Ein Kämpfer für die Abschaffung der Sklaverei
Aus dem hessischen Burschenschaftler Karl Follen wurde der Harvard-Professor Charles Follen. Und aus dem oppositionellen Studenten ein engagierter Kämpfer gegen die Sklaverei. Am 13. Januar 1840, vor 175 Jahren, starb Karl Follen.
"Im Herzen Muth, Trotz unterm Huth, am Schwerte Bluth, macht alles Gut."
So lautete der Wahlspruch einer Studentenverbindung: der Giessener Schwarzen, sogenannt wegen ihrer Kleidung. Gegen die restaurative Politik der europäischen Monarchien nach dem Wiener Kongress 1815 traten sie schwärmerisch für das Ideal eines freien und geeinten deutschen Nationalstaats ein. Führender Kopf der Vereinigung war der Theologie- und Jurastudent Karl Follen: ein radikaler Burschenschaftler, der als Opfer der sogenannten Demagogenverfolgung Deutschland verlassen musste und 1824 nach Amerika floh.
1814, mit gerade einmal 18 Jahren, hatte sich der Student Karl Follen gemeinsam mit seinen Brüdern zu einer Schar Freiwilliger gemeldet, die am Feldzug gegen Napoléon teilnehmen wollten. An der hessischen Universität Gießen eiferten Follen und seine Kommilitonen dem nationalistischen Turnvater Jahn nach, lasen mit Begeisterung Schiller, Fichte und die Lyriksammlung "Leier und Schwert" des antinapoleonischen Kämpfers Theodor Körner.
Freiheit, Ehre, Vaterland - um diese Begriffe kreiste in den Universitätsstädten das Denken fortschrittlicher Geister, die enttäuscht waren, dass nach dem Sieg über die napoleonische Fremdherrschaft in den deutschen Staaten nicht liberale Verfassungen gegeben wurden, sondern die alten Fürsten autokratisch weiterregierten. 1818, nach der Promotion zum Doktor der Rechte, setzte der begabte Redner Karl Follen sich für Gemeinden ein, denen die großherzoglich-hessische Landesregierung drückende Abgaben auferlegte. Eine Karriere an der Gießener Universität war danach nicht mehr möglich. Follen ging an die juristische Fakultät der Universität Jena, ins liberalere Sachsen-Weimar, wo das intellektuelle Klima geprägt war von Goethe, Schiller, Fichte, Schelling und Hegel.
Vom kämpferischen Burschenschaftler zum rebellischen Harvard-Professor
Auch in Jena scharte der Universitätsdozent oppositionelle Studenten aus den Burschenschaften um sich. Inspiriert von Schillers "Wilhelm Tell", beschrieb Follen in seiner Lyrik den Tyrannenmord als die radikale Aktion opferbereiter Individuen:
"Freiheitsmesser gezückt! Hurrah, den Dolch in die Kehle gedrückt!"
Zu Follens Jenaer Zirkel gehörte der Theologiestudent Karl Ludwig Sand. Am 23. März 1819 erstach dieser Sand in Mannheim den Schriftsteller August von Kotzebue, um ein revolutionäres Zeichen zu setzen. Er hielt den Autor populärer Theaterstücke, der zugleich russischer Konsul war, für einen Vaterlandsverräter und zynischen Vertreter des Ancien Régime. Follen selbst war in das Attentat nicht eingeweiht, wurde aber als Mitwisser verdächtigt und musste aus Deutschland fliehen. 1824 schiffte er sich in Le Havre ein und erreichte am 19. Dezember New York:
"Dort an des Meeres anderm Strand, dort ist der Freiheit, dort der Menschheit Vaterland",
dichtete Follen. An der Universität Harvard unterrichtete er Studenten in deutscher Literatur und Philosophie, verfasste eine Grammatik und ein Textbuch. Zeit seines Lebens blieb Follen ein rebellischer Geist. Aus der universalen Idee der Menschenrechte folgte sein Engagement für die Befreiung der schwarzen Sklaven. Es kostete ihn die Professur in Harvard. Da Follen auch theologisch interessiert war, wandte er sich den freikirchlichen Unitariern zu und ließ sich zum Geistlichen ausbilden. 1839 übernahm er eine Pfarrstelle in Lexington, Massachusetts. Dort ließ er eine Kirche nach eigenen Entwürfen bauen. Um rechtzeitig zur Einweihung zu kommen, bestieg Karl Follen am 13. Januar 1840 in New York den Dampfer Lexington. Vor Long Island geriet das Schiff in Brand und sank. Nur vier Passagiere wurden gerettet. Karl "Charles" Follen, der auf zwei Kontinenten für Demokratie und Menschenrecht gekämpft hatte, war nicht darunter. Er wurde nur 43 Jahre alt.