Katastrophenfall Bioterrorismus

Jörg Hacker im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 07.04.2009
Jörg Hacker, Direktor des Robert-Koch-Instituts, sieht Deutschland für den Fall bioterroristischer Angriffe gewappnet. Erreger wie Pest oder Milzbrand seien in wenigen Stunden nachweisbar. Zugleich forderte Hacker, Ärzte und Klinikpersonal in Bezug auf diese Erreger besser zu schulen. Am 7. April wird international der Weltgesundheitstag begangen.
Liane von Billerbeck: Nicht alle Gefahren können gebannt werden, nicht jeder Anschlag verhindert das Risiko eines Terroraktes, wird in unserem Alltag immer gegenwärtig sein. Was zu tun ist, wenn es sich um einen bioterroristischen Anschlag handelt, also um einen zum Beispiel mit Pestbakterien oder Pockenviren, darüber diskutieren heute am Weltgesundheitstag Fachleute in Berlin. Als eine Maßnahme zur Vorbeugung, Erkennung und Schadensbegrenzung von Krankheitsausbrüchen, besonders auch nach bioterroristischen Anschlägen, wurde 2002 das Zentrum für biologische Sicherheit am Robert-Koch-Institut errichtet. Prof. Dr. Jörg Hacker ist Leiter des Robert-Koch-Instituts, studierter Bakteriologe und als solcher hält er heute einen Vortrag über bioterroristische Gefahren. Jetzt begrüße ich ihn aber bei uns im "Radiofeuilleton". Schönen guten Tag!

Jörg Hacker: Guten Tag!

von Billerbeck: Welche Erreger kommen denn als potenzielle Biowaffen infrage?

Hacker: Es sind vor allen Dingen hoch pathogene Mikroorganismen, die also großen Schaden anrichten können. Die Pestbakterien hatten Sie schon genannt, Anthrax ist ein Thema.

von Billerbeck: Milzbrand.

Hacker: Sie wissen, dass 2001 diese Milzbrand-Briefe in Amerika aufgetaucht sind. Dann sind es bestimmte Viren, Pocken hatten Sie schon genannt, Ebolaviren, aber auch Giftstoffe, Toxine, die freigesetzt werden können von Mikroorganismen. Also ein zwar beschränktes, aber dann doch sehr diverses Spektrum an Organismen.

von Billerbeck: Wenn wir uns so ein Szenario mal vorstellen, also plötzlich erkranken Zehntausende an einer mysteriösen Krankheit, dann muss sehr schnell etwas geschehen. Wie schnell können denn diese Erreger identifiziert werden? Wie macht man das heutzutage?

Hacker: Wir versuchen, verschiedene Techniken vorzuhalten, das muss man einfach machen. Man kann die Erbsubstanz analysieren, das geht in der Regel sehr schnell, und wir versuchen, diese Techniken immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu halten am Zentrum für biologische Sicherheit.

von Billerbeck: Was ist sehr schnell?

Hacker: Das sind wenige Stunden. In wenigen Stunden kann man kann man das machen. Aber man muss das absichern durch zusätzliche Techniken, durch Elektronenmikroskopie beispielsweise und andere mikroskopische Verfahren. Auch das geht in Minuten bzw. wenigen Stunden. Und dann gibt es darüber hinaus spezifische Techniken, die man auch einsetzt. Man muss ja auch genau wissen, ob dann ein bestimmter Erreger freigesetzt worden ist oder ob es sich um einen Artefakt handelt.

von Billerbeck: Gibt es eigentlich Erreger, die sich besonders schwer nachweisen lassen, und wie reagiert man darauf, wenn da plötzlich Stoffe da sind, die man gar nicht kennt?

Hacker: Na ja, das ist das Problem. Bei der SARS-Epidemie ist das ja vorgekommen, dass mit mal ein Geschehen 2003 zu beobachten war und man erkannte erst nach einigen Wochen den Erreger. Das müssen wir auch mit ins Kalkül ziehen. Die Erreger, von denen wir ausgehen, dass sie freigesetzt werden könnten, beispielsweise Pest oder Anthrax, Milzbrand, die würden wir sehr schnell erkennen. Das Problem ist in der Tat nicht bekannte Erreger. Und man muss hier noch hinzufügen, dass es ja nicht nur bioterroristische Angriffe sind, sondern dass auch natürliche Infektionen auftreten können mit neuen Erregern. SARS ist ein sehr gutes Beispiel. Also diese beiden Szenarien müssen wir immer zusammen im Auge haben.

von Billerbeck: Haben Sie da in den letzten Monaten auch neue Erkenntnisse, über die Sie heute möglicherweise in dem Vortrag berichten am Robert-Koch-Institut?

Hacker: Na ja, was wir versuchen, ist immer, die Methoden up do date zu halten. Und es ist ja jetzt so, durch den Fortschritt der Wissenschaft, dass wir die Erbsubstanz der Mikroorganismen sehr genau analysieren können. Und aus dieser Erbsubstanz heraus können wir dann bestimmte Marker, bestimmte Eigenschaften voraussagen. Und die nutzen wir sehr gezielt, um eine schnelle Diagnostik machen zu können. Darüber werde ich auch berichten heute.

von Billerbeck: Im Deutschlandradio Kultur geht es um den Katastrophenfall Bioterrorismus, Thema heute auch am Weltgesundheitstag und täglich für den Leiter des Robert-Koch-Instituts, Jörg Hacker. Pest und Pocken, die haben wir schon erwähnt, das sind ja sehr alte Seuchen. Können damit moderne Ärzte eigentlich noch umgehen?

Hacker: Ein Problem oder ein Thema ist natürlich, dass wir das medizinische Personal – Ärzte, aber auch Pflegepersonal und Naturwissenschaftler – immer wieder mit diesen Kenntnissen konfrontieren müssen. Es ist in der Tat so, ein junger Arzt wird Pocken nicht gesehen haben, weil die Pocken ausgerottet sind. Trotzdem muss man ins Kalkül ziehen, dass beispielsweise ein Ausbruch oder ein Anschlag vorkommen kann. Hier muss man immer wieder auch das Personal entsprechend mit diesen Kenntnissen versuchen zu konfrontieren. Bei der Pest ist es anders. Pest ist ja auch eine natürlich vorkommende Seuche. In Nordamerika kommt sie vor, auch in Afrika. Es gibt von der Weltgesundheitsorganisation ein Labor in Paris, das sich dieser Pestfälle annimmt. Da kann man hingehen und man kann natürlich auch ins Feld gehen und dort direkt Pestfälle auch sehen. Es sind mehrere tausend Fälle, die im Jahr natürlicherweise vorkommen.

von Billerbeck: Ich gehe davon aus, dass dann auch die Fortbildung der Ärzte angepasst werden muss. Ich habe irgendwo gelesen, dass man mal getestet hat, ob Ärzte, die in der Ausbildung, in der Praxis sind, solche alten Seuchen überhaupt noch erkennen, und da waren die Ergebnisse sehr ernüchternd. Die Mehrzahl der Ärzte erkannte sie nicht und hat dann auch falsch behandelt. Was wird da in der Fortbildung getan?

Hacker: Na ja, wir haben ein Curriculum, das wir Ärzten, aber auch anderem Fachpersonal offerieren können. Und es gibt Kurse, beispielsweise am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, wo man mehrere Wochen bzw. Monate sich dann mit diesen Keimen beschäftigen kann. Es sind ja sehr häufig Keime, die vorkommen, natürlicherweise vorkommen wie Pest, aber auch andere, wenn wir an Malaria denken, es könnte hier eine Rolle spielen, Cholera. Also alle diese Keime muss man einmal gesehen haben und müsste auch im Grunde die klinische Symptomatik kennen. Hier ist in der Tat sehr viel auch zu tun, um das Personal entsprechend zu schulen.

von Billerbeck: Nun gibt's ja Katastrophenübungen in allen möglichen Bereichen, auch im Fall von Bioterror, damit alle Stellen, die da irgendwie mit zu tun haben, lernen zusammenzuarbeiten. Da ist natürlich interessant, wer hat eigentlich in einem so föderal organisierten Land wie der Bundesrepublik den Hut auf?

Hacker: Ja, in der Regel ist es so, dass die Länder hier verantwortlich sind. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu den Behörden in den Ländern. Der Bund ist in der Regel beratend hier tätig und das Robert-Koch-Institut ist eine Institution des Bundes, und gerade das muss man immer wieder üben und muss zusammenwirken. Und dann ist es so, dass durch die internationalen Gesundheitsvorschriften das Ganze natürlich auch eine internationale Dimension hat. Das heißt also, wenn ein Geschehen national auftritt, ob es in Deutschland wäre oder in anderen Ländern, dann muss das international kommuniziert werden, damit andere Länder auch entsprechende Vorsorge treffen können. Und gerade diese Übungen, von denen Sie sprechen, sind so angelegt, dass das Zusammenwirken dieser unterschiedlichen Institutionen dann trainiert wird.

von Billerbeck: Aber wenn so ein Fall, sagen wir in irgendeinem Landkreis, auftritt, dann entscheidet der Amtsarzt, und der …

Hacker: Na ja, im Prinzip schon, aber es ist in der Regel dann so, dass wir sehr schnell informiert werden – das ist auch bei natürlichen kleineren Ausbrüchen so –, und dass es dann zu Konsultationen, zu Diskussionen kommt.

von Billerbeck: Wenn man wie Sie täglich mit dem Thema beschäftigt ist, hinterlässt das Spuren, fühlt man sich da eher gefährdet, eher gut vorbereitet und geschützt? Wie ist da Ihr Gefühl?

Hacker: Ach, mein eigenes Gefühl ist so, dass man immer daran denken muss, dass so etwas passieren kann. Aber ich denke, dass wir recht gut aufgestellt sind, um mit solchen Geschehnissen umgehen zu können. Es ist nicht so, dass ich mich täglich persönlich gefährdet fühle, aber man hat schon immer im Hinterkopf so eine Situation.

von Billerbeck: Über die Sicherheitslage in Deutschland im Fall von Bioterror sprach ich mit Jörg Hacker, Bakteriologe und Leiter des Robert-Koch-Instituts. Vielen Dank für Ihr Kommen!

Hacker: Danke schön!