Kann Deutschland mehr?
Plötzlich ist alles anders. Der Streit scheint in weiter Ferne zu liegen und die Hysterie von allen abgefallen. Zwar tönt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in ganzseitigen Anzeigen: "Deutschland kann mehr", doch das Echo der großen Koalition kommt prompt: Es will aber nicht mehr!
Es ist. als ob das Untergangs- und Reformgerede, die Ideologisierung der Wahlauseinandersetzung nie stattgefunden haben. Zwar möchten noch einige auswandern und beklagen das Zuwenig des Koalitionsvertrages, doch seit CDU und SPD gemeinsam diejenigen, die ununterbrochen Forderungen stellen und zugleich immer mehr Menschen in die staatliche Sozialfürsorge entlassen, zur Ordnung rufen, beruhigt sich das Klima. Auch die härtesten Neoliberalen können sich der Einsicht nicht länger verschließen, dass das Wahlvolk eben nicht ihre Politik, sondern das Weniger gewollt hat.
Es ist schon erstaunlich, dass Monate nach der Überraschungswahl und trotz angekündigter Steuererhöhung und in die gleiche Richtung zielenden Subventionsabbaus die Wähler wieder nur Rot und Schwarz ein gemeinsames Mandat geben würden, also weder auf den Populismus von rechts noch den von links eingeschwenkt sind. Es ist, als ob die Menschen draußen im Land eben jene Vernunft erzwungen hätten, zu der die Parteien allein nicht fähig waren.
Denn dass einiges geändert werden muss, seit uns die immer aufs Neue beschworene Globalisierung um den geschützten Wirtschaftsraum gebracht hat, wissen die Menschen, auch wenn sie nicht alle so genannten Notwendigkeiten für bare Münze nehmen. Doch dass man diesen Änderungen erst dadurch den Charakter des gesellschaftlich Notwendigen geben kann, dass Bürgertum und Arbeiterschaft gemeinsam handeln, wollten die Reformer um Gerhard Schröder sowenig wie die um Angela Merkel einsehen.
Doch die Wähler haben die westdeutsche Demokratie inzwischen sehr gut verinnerlicht. Immer dann, wenn eine Seite Zumutungen verordnet, kann man nicht sicher sein, ob sie nun objektiv notwendig oder bloßer Machtverschiebung geschuldet sind. Zwar ist auch eine große Koalition nicht vor Klientelpolitik gefeit, doch ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Probleme zu Lasten einer Gruppe entschieden werden, wenn die beiden Großen mit dem Kopf nicken.
Was die Reformdiskussion bis heute so unfruchtbar gemacht hat, war der nie auszuräumende Verdacht, dass hier die Errungenschaften der alten Bundesrepublik zu Grabe getragen werden sollen, weil die äußere Gefahr vorüber ist, die die "Volksgemeinschaft" zur inneren Notwendigkeit machte.
Wenn die SPD die längst obsolete Eigenheimpauschale zur Diskussion stellte, vermuteten die Häuslebauer, dass es CDU-Wähler treffen sollte, und wenn die CDU einer Aufweichung des Kündigungsschutzes das Wort redete, wussten alle, dass dies eher SPD-Wähler treffen würde. Dass beides gesellschaftlich notwendig sein kann, werden Menschen, die davon betroffen sind, nur dann akzeptieren, wenn diejenigen, denen sie mit ihrer Stimme Vertrauen bezeugt haben, es ebenfalls sagen. Die Reichensteuer mit der CDU und die Mehrwertsteuererhöhung mit der SPD signalisieren einer misstrauischen Wählerschaft, dass es nun wirklich nicht mehr anders geht.
Und das ist auch das Dilemma der Opposition. Sie vertritt gesellschaftliche Teilmengen und sieht sich deshalb dem Verdacht ausgesetzt, nur das Wohl dieser Teile im Auge zu haben, der Zahnärzte und Besserverdienenden bei den Liberalen, der fest angestellten Lehrer bei den Grünen und der Arbeitslosen und Wendeverlierer bei den Linken.
Eine große Koalition ist in der Demokratie immer nur ein Notbehelf, wenn die Probleme die Lösungsfähigkeiten eines Lagers übersteigen. Und das ist dann der Fall, wenn ein äußerer Feind die Normalität aufhebt wie im England beider Weltkriege oder Reformen die Neujustierung des gesellschaftlichen Gleichgewichts notwendig machen wie heute in der Bundesrepublik.
Die fast lautlose Einigung über die Reform des Föderalismus sagt mehr über die Zukunft der großen Koalition als der verstolperte Beginn. Solange Grundsatzfragen die Agenda bestimmen, wird sie erfolgreich sein, ist der Haushalt erst einmal saniert und sind die Fehlfunktionen behoben, werden sich die Partner schnell auseinander leben, der eine hin zu mehr Freiheit, der andere zu wieder größerer sozialer Gerechtigkeit.
Dr. Alexander Gauland, geb. 1941 in Chemnitz, ist Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" in Potsdam. Von 1987 bis 1991 war er Staatssekretär und Chef der hessischen Staatskanzlei. Anfang der 70er Jahre hatte Gauland im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gearbeitet. Als Publizist hat er zahlreiche Artikel und Beiträge zu gesellschaftspolitischen Fragen, zur Wertediskussion und des nationalen Selbstverständnisses veröffentlicht. Letzte Buchveröffentlichung: "Anleitung zum Konservativsein".
Es ist schon erstaunlich, dass Monate nach der Überraschungswahl und trotz angekündigter Steuererhöhung und in die gleiche Richtung zielenden Subventionsabbaus die Wähler wieder nur Rot und Schwarz ein gemeinsames Mandat geben würden, also weder auf den Populismus von rechts noch den von links eingeschwenkt sind. Es ist, als ob die Menschen draußen im Land eben jene Vernunft erzwungen hätten, zu der die Parteien allein nicht fähig waren.
Denn dass einiges geändert werden muss, seit uns die immer aufs Neue beschworene Globalisierung um den geschützten Wirtschaftsraum gebracht hat, wissen die Menschen, auch wenn sie nicht alle so genannten Notwendigkeiten für bare Münze nehmen. Doch dass man diesen Änderungen erst dadurch den Charakter des gesellschaftlich Notwendigen geben kann, dass Bürgertum und Arbeiterschaft gemeinsam handeln, wollten die Reformer um Gerhard Schröder sowenig wie die um Angela Merkel einsehen.
Doch die Wähler haben die westdeutsche Demokratie inzwischen sehr gut verinnerlicht. Immer dann, wenn eine Seite Zumutungen verordnet, kann man nicht sicher sein, ob sie nun objektiv notwendig oder bloßer Machtverschiebung geschuldet sind. Zwar ist auch eine große Koalition nicht vor Klientelpolitik gefeit, doch ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Probleme zu Lasten einer Gruppe entschieden werden, wenn die beiden Großen mit dem Kopf nicken.
Was die Reformdiskussion bis heute so unfruchtbar gemacht hat, war der nie auszuräumende Verdacht, dass hier die Errungenschaften der alten Bundesrepublik zu Grabe getragen werden sollen, weil die äußere Gefahr vorüber ist, die die "Volksgemeinschaft" zur inneren Notwendigkeit machte.
Wenn die SPD die längst obsolete Eigenheimpauschale zur Diskussion stellte, vermuteten die Häuslebauer, dass es CDU-Wähler treffen sollte, und wenn die CDU einer Aufweichung des Kündigungsschutzes das Wort redete, wussten alle, dass dies eher SPD-Wähler treffen würde. Dass beides gesellschaftlich notwendig sein kann, werden Menschen, die davon betroffen sind, nur dann akzeptieren, wenn diejenigen, denen sie mit ihrer Stimme Vertrauen bezeugt haben, es ebenfalls sagen. Die Reichensteuer mit der CDU und die Mehrwertsteuererhöhung mit der SPD signalisieren einer misstrauischen Wählerschaft, dass es nun wirklich nicht mehr anders geht.
Und das ist auch das Dilemma der Opposition. Sie vertritt gesellschaftliche Teilmengen und sieht sich deshalb dem Verdacht ausgesetzt, nur das Wohl dieser Teile im Auge zu haben, der Zahnärzte und Besserverdienenden bei den Liberalen, der fest angestellten Lehrer bei den Grünen und der Arbeitslosen und Wendeverlierer bei den Linken.
Eine große Koalition ist in der Demokratie immer nur ein Notbehelf, wenn die Probleme die Lösungsfähigkeiten eines Lagers übersteigen. Und das ist dann der Fall, wenn ein äußerer Feind die Normalität aufhebt wie im England beider Weltkriege oder Reformen die Neujustierung des gesellschaftlichen Gleichgewichts notwendig machen wie heute in der Bundesrepublik.
Die fast lautlose Einigung über die Reform des Föderalismus sagt mehr über die Zukunft der großen Koalition als der verstolperte Beginn. Solange Grundsatzfragen die Agenda bestimmen, wird sie erfolgreich sein, ist der Haushalt erst einmal saniert und sind die Fehlfunktionen behoben, werden sich die Partner schnell auseinander leben, der eine hin zu mehr Freiheit, der andere zu wieder größerer sozialer Gerechtigkeit.
Dr. Alexander Gauland, geb. 1941 in Chemnitz, ist Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" in Potsdam. Von 1987 bis 1991 war er Staatssekretär und Chef der hessischen Staatskanzlei. Anfang der 70er Jahre hatte Gauland im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gearbeitet. Als Publizist hat er zahlreiche Artikel und Beiträge zu gesellschaftspolitischen Fragen, zur Wertediskussion und des nationalen Selbstverständnisses veröffentlicht. Letzte Buchveröffentlichung: "Anleitung zum Konservativsein".