Katholische Feministin Anne Soupa

Diesmal eine Erzbischöfin für Lyon!

07:49 Minuten
Französische Theologin Anne Soupa vor einem Bergpanorama
Die Theologin Anne Soupa weiß, dass sie keine Chance auf das Bischofsamt hat. Aber vielleicht stößt ihre Bewerbung zumindest eine Debatte innerhalb der katholischen Kirche an. © AFP / Olivier Chassignole
Von Philip Artelt · 12.07.2020
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Das Erzbistum Lyon wird seit Jahren von einem Missbrauchsskandal erschüttert. Erzbischof Philippe Barbarin hat Täter gedeckt. Jetzt wird ein Nachfolger für den Erzbischof gesucht. Beworben hat sich eine Frau: die katholische Feministin Anne Soupa.
Über eine so volle Kirche würden sich manche Pfarrer derzeit freuen. 200 Leute sind an diesem warmen Juli-Abend in die Eglise Notre Dame de l’Annonciation gekommen, die meisten nicht aus der eigenen Gemeinde. Viele sind vielleicht sogar das erste Mal in dem modernen Bau, um dessen quadratischen Turm golden glänzende Engelsfiguren fliegen. Hier, am Stadtrand von Lyon, wollen sie Anne Soupa erleben, den derzeitigen Shootingstar unter feministisch eingestellten Katholiken.
Musik zur Begrüßung. Eine Sängerin und die Menge stimmt ein. Während Anne Soupa sich noch kurz von der Zugfahrt erholt und ihre Maske ablegt, ein kurzer Blick zurück: Frühjahr 2020, Frankreich ist in Corona-Schockstarre. In Rom suchen sie wohl schon einen Nachfolger für den gefallenen Erzbischof Barbarin. Und die 73-jährige Theologin und Journalistin Anne Soupa bekommt von ihrem Sohn eine Idee in den Kopf gesetzt: Mama, bewirb du dich doch als Erzbischöfin.
Die Bewerbung ist abgeschickt, der "Skandal" perfekt. Und nun sitzt die zierliche grauhaarige Frau hier in rotem Sommerkleid mit mildem Lächeln vor diesen 200 Menschen, die ihre Idee mehr als nur interessant finden.
"Wenn man mich fragt, was eine Frau für die katholische Kirche bedeutet, sage ich: 'Das ist jemand, über den man spricht, aber es ist niemand, der selbst spricht`", sagt Anne Soupa. Und verbessert sich gleich: "Okay, ich wurde eines Besseren belehrt, denn Pfarrer Franck hat mich heute eingeladen, hier zu sprechen."

Vortragseinladungen nur in Paris, nicht in Lyon

Pfarrer Franck Gacogne leitet seit zwei Jahren die Gemeinde. Er sagt: "Vor zehn Tagen habe ich in einem Sozialen Netzwerk gesehen, dass sie in Paris Vorträge hält. Ich habe geantwortet, Sie kandidieren in Lyon, hier müssen Sie sprechen. Ich fragte sie: Hat Sie denn keiner nach Lyon eingeladen? Sie sagte: Nein. Nun gut, herzlich Willkommen."
Dabei gibt es Gesprächsbedarf über Anne Soupas Bewerbung. Das beweisen die Anwesenden, unter denen ganz junge Frauen ebenso sind wie alte Männer. Das beweist aber auch das Echo in den Medien. Besonders aufgefallen ist Soupa ein Artikel in der Tageszeitung Le Figaro:
"Der Autor Jean-Marie Guénois hat geschrieben: 'Das ist wirklich eine Provokation!' Das wiederholt er gleich vier oder fünf Mal. Aber er schreibt auch: 'Die katholische Kirche hat ein echtes Problem mit den Frauen.'"
Soupa fährt fort: "Die Leser des Figaro sind traditionelle Katholiken. Und wenn selbst ein Jean-Marie Guénois sich traut, zu schreiben, dass es ein großes Problem mit den Frauen gibt, geht er davon aus, dass die Leser des Figaro bereits auf die Seite der Emanzipation gewechselt sind.

Die katholische Kirche reagiert nicht auf die Bewerbung

Wenig Reaktionen gibt es aus der Kirche selbst. Auch wir vom Radio haben eine freundliche Absage der Diözese in Lyon bekommen.
"Das sagt doch schon viel aus", sagt Pfarrer Gacogne. "Sie könnten zumindest antworten, was sie davon halten, dass sie über diese Initiative nicht erfreut sind. Keine Antwort zu geben, ist ein echtes Problem. Wir müssen diskutieren in der Kirche, wir müssen die wichtigen Fragen angehen."
Anne Soupa ergänzt: "Der Nuntius, an den ich meine Bewerbung geschickt habe, hat nicht geantwortet. Aber er hat auf Briefe meiner Freunde geantwortet, wenn auch nur mit einem Zweizeiler: 'Werte Dame, beten Sie für den Papst. Der ist für diese Fragen zuständig.'"
Altarraum einer modernen Kirche. Die Kirchenbänke sind gut gefüllt, vorne ein Tisch, hinter dem die Podiumsteilnehmer sitzen.
Moderne Kirche, aber alte Strukturen: Die Bewerbung einer Frau für ein Bischofsamt ist nicht vorgesehen.© Philipp Artelt
Anne Soupa weiß, dass sie keine Chance auf das Bischofsamt hat. Denn als Bischof bewirbt man sich nicht, man wird berufen – zumindest, wenn man ein Mann ist. Dennoch: Wenn der Papst auch nur Notiz von ihrem Ansinnen nehmen würde, dann wäre das wohl der Höhepunkt ihres Kampfes, den Frauen in der Kirche ein Gesicht, eine Stimme und Verantwortung zu geben.
"Wir haben ein Konklave der Frauen gemacht und viele andere Dinge versucht", sagt Soupa. "Aber in zwölf Jahren haben wir quasi keinen Fortschritt gesehen. Warum will man die Frauen mit dem Posten eines Diakons ruhigstellen? Ich will nicht hin- und hergerissen sein zwischen einer Gesellschaft, die mich aufgrund meiner Kompetenzen akzeptiert, und einer Kirche, die mich ablehnt, weil ich eine Frau bin. Ich glaube, ich habe mehr Universitätsabschlüsse als viele Bischöfe."

Kompetenz kann nicht nur durch Weihe kommen

Feministin, ja, aber Anne Soupa, seit Jahren in der katholischen Laienbewegung engagiert, kämpft für mehr als das. Ihre Kandidatur ist auch die einer nicht zum Priester geweihten Person. Kompetenz durch Weihe, nicht durch Studium und Erfahrung, das findet auch Pfarrer Gacogne "bescheuert".
Und so ruft Anne Soupa nochmals alle auf:
"Diözese Créteil, Diözese Nantes, Diözese Saint-Claude, Diözese Lisieux, das sind schon vier unbesetzte Bischofsposten – was hält uns davon ab, eine Liste mit Namensvorschlägen abzugeben? Man wird uns nicht dafür exkommunizieren. Zum Schluss nochmal: Wenn Sie denken, dass Sie einen bestimmten Job in der Kirche gut machen würden, fragen Sie sich doch lieber, warum Sie ihn dann nicht machen."
Am Ende des Vortrags wendet sich die Studentin Gabriele Fidelin an Anne Soupa. Nach den Missbrauchsfällen und den Demos gegen die Ehe für alle habe sie sich von der Kirche abgewandt. Und doch hat sie heute noch einmal die Kirche betreten.
"Ich bin heute gekommen, weil ich die Unterstützungserklärung für Ihre Kandidatur unterzeichnet habe", sagt Gabriele Fidelin. "Das Thema treibt mich immer noch um, ganz kann ich mich nicht davon lösen. Ich bin hin- und hergerissen: Will ich diese Institution niederbrennen oder verändern.

In Deutschland wird über Leitungsämter für Frauen gesprochen

Anne Soupa ist müde von der Reise, vom Vortrag, vom Trubel der vergangenen Wochen. Auf ein Interview hat sie sichtlich keine Lust mehr. Kurz erzählt sie noch, dass sie die pompöse Kathedrale Notre Dame de Fourvière, die über der Stadt thront, ziemlich hässlich findet. Und dann hat sie doch noch ein gutes Wort für jemanden aus der katholischen Kirche:
"Kurz nach meiner Bewerbung hat der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz sich zum Thema Frauen in der Kirche geäußert und gesagt, dass man die Frage nach der Rolle der Frauen in Führungspositionen angehen müsse. Er hat mir besser geantwortet als die Franzosen."
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