Kara Walker in der Tate Modern

Ein Anti-Monument für das Britische Empire

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Die US-Künstlerin Kara Walker steht vor einem riesigen, mehrstufigen weißen Brunnen in der Londoner Tate Modern Galerie.
Die Motive auf Kara Walkers monumentalem Brunnen erzählen von der Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels. © Marten Hahn
Von Marten Hahn · 01.10.2019
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Die Installation der US-Künstlerin Kara Walker in der Tate Modern ist eine Art Gegendenkmal zum berühmten Victoria Memorial. Ihr barock anmutender Brunnen erinnert an Englands unrühmliche Kolonialgeschichte und setzt den Sklaven ein Denkmal.
Kara Walker spricht in London über Europas barocke Brunnen und opulente Denkmäler und ist hin und her gerissen. Zum einen sei da die Schönheit und der eigene Wunsch, monumental zu arbeiten, sagt die Künstlerin. Zum anderen wisse man, auf wessen Kosten diese historischen Monumente entstanden sind.
Kara Walker: "Was auch immer ich tue, es ist immer politisch."
Kara Walker: "Was auch immer ich tue, es ist immer politisch."© imago stock&people
In ihrer Arbeit für die Tate Modern hat die Afro-Amerikanerin nun beide Aspekte vereint. Kara Walker hat für die Turbine Hall der Galerie ein Gegen-Denkmal, ein Anti-Monument geschaffen.

Verbindung aus Ästhetik und politischer Botschaft

"Es ist ein 13 Meter hoher Brunnen, angelehnt an die barocken Brunnen, die man in ganz Europa findet. Vor allem aber inspiriert vom Victoria Memorial vorm Buckingham Palace."
Sagt Priyesh Mistry, er ist einer der Kuratoren des Projekts.
"Wie wir wissen, zelebriert das Victoria Memorial das Britische Kolonialreich. Das unterläuft Kara Walker hier."
Walkers imposanter, mehrstufiger Brunnen erzählt die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels. Es ist eine Allegorie auf den Black Atlantic, den schwarzen Atlantik, der die drei Kontinente Amerika, Afrika und Europa so schicksalshaft verbindet.
"Walker erlaubt uns so zu hinterfragen, wer mit solchen Denkmälern geehrt wird. An welche historischen Momente wird erinnert? Und – noch wichtiger – wer wird nicht geehrt? Wen und welche Geschichten ziehen wir vor zu vergessen?"

Skulpturen erzählen Geschichte

Walker hat die verschiedenen Ebenen ihres Brunnens mit Skulpturen besetzt. Wir sehen Schwimmende und Ertrinkende, Haie und einen Galgenbaum, Schiffe mit geblähten Segeln, eine Kapitänsfigur und auch eine vergnügte Queen Victoria. Dabei vermischt die Künstlerin Fakt, Fiktion und Fantasie. Sie bedient sich bei maritimen Gemälden von William Turner und Winslow Homer, aber auch bei Zeitgenossen, so Kurator Mistry.
"Neben den Referenzen zu Winslow Homer und Turner bezieht sie sich auch auf Damien Hirst, der in einem seiner Werke einen Hai nutzte. Und in eins der Boote ist frecher weise ein K. West geritzt. Das bezieht sich sowohl auf Key West und die Atlantik-Passage, aber auch auf Kanye West. Es geht also auch um unseren heutigen Umgang mit dem Erbe des transatlantischen Sklavenhandels."
Der schwarze US-Rapper Kanye West hatte 2018 vor laufender Kamera gesagt, wer 400 Jahre Sklaverei erdulde, sei daran selbst Schuld. Ganz oben auf Walkers Brunnen thront aber kein größenwahnsinniger Rapper, sondern eine schwarze Venus. Eine halbnackte afro-brasilianische Priesterin, deren Brüste das Wasser spenden, das den Brunnen füllt und auch alle Kontinente verbindet.
"Kara Walker macht hier die geschichtlichen Zusammenhänge bewusst. Die Geschichte der Sklaverei in Amerika hängt eng mit dem Warenhandel nach Europa zusammen. Und auch viele der Plantagen gehörten Europäern. Wir reden also über einen Handel, dessen geschichtliches Erbe viele von uns betrifft."

Die Erinnerungskultur wird in Frage gestellt

Und so heißt Walkers Werk für die Tate Modern abgekürzt zwar "Fons Americanus". Aber der eigentliche, komplette Titel füllt eine ganze Wand der Halle und ist ein Kunstwerk für sich. Der Text macht klar, es geht hier um "Afrique and Albion" – Afrika und England. Dramatisch und humorvoll zerlegt Walker in London die Deutungshoheit und Erinnerungskultur des britischen Empires. Aber nicht nur inhaltlich dreht die Amerikanerin den Spieß um. Fragt man Tate-Kurator Mistry, wie schwer es war, den Brunnen zu transportieren, grinst er.
"Die Skulptur ist nicht aus Stein gemacht. Das hätte Monate, wenn nicht Jahre gedauert. Wir haben den Großteil der Skulptur aus Kork hergestellt. Der kann nach der Ausstellung recycled werden. Überzogen haben wir den Kork mit einem Material, das sich zementartig anfühlt. Es sieht aus wie Stein und klingt wie Stein. Sehr effektiv."
Auch das Medium ist die Botschaft: Traue keinem Denkmal, das du nicht selbst gebaut hast.
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