Katholiken wollen keinen Wettlauf um Schlagzeilen mit der EKD

Alois Glück im Gespräch mit Gabi Wutke |
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, hat sich gegen den Vorwurf verwehrt, die katholische Kirche schweige zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Klar sei, dass die dortige Aufbauarbeit derzeit nicht ohne militärischen Schutz möglich sei, sagte Glück (CSU).
Gabi Wuttke: Nichts ist gut in Afghanistan. Ob das so ist, davon wird sich Margot Käßmann, die Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, ein Bild machen können, wenn sie denn die Einladung des Bundesverteidigungsministers annimmt. Wie immer man zur Haltung der EKD-Chefin auch steht, sie hat die Diskussion über den Einsatz auch der Bundeswehr in Afghanistan geöffnet, während die katholische Kirche weiter zum Thema schweigt. – Von Alois Glück, dem Präsidenten des Zentralkomitees der Katholiken, das mehr als 25 Millionen Gläubige in Deutschland vertritt, wollte ich wissen, ob sich das ZDK eine klare Stellungnahme der Bischofskonferenz zu diesem Thema wünscht.

Alois Glück: Ich denke, dass die Position der katholischen Kirche nicht weniger klar ist und unsere wie die der Evangelischen Kirche. Im Übrigen hat Frau Käßmann deutlich gemacht, was auch jetzt auch für die Politik nicht mehr neu ist, dass es in Afghanistan mit nur rein militärischen Mitteln keine gute Entwicklung geben wird und dass sich das weiterentwickeln muss. Aber das Dümmste wäre jetzt, wenn gewissermaßen die Kirchen einen Wettlauf beginnen würden, wer hat jetzt am meisten Schlagzeilen zu einem bestimmten Sachverhalt. Im Übrigen ist zum Beispiel der Militärbischof, der katholische – ich vermute auch der evangelische, weiß ich nicht -, aber der katholische Militärbischof Mixa ist in Afghanistan gewesen, meines Wissens wiederholt, und auch andere. Also es geht jetzt nicht um etwas Spektakuläres; es geht um wichtige Fragen der Friedensethik, was übrigens beim ökumenischen Kirchentag im Mai in München sicher auch ein Thema sein wird, denn wir haben es nicht mehr mit dem klassischen Kriegsmuster zu tun, sondern mit einer anderen Art von Konflikten.

Wuttke: Spektakulär muss ja nicht negativ gemeint sein. Die Position von Margot Käßmann hat die Diskussion weiter in die Öffentlichkeit getragen und man kann sich deshalb natürlich die Frage stellen, warum die katholische Kirche schweigt. Vielmehr wo ist ihre klare Stellungnahme, von der Sie gerade gesprochen haben?

Glück: Es ist nicht zutreffend, dass die katholische Kirche schweigt. Sie hat sich wiederholt, Vertreter der katholischen Kirche, zu dieser Thematik in Afghanistan geäußert, auch in den letzten Tagen, als diese Debatte wiederum aktueller geworden ist durch die Interpretationen, was Frau Käßmann gesagt hätte oder nicht gesagt hat. Gut finde ich, wie der Bundesverteidigungsminister darauf reagiert hat, dass damit der ernsthafte Dialog geführt wird über den gesamten Komplex. Es geht ja letztlich um die Frage einer Abzugsperspektive, es geht letztlich um – das ist schon lange unsere Position – die richtige Verbindung von Aufbauarbeit und Militär. Aber ohne militärischen Schutz wird die Aufbauarbeit nicht möglich sein.

Wuttke: Aber so klar, Herr Glück, scheint die Stellungnahme nicht zu sein, denn Sie haben gerade eben schon selbst auf Walter Mixa verwiesen, den katholischen Militärbischof. Er hat justament am Tag, als die EKD-Vorsitzende ihre Predigt in Dresden hielt, gesagt, die Frage, ob der Einsatz in Afghanistan, der Bundeswehreinsatz in Afghanistan seine Berechtigung habe, sei ihrerseits berechtigt. Das heißt, diese Frage ist für die katholische Kirche doch offen, oder?

Glück: Ich darf einmal darauf hinweisen, dass es innerhalb der evangelischen Kirche auch in den Äußerungen auf Frau Käßmann oder im Rahmen dieser Debatte, die da ausgelöst wurde, ja unterschiedliche Akzente gibt, auch von Bischöfen vonseiten der evangelischen Kirche, und es wird wahrscheinlich innerhalb der Kirchen dabei durchaus differenzierte Beurteilungen geben. Aber letztlich geht es ja nicht darum, dass es hier eine Schwarz-Weiß-Antwort geben könnte. Ich denke, dass auch Frau Käßmann nicht für einen sofortigen Abzug ist. Sie hat das jedenfalls so nie gesagt. Deswegen wäre das Falscheste überhaupt, jetzt da irgendeine Prestigedebatte zu führen, wer hat wie viele Schlagzeilen. Genau so führen Sie nämlich momentan dieses Interview: Wer hat eigentlich momentan die meiste Presse. Da kommt halt dazu, dass alles, was differenziert ist, weniger wahrgenommen wird.

Wuttke: Das möchte ich jetzt mal von mir weisen, denn die Frage ist ja, wenn Sie sagen, ich hacke jetzt darauf herum, dass die katholische Kirche schweigt, was sie gar nicht täte, dann interessiert uns natürlich Ihre Stimme und auch Ihre Stimme als Präsident der Laienorganisation der katholischen Kirche in Deutschland, und das hat gar nicht mit einem Prestigethema zu tun, sondern mit einem Thema, das die Menschen in Deutschland bewegt und wo 70 Prozent der Deutschen sagen, wir möchten nicht weiter die Bundeswehr in Afghanistan sehen.

Glück: Ich wüsste nicht, wo unsere Position unklar ist, wie die von der Frau Käßmann. Im Übrigen müsste ich jetzt fragen, was ist genau die Position von der Frau Käßmann nach Ihrer Einschätzung. Klar ist, dass Aufbauarbeit in Afghanistan das Thema ist. Klar ist für uns auch, dass es derzeit ohne militärischen Schutz nicht geht. Ebenso klar ist, dass es offensichtlich Veränderungen in Afghanistan, zumindest in Teilen des Landes braucht, in der Entwicklung und in der Zusammenarbeit zwischen Militär und Entwicklungspolitik, und das wird auch das Thema der Politik sein und auch weiterer Diskussionen sein, wie das am besten möglich ist. In dem Zusammenhang muss die Politik entscheiden, nicht die Kirchen, wie und mit welcher Perspektive die Entwicklung der nächsten Jahre sein kann, welches Ausstiegsszenario insgesamt politisch entschieden wird und in welchem Zeitraum man dieses anstrebt. Ich sehe jedenfalls niemanden in der katholischen Kirche, der sagt, jetzt sofort raus aus Afghanistan.

Wuttke: Das heißt, ich darf Sie so zusammenfassen: die letztliche Entscheidung liegt bei der Politik, da hat sich die Kirche nicht einzumischen, und die EKD-Vorsitzende ist Ihnen zu undifferenziert?

Glück: Nein! Die Bewertung nehme ich überhaupt nicht, dass sie mir zu undifferenziert ist. Ich denke gar nicht daran, dies zu bewerten. Aber klar ist auch, die Entscheidung hat die Politik zu treffen. Aufgabe der Kirchen ist es, ethische Maßstäbe zu formulieren, aber die Kirchen können auch nicht und auch nicht wir als Laienorganisationen die Verantwortung der Politik für die gesamte Entwicklung und für die notwendigen Entscheidungen treffen.

Wuttke: Das Thema Bundeswehr in Afghanistan, dazu Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken. Herr Glück, ich danke Ihnen sehr, dass Sie sich Zeit genommen haben. Bis zum nächsten Mal.

Glück: Bitte.


Links auf dradio.de:
Bischof Overbeck rät Bischöfin Käßmann zu weniger Zuspitzung (Deutschlandfunk)

Links zum Thema:
Homepage Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)

Predigt der EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann im Neujahrsgottesdienst in der Frauenkirche Dresden
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