Katharina Zweig: "Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl"

Wie der Mensch bessere Maschinen bauen kann

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Buchcover "Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl" von Katharina Zweig.
Katharina Zweig zeigt in ihrem Buch, wo die Grenzen der künstlichen Intelligenz liegen. © Heyne
Von Vera Linß · 11.10.2019
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Jeder benutzt sie, aber kaum einer weiß, wie sie funktionieren: Algorithmen bestimmen immer mehr unser Leben. Autorin Katharina Zweig erklärt sie leicht verständlich und fordert auf, sich in die Entwicklung künstlicher Intelligenz einzumischen.
Wenn es um Algorithmen oder künstliche Intelligenz geht, fühlen sich die meisten Menschen schlicht inkompetent. Zwar nutzen alle Navis, Suchmaschinen oder Empfehlungsapps. Aber was hinter den bunten Oberflächen abläuft? Das zu durchschauen, trauen sich nur wenige zu. Mit dem Buch von Katharina Zweig könnte sich das ändern. Die Informatikprofessorin von der Technischen Universität Kaiserslautern hält es für "fundamental wichtig", dass jeder die Maschinerie hinter der künstlichen Intelligenz versteht. Mehr noch: Sie traut es auch jedem zu! Deshalb hat sie aufgeschrieben, wie Algorithmen funktionieren – und will damit jeden ermächtigen, sich einzumischen. Und das gelingt ihr auch brillant.
Wie schon bei den zahlreichen Vorträgen, mit denen Katharina Zweig seit Jahren durchs Land reist, ist es auch hier ihre frische, unvoreingenommene Art, die einfach Lust macht, sich auf das Thema einzulassen. Denn theoretisch und mathematisch wird es durchaus. Etwa beim "kleinen ABC der Informatik", in dem sie Begriffe wie Algorithmus, Modellierung oder Operationalisierung erklärt. Für alle findet sie einfache, verständliche Übersetzungen. Oder wenn sie wichtige Verfahren – den Kürzeste-Wege- und den Sortieralgorithmus – auseinandernimmt. Auf letzterem basieren auch Empfehlungssysteme, die jeder von Netflix oder Amazon kennt.

Nur wenig technisches Grundwissen nötig

Katharina Zweig beherrscht dabei die Kunst, nur so technisch wie nötig zu schreiben, um dann schnellstmöglich den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Denn schon für diese einfachen Algorithmen, die optimale Lösungen errechnen, ohne "intelligent" zu sein, zeigt sie: Der Mensch ist es, der entscheidet, nach welchen Prinzipien die Programme gemacht und vor allem: wie deren Ergebnisse interpretiert werden. Und das wirkt leichter, als man denkt. Dieses Credo zieht sich durch das gesamte Buch: Es bedürfe glücklicherweise nur wenig technischen Grundwissens, um mitreden zu können.
Sich einzumischen, hält die Informatikerin besonders da für wichtig, wo Maschinen "lernen", also künstliche Intelligenzen eingesetzt werden. Diese würden nicht einfach nur Ergebnisse errechnen, sondern Korrelationen zwischen Daten "erkennen" und daraus Interpretationen erstellen. Wie schnell es dabei zu Fehlurteilen kommen kann, zeigt Katharina Zweig an einigen Beispielen, etwa an der Software COMPAS, die berechnet, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Straftäter rückfällig wird. Tests in den USA hätten ergeben, dass, wo es um schwere Gewalttaten ging, die Fehlerquote bei 75 Prozent lag.
Um solcherart Missbrauch zu verhindern, fordert die Informatikerin die Regulierung von Algorithmen. Dafür hat sie eine schlüssige und leicht anwendbare "Risikomatrix" geschaffen, mit der sie sich überzeugend von gängigen Forderungen nach einem generellen Algorithmen-TÜV abgrenzt. Denn vor allem dort sei eine strenge Überprüfung angebracht, wo es um die Bewertung von Menschen gehe, die zu einer Schlechterstellung führen könne. Ihr Buch ist die beste Hilfestellung dafür, hier zu klugen und kompetenten Entscheidungen zu kommen.

Katharina Zweig: "Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl. Wo Künstliche Intelligenz sich irrt, warum uns das betrifft und was wir dagegen tun können"
Heyne Verlag, München 2019
320 Seiten, 20 Euro

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