Friedenspreis für Karl Schlögel

Ein profunder Kritiker Putins

Ein Porträt von Karl Schlögel. Er sitzt in weißem Hemd und hellblauem Sakko vor einer grauen Wand und schaut in die Kamera.
Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel ist der diesjährige Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels © Peter Andreas Hassiepen
Als einer der Ersten warnte Karl Schlögel vor der aggressiven Expansionspolitik Putins. Nun erhält der Historiker und Osteuropaexperte den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2025.
Für sein Gesamtwerk hat Historiker und Osteuropaexperte Karl Schlögel den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2025 erhalten. „Wir zeichnen ihn vor allem aus, weil er ein Essayist ist, ein historischer Denker, der das Persönliche in sein Werk eingebracht hat“, begründet Jurymitglied Jagoda Marinić die Entscheidung. „Wir zeichnen ihn auch aus, weil er als Wissenschaftler gleichzeitig Flaneur ist. Wir beschreiben ihn als einen Archäologen der Moderne und zeichnen mit diesem Preis dieses Jahr sein Gesamtwerk aus.“

"Maßstäbe für lebendige Geschichtsschreibung" gesetzt

Als einer der Ersten habe der Osteuropa-Kenner vor der aggressiven Expansionspolitik Wladimir Putins gewarnt, so die Jury: „Seine Mahnung an uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben.“ In seinem Werk stellt er sich klar gegen Putins Geschichtsbilder und setzt sich für die Unabhängigkeit der Ukraine ein.
Mit Büchern wie „Terror und Traum“ (2008) oder „Das sowjetische Jahrhundert“ (2017) habe er „Maßstäbe für eine anschauliche, lebendige Geschichtsschreibung gesetzt“, so Börsenvereins-Vorsteherin und Stiftungsrat-Vorsitzende Karin Schmidt-Friderichs.

Aus dem Allgäu in die USA

Karl Schlögel wird 1948 in Hawangen im Allgäu geboren, als zweites von sechs Kindern. Seine Eltern sind Landwirte. Er schätzt die Gegend, „obwohl ich damals fliehen wollte, als ich dann Abitur gemacht habe“, sagt Schlögel. In die andere Richtung, ans Meer, in die Weite und in die Städte. Schon als Jugendlicher interessiert er sich für Osteuropa. In der Schule lernt er Russisch und reist mit 18 im Jahr 1966 das erste Mal in die Sowjetunion, nach Moskau. 1968 erlebt Schlögel den Prager Frühling persönlich – eine prägende Erfahrung.
Mit 19 Jahren ist Schlögel das erste Mal in den USA, „wo man im offenen Wagen über die Highways fuhr und alles sehr gut aussah“, wie er erzählt. Nach dem Abitur studiert er in Berlin osteuropäische Geschichte, Philosophie, Soziologie und Slawistik. „Es war die Erfahrung, dass man anfing, eine Sprache zu finden für Dinge, über die man nicht gesprochen hatte“, sagt er über diese Zeit. Nach dem Ende der Studentenbewegung ist Schlögel in der KPD aktiv. 1981 promoviert er an der FU mit einer Dissertation über Arbeiterkonflikte in der Sowjetunion.

Städte als Texte lesen

Aufenthalte in Moskau und Leningrad in den 80er-Jahren prägen seine Forschung. Eine Besonderheit seines Schaffens: Oft baut Schlögel eigene Erfahrungen in seine Texte ein.
„Ich habe begriffen, dass man Städte als Texte lesen kann, dass man eine Archäologie treiben kann, Schichten der Zeit freilegen kann und dieses Herumgehen in Moskau, ein sehr intensives Wandern oder Flanieren, wenn Sie so wollen, nach Franz Hessel und Walter Benjamin“, sagt er. „Dieses Lesen der Städte, das wurde für mich sozusagen ein Zugang, um Geschichte zu erschließen.“
Später richtet er seinen Fokus auf ganz Ostmitteleuropa. Der Essayband "Promenade in Jalta und andere Städtebilder" erscheint 2001. Von 1990 und 2013 lehrt Schlögel an den Universitäten in Konstanz und Frankfurt (Oder), wo er den Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte mit aufbaut.

Vielfach ausgezeichneter Autor

2014 reist er nach der Besetzung der Krim in die Ukraine. Weitere bekannte Bücher entstehen: „Der Duft der Imperien“ (2020), „American Matrix“ (2023) oder „Terror und Traum". 
Für seine Arbeit wurde Schlögel vielfach geehrt, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung und dem Preis der Leipziger Buchmesse.

Friedenspreis wird seit 1950 vergeben

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Geehrt werden Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben. Die Auszeichnung wird traditionell am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse in der Frankfurter Paulskirche verliehen – in diesem Jahr am 19. Oktober. Im vergangenen Jahr wurde die Schriftstellerin Anne Applebaum geehrt.

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