Karikaturist, Autor und Kaufhauserpresser Arno Funke

Das zweite Leben des "Dagobert"

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Der ehemalige Kaufhauserpresser und jetzige Karikaturist Arno Funke
"Das Geld war mit sehr viel Angst verbunden", sagt der Kaufhauserpresser Arno Funke rückblickend über seine Beute. © imago images / Rolf Kremming
Moderation: Katrin Heise · 09.04.2019
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Vor 25 Jahren wurde der bekannteste Erpresser Deutschlands in einer Telefonzelle verhaftet – Arno Funke alias "Dagobert". Die Geschichten seiner Geldübergaben und filmreifen Fluchten gingen um die Welt. Heute arbeitet er als Illustrator und Autor.
Kriminell aber genial – die Mischung faszinierte viele Menschen. Der Kaufhauserpresser Arno Funke baute trickreiche Geldübergabe-Apparate und lieferte sich zwei Jahre lang ein Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei. Immer wieder entkam er, mal durch den Gully, mal mit dem Fahrrad, mal durch einen Notausgang.
Seine spektakulären Gerätschaften – darunter ein selbstgebasteltes Schienenfahrzeug, die legendäre ferngesteuerte Mini-Lore – brachten ihm viel Sympathie ein. Doch "Dagobert" ließ auch Bomben im Berliner KaDeWe und in Karstadt-Filialen explodieren und inszenierte einen der aufwändigsten Erpressungsfälle der deutschen Kriminalgeschichte. "Zum Guten hat sich mein Leben erst gewendet, als ich in Haft kam", sagt er heute.

"Ich hatte Selbstmordgedanken"

Der erste Gedanke an eine Erpressung sei ihm 1988 gekommen, erzählt Funke. Als ausgebildeter Schildermacher und Lichtreklamemacher arbeitete er vor der Erpressung des Berliner Kaufhauses KaDeWe viel mit Lacken und Lösungsmitteln. Diese hätten seine Nerven so geschädigt, dass er von seinen Gefühlen abgeschnitten gewesen sei.
"Ich hatte ein Gefühl, als hätte ich eine halbe Flasche Whiskey getrunken, obwohl ich vollkommen nüchtern war", erinnert sich Funke. "Ich merkte, irgendetwas stimmt mit mir nicht. Ich hatte keine Kraft zum Arbeiten, Selbstmordgedanken und spürte, dass es mit meinen Kräften rapide zu Ende geht."
Erst als sein Zustand sich weiter verschlechterte, sei er zum Arzt gegangen. Es habe allerdings ein Jahr gedauert, bis ein Zusammenhang zwischen seinem schlechten Gesundheitszustand und dem Einatmen von Lösungsmitteln und Lackdämpfen hergestellt wurde. In dieser Phase habe er zum ersten Mal über eine Erpressung nachgedacht.

"Von den 500.000 Mark habe ich erst mal gelebt"

Er habe keine Kraft mehr gehabt, das Geld für den täglichen Bedarf heranzuschaffen, erzählt Funke. "Der Gedanke, zum Sozialamt zu gehen, um dann von Sozialhilfe zu leben, hat mich eher noch tiefer in die Depression geschickt. So habe ich dann gedacht, wenn ich Geld hätte, könnte ich meinem Leben eine neue Richtung geben."
Damals lebte Funke allein und war völlig auf sich selbst gestellt. "Es klappte auch relativ schnell. Der Gedanke war da, Geld zu erpressen und hatte dann innerhalb kürzester Zeit auch Tatsache Geld gehabt." Das Geld habe ihm aber keine Freude beschert. "Das Geld war mit sehr viel Angst verbunden. Aufgrund meiner Krankheitsgeschichte war ich nicht in der Lage, Freude zu empfinden. Von den 500.000 Mark habe ich erst mal gelebt." Als dieses Geld vier Jahre später zur Neige ging, fasste er den Entschluss, noch einmal ein Kaufhaus zu erpressen. Diesmal den Karstadt-Konzern.

Die Hoffnung, es könnte noch einmal klappen

Bei dem zweiten Erpressungsversuch im Jahre 1992 versuchte Arno Funke zunächst, eine Million D-Mark, später 1,4 Millionen D-Mark von Karstadt zu erpressen. Da es ja einmal gut gegangen war, habe er gedacht, "es könnte noch einmal klappen", sagt Funke. Weil der Konzern seine Bereitschaft zur Geldübergabe durch eine Zeitungsanzeige mit dem Text "Dagobert grüßt seinen Neffen" signalisieren sollte, wurde Funke seitdem von den Medien nur noch als "Dagobert" bezeichnet.

Strafmaß empfand Funke als "sehr milde"

In den Wochen vor seiner Festnahme am 22. April 1994 habe er mit dem Gedanken gespielt, sich zu stellen, sagt Arno Funke. Gemessen an seinen Taten sei das Strafmaß von sieben Jahren und neun Monaten Freiheitsentzug seiner Meinung nach "sehr milde" ausgefallen. Er sei zwar nicht gerade erleichtert gewesen, als es der Polizei schließlich gelang, ihn festzunehmen, sagt Funke.
Aber im Gefängnis konnte er sich endlich seiner Depression stellen: "Ich war abgeschnitten von allen Problemen, die man normalerweise im Alltag hat und dort gab es ja auch einen Neurologen. Ich bekam meine Anti-Depressiva und konnte mich auf andere Dinge konzentrieren. Ich habe viel gelesen, zum Beispiel Dostojewskis 'Schuld und Sühne'."
Seine Haftstrafe hat Arno Funke verbüßt. Er arbeitet inzwischen seit 20 Jahren als Karikaturist beim Satiremagazin "Eulenspiegel".
(ruk)
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