KapitänInnen im Mannschaftssport

"Der Kopf der Mannschaft"

Die Kapitänin Lia Wälti in Aktion (blaues Trikot) bei einem Testspiel mit DJK Blau Weiß Wittichenau.
Die Kapitänin Lia Wälti in Aktion (blaues Trikot) bei einem Testspiel mit DJK Blau Weiß Wittichenau. © dpa / Thomas Eisenhuth
Von Thilo Schmidt  · 08.07.2018
Der Schiffskapitän kennt den Kurs und die Hindernisse - doch was genau ist die Aufgabe von Kapitänen im Mannschaftssport? Spielen sie eher eine soziale oder sportliche Rolle auf dem Platz?
Stadionsprecher: "Und mit der Rückennummer 13: Unsere Kapitänin Liaaaaaa Wälti!"
Der Kapitän. Oder in diesem Fall: Die Kapitänin. Verlängerter Arm des Trainers? Personalvertreter? Klassensprecher?
Wälti: "Zum Beispiel sind wir von München nach ner Pokalniederlage zurückgekommen …"
Lia Wälti, schweizerische Nationalspielerin und Kapitänin des Frauen-Bundesligisten Turbine Potsdam.
"... sollten dann trainieren, dann sind wir hin zum Trainer und haben gesagt: Wir brauchen jetzt mal unsere Ruhe. Training jetzt ist eigentlich das schlechteste, was man machen kann. Alle wollen weg, alle wollen einander nicht mehr sehen, das bringt jetzt nichts, wenn wir auf den Platz gehen, und letztendlich ist das Training ausgefallen und wir haben uns dann neu getroffen und ein sehr wichtiges Spiel gegen Freiburg gewonnen."
Sportlicher und sozialer Weitblick machen es aus. Aber wer wird Kapitän? Der Loyalste dem Trainer gegenüber? Der Sozialste? Empathischste?
"Alle Kapitäninnen sind verschieden. Es gibt Kapitäninnen, die schreien rum auf dem Platz, die machen sich bemerkbar durch lautstarke Kommunikation, es gibt Kapitäninnen, die sind total in sich gekehrt und regeln alles in Ruhe, und dann gibt es die, die auf dem Platz überhaupt nicht als Kapitänin erkannt werden. Weil die vielleicht neben dem Platz für die Mannschaft eine viel wichtigere Rolle spielen."

Schaltstelle zwischen Mannschaft und Trainer

Kapitäninnen und Kapitäne müssen in der Mannschaft vermitteln und Interessen der Mannschaft gegenüber dem Trainer vertreten, genau so wie Anweisungen des Trainers auf dem Platz an die Mitspieler weitergeben, das bekommen die Zuschauer kaum mit. Lia Wälti hat dazu als Mittelfeldspielerin eine ideale Position auf dem Platz. Und ist zudem eine der besten Spielerinnen Europas, sagt Turbine-Trainer Matthias Rudolpxh .
"Das sieht man in jedem Training, dass sie ne unwahrscheinlich hohe Qualität hat, und auch in vielen Spielen, dass sie mit einer großen Konstanz ihre Leistung bringt, und dementsprechend auch aufgrund ihrer Leistung in der Mannschaft vorangeht und deshalb auch zurecht Kapitänin ist, und die andere Seite ist natürlich auch noch die menschliche oder auch die persönliche Seite, sie ist eben auch für mich als Trainer eine wichtige Bezugsperson in die Mannschaft hinein, und sie hat eben einen hervorragenden Charakter auch mit allen Spielerinnen umzugehen, weil sie einfach sehr sozial ist und ein großes Empathieverständnis hat."
Ob Kapitäne eher eine sportliche oder eine gruppendynamische Funktion haben, könnte übrigens davon abhängen, ob sie von der Mannschaft gewählt oder vom Trainer bestimmt werden. Lia Wälti wurde – noch von Rudolphs Vorgänger – ungefragt bestimmt, und in Potsdam erzählt man, sie habe in der Zeitung gelesen, dass sie Kapitänin wurde. Gerade für junge Spielerinnen und Spieler – Wälti war 20, als sie in Potsdam anfing – ist das Kapitänsamt eine große Aufgabe – als Schaltstelle zwischen Mannschaft und Trainer – und den Unparteiischen. Bundesliga-Schiedsrichter Lasse Koslowski sagt:
"Es ist der Kopf der Mannschaft, es ist derjenige, der auch am meisten zu sagen haben wird in der Mannschaft, und das macht sich dann eben auch bemerkbar. Er pusht die Spieler, er motiviert, er erteilt Anweisungen, und das kriegt man dann natürlich auch mit als Schiedsrichter. Und da wissen wir dann eben auch: das ist ein stärkerer Charakter."

Kapitäne schlichten Konflikte

Und starke Charaktere zeigen sich in Stresssituationen: Wenn sechs, sieben Spieler auf den Schiedsrichter zustürmen, hält der Ausschau nach den beiden Kapitänen. Schiri Koslowski erinnert sich sofort an solche Situationen.
"Da war es dann so: Ich hatte ganz, ganz viele gelbe Karten schon gegeben, und die Spieler haben sich gegenseitig aufgepuscht, und es war schon relativ hektisch. Und dann hab ich den Kapitän zur Seite genommen und hab gesagt: Pass auf: Du sorgst jetzt hier dafür, dass die Spieler sich mal wieder beruhigen, weil sonst endet das hier noch mal in so einem farbfrohen Kartenfestival, und da müssen dann wohl ein paar Spieler des Platzes verwiesen werden, ansonsten geht es so nicht weiter. Und da hab ich es gespürt, dass ich eben den Kapitän holen muss."
Kapitäne bleiben oft lange in einer Mannschaft, können über Jahre gebunden werden. Lia Wälti, die, so hört man, hervorragend in ihre Kapitänsrolle hineingewachsen ist, verlässt Turbine Potsdam trotzdem. Wohin, das darf sie noch nicht sagen.
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