht-heterosexuelle Menschen seien in der katholischen Kirche Repressalien ausgesetzt, sagt Hajo Seppelt. Das gemeinsame Coming-out schütze nun. © imago / Winfried Rothermel
Hajo Seppelt im Gespräch mit Ute Welty · 24.01.2022
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Mit der Initiative #OutInChurch und in der ARD-Doku "Wie Gott uns schuf" gehen über 100 Menschen in die Öffentlichkeit: Schwule, Lesben und Transpersonen in der katholischen Kirche outen sich. "Ein mutiger Schritt", sagt Rechercheur Hajo Seppelt.
Es sind 125 Menschen, die mit der Aktion #OutInChurch auf sich aufmerksam machen: Sie arbeiten als Nicht-Heterosexuelle in der katholischen Kirche, sind in der Erziehung, Pflege, Sozialarbeit, Seelsorge und in anderen Bereichen tätig. Sie fordern, die offizielle Lehre der Kirche zu Sexualität und Geschlechtlichkeit zu revidieren und Schwule, Lesben, Trans-, Intersexuelle oder Non-Binäre nicht mehr zu diskriminieren. Dabei geht es ihnen unter anderem um das kirchliche Arbeitsrecht, das dazu führen kann, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gekündigt werden.

Einschüchterungen Nicht-Heterosexueller

Ein Großteil der Beteiligten ist vor die Kamera getreten: für die ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf". Der Investigativjournalist Hajo Seppelt ist einer der Filmemacher und hat jahrelang zu dem Thema recherchiert. Er hat erfahren, wie die Menschen unmittelbar von Repressalien, Einschüchterungen und Drohungen betroffen waren, wenn sie ihre sexuelle Identität öffentlich machten. Der Film, vermutet Seppelt, wird ein Einschnitt.
"Ich glaube, das ist tatsächlich das größte Coming-out, das es in der Geschichte der katholischen Kirche jemals gegeben hat, was wir heute in Deutschland erleben. Das ist natürlich ein mutiger Schritt."
Die Menschen würden aber durch ihr gemeinsames Auftreten geschützt, meint der Journalist. Der "faktische Druck" sei so groß, dass die katholische Kirche nun nicht einfach Arbeitsverträge auflösen könne. "Die katholische Kirche steht ja ohnehin mit dem Rücken zur Wand, was den Missbrauchsskandal betrifft. Weitere Negativschlagzeilen kann sie sich aus meiner Sicht nicht leisten", betont Seppelt.

Für die katholische Kirche kann es eng werden

Die Gesellschaft in Deutschland sei "Lichtjahre voraus" vor manchen katholischen Würdenträgern, fügt er hinzu. "Wenn man jetzt nicht endlich mal reagiert, die Zeichen der Zeit realisiert, dann kann es für diese katholische Kirche in der Tat eng werden."
Seppelt, der als Rechercheur von großen Dopingskandalen bekannt wurde, sieht Parallelen zwischen dem internationalen Sport und der Kirche: Man wisse nie, was hinter den Kulissen passiere. Beide Welten seien zudem in ihren Machtstrukturen männlich dominiert, in Teilen "verknöchert" und hätten mit heutigen demokratischen Gepflogenheiten "nicht so richtig viel zu tun", sagt Seppelt.
(bth)

Die Dokumentation "Wie Gott uns schuf" von Hajo Seppelt, Katharina Kühn, Marc Rosenthal und Peter Wozny läuft an diesem Dienstag, 24. Januar 2022, um 20:30 Uhr im Ersten. Sie ist auch in der ARD-Mediathek zu sehen.

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