Karneval multireligiös

Jüdische Jecken und muslimische Narren

07:27 Minuten
Aaron Knappstein (r), Präsident des jüdischen Karneval Vereins Kölsche Kippa Köpp e.V., steht vor dem Besuch einer Sitzung mit Mitgliedern im Foyer in einer Halle.
Mitglieder der "Kölsche Kippa Köpp" - einem jüdischen Karnevalsverein © picture alliance/ dpa / Oliver Berg
Von Michael Hollenbach · 03.03.2019
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Karneval gilt ja eigentlich als katholisch: Vor der Fastenzeit nochmal feste feiern. Doch mittlerweile begeistern sich nicht nur Christen für Helau und Alaaf, sondern auch Juden und Muslime. Es zeigt sich: Karneval ist was für alle Religionen.
"Zunächst einmal ist zu sagen: Ich bin ein waschechtes Määnzerweib und Fassnacht gehört dazu."
Sagt die islamische Religionspädagogin Tuba Isik. Schon als Kind war sie mit der ganzen Familie jedes Jahr beim Mainzer Rosenmontagszug.
"Wir waren immer verkleidet und das gehörte eben zur lokalen Kultur dazu. Uns hat das immer sehr viel Spaß gemacht und ich mag Fassnacht."

Gottesabbilder sind kein Problem

Tuba Isik hat auch keine Probleme damit, wenn religiöse Themen im Karneval aufgegriffen werden.
"Nehmen wir einfach mal an, dass auf einem Fassnachtumzug Gott gestalterisch oder literarisch in irgendeiner Form abgebildet wird, und ich das lustig finde, dann lache ich darüber."
Und wenn statt Kölle Alaaf Kölle Allah gerufen würde?
"Deo semper maior, Gott ist immer größer, wie man sich ihn denkt. Das, was man dann als Gott da abbildet oder Gott durch den Kakao ziehen mag, wenn ich das eben lustig finde, dann lache ich darüber. Ich sehe da eher den Kontext Fassnacht."

Der Prophet muss ausgespart bleiben

Allerdings: Beim Propheten Mohammed hört auch für Tuba Isik der Spaß auf.
"Eigentlich geht es ja auch im Fassnacht darum, alles, was heilig und wichtig ist, durch den Kakao zu ziehen. Aber bei dem Propheten Mohammed ist eigentlich eine Grenze erreicht für sehr viele Muslime, weil das sozusagen ein undiskutabler Punkt ist, an dem Muslime sehr empfindlich sind."
Eigentlich hat der Karne Vale – zu Deutsch "Fleisch, lebe wohl" – vor allem etwas mit dem Christentum zu tun: mit der Zeit vor den ‚sieben Wochen ohne‘ von Aschermittwoch bis Ostern.
"Das hat den einen Grund, dass die Fastenzeit die Fastnacht macht, nicht die Fastnacht die Fastenzeit. Das heißt, weil gefastet wird, darf man auch Karneval feiern. Das ist der katholische Hintergrund."
Sagt der katholische Publizist Manfred Becker-Huberti. Doch mittlerweile ist die christliche Einbindung des Faschings in den Hintergrund getreten:
"Karneval ist ein Kulturgut geworden, an dem viele teilnehmen, und da muss man nicht vorher die Taufe vorweisen."

Fasten und Feiern gehören zusammen - auch im Islam

Dass Feiern und Fasten zusammengehören, das weiß auch Isik Tuba aus ihrer eigenen Religion. Denn im Ramadan herrscht abends beim Fasten-Brechen oft eine ausgelassene Stimmung:
Tuba Isik: "Das passiert natürlich sehr oft insbesondere, weil man ja Fasten-Brechen immer eigentlich in Gemeinschaft vollziehen soll. Da werden dann natürlich ganz viele Menschen eingeladen, und man möchte natürlich schön lecker miteinander essen. Und da wird manchmal natürlich über die Stränge geschlagen."
Tuba Isik von der Universität Paderborn, aufgenommen am 27.09.2016 in Berlin beim Festakt "10 Jahre Deutsche Islam Konferenz"
Tuba Isik, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Islamische Theologie an der Universität Paderborn© picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Viele Muslime sind mittlerweile auch im Karneval angekommen – vor allem in den Karnevalshochburgen wie Düsseldorf. Dort wird morgen, am Rosenmontag, zum ersten Mal ein multireligiöser "Toleranzwagen" durch die Straßen ziehen. Dalinc Dereköy ist Vorsitzender des Kreises der Düsseldorfer Muslime.
"Überwiegend sehen natürlich viele das positive Signal, dass man da zusammen steht - auch gegen Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ein Zeichen setzt und auch nochmal ein Zeichen setzt, dass Juden und Muslime hier in Deutschland miteinander können, also zumindest in Düsseldorf, dass man sich wechselseitig respektiert und auch wechselseitig unterstützt."

Imam, Rabbiner und Pastor mit roter Nase

Die Idee zu dem multireligiösen Karnevalswagen stammt von Michael Szentei-Heise, dem Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde Düsseldorf.
"Wir sehen im Augenblick einen stark anwachsenden Antisemitismus in Deutschland, in Europa. Wir sehen eine Islamophobie auf der anderen Seite ebenfalls. Im Prinzip sind alle vier, also evangelische Kirche, katholische Kirche, Muslime und die Juden, sind wir uns einig, dass wir mit diesen Wagen eigentlich politisch ein Statement abgeben wollen, dass diese Anti-Ismen eigentlich etwas sehr Negatives sind und dass die Gesellschaft eigentlich nicht dafür stehen soll. Das ist das politische Signal dieses Wagens."
Auf dem Wagen zu sehen sind lachende Geistliche der vier Religionsgemeinschaften als Pappfiguren – alle mit einer roten Nase.

Jüdischer Karneval - den Nazis zum Trotz

Und im benachbarten Köln lädt in dieser Session ein jüdischer Karnevalsverein zu seiner ersten Sitzung ein: die "Kölsche Kippa Köpp".
Michael Szentei-Heise erinnert daran, dass es vor rund 100 Jahren schon einmal einen jüdischen Karnevalsverein gab:
"1922 hat sich in Köln eine jüdische Karnevalsgesellschaft gegründet. Bereits 1923 hat das Kölner Karnevals-Komitee die Teilnahme von Juden am Kölner Karneval verboten - also 10 Jahre vor den Nazis. Und wenn man dann die Karnevalsumzüge während der Nazizeit sich anschaut, wie man dort mit der jüdischen Bevölkerung umgegangen ist, es ist eine sehr diskriminierende und katastrophale Darstellung gewesen. Und deswegen gab es nach dem Krieg nicht besonders große Bestrebungen jüdischerseits am Karneval teilzunehmen."

Große Begeisterung, wenige Skeptiker

Doch im vergangenen Jahr hat sich die jüdische Gemeinde Düsseldorf entschlossen, den größten jüdischen Sohn Düsseldorfs, Heinrich Heine, mit einem Karnevalswagen zu feiern:
"Es war einfach großartig, Unterstützung von allen Seiten: Über unserem Umgang mit dem Karnevalzug. Dass wir nicht immer nur Düsseldorf helau, sondern Düsseldorf Schalom geschrien haben, da hat man sich ein bisschen die Nase gerümpft."
Ein "Halal Helau" könnte Metin Aslan vom Wagen rufen. In der norddeutschen Karnevalshochburg Braunschweig fährt seit vier Jahren ein muslimischer Wagen mit:
"Ein, zwei Leute haben gesagt, ja warum sind bei euch im Wagen Bauchtänzerinnen? Ich habe gesagt, das ist eine Kultur vom Orient. Zuhause und bei Festen seht ihr das alle gerne, aber warum nicht so was in der Öffentlichkeit zeigen?"

Karneval als Integrationshelfer

Für den Braunschweiger ist es selbstverständlich, dass Muslime am Karneval teilnehmen:
Metin Aslan: "Wenn man in einem Land, wenn man die Kultur akzeptiert, wenn man auch hier lebt in der Gesellschaft, man muss auch einiges mitmachen. Wenn man nur zuhause sitzt vor dem Fernseher, das bringt nichts mit der Integration."
Schon heute Nachmittag zieht der "Schoduvel", der Karnevalszug durch Braunschweig. Und mitten drin hoch auf dem muslimischen Wagen Metin Aslan mit Halal-Kamelle.
"In Straßen, wenn wir süße Sachen runter schmeißen, sehen wir tausende Migranten mit ausländischem Hintergrund, tausende, und die sammeln alles und die feiern auch."
Bleibt noch die Frage nach dem Alkohol. Denn der fließt im Karneval bekanntermaßen reichlich – ist aber Muslimen eigentlich verboten. Die islamische Religionspädagogin Tuba Isik sieht das gelassen:
"Es gibt Muslime, die da sehr sensibel sind und die grundsätzlich Orte vermeiden, an denen Alkohol getrunken wird. Es gibt aber auch Muslime, die andere religiöse Sensibilitäten und Empfindlichkeiten haben, die damit ganz anders umgehen. Solange ich nicht genötigt werde, Alkohol trinken zu müssen, gehe ich auf so eine Veranstaltung. Es geht mir um die Fastnacht."
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