Kandidatin für Macrons Partei

Unerfahrenheit als Stärke?

Jennifer Douieb
Jennifer Douieb kandidiert für die neue Partei Macrons - "La République en Marche", kurz LREM. © Deutschlandradio / Bettina Kaps
Von Bettina Kaps  · 08.06.2017
Um seine Politik verwirklichen zu können, braucht Macron eine Mehrheit im Parlament. Vor den Wahlen vom 11. und 18. Juni hat der französische Präsident seine Bewegung in die Partei "La République en Marche" umgewandelt. Dafür werden per Internet Kandidaten rekrutiert. Eine ist Jennifer Douieb.
Es gewittert heftig. Trotzdem haben sich gut 200 Menschen in einer Grundschule von Charenton versammelt, vor den Toren von Paris. Viele tragen ein T-Shirt in poppigen Farben, das Markenzeichen der Macron-Anhänger. Diesmal ist es mit "Jennifer députée" bedruckt. Jennifer Douieb will für Macrons Partei "La République en Marche" ins Parlament einziehen.
Weißes Jäckchen, schwarze Hose mit weitem Bein, Stilettos, Brillant-Kettchen. Die junge Frau trägt ihren Vornamen nicht selbst zur Schau. Trotz der damenhaften Kleidung sieht die 31-Jährige jung und dynamisch aus. Sie hält ihren Redetext in der Hand, spricht aber weitgehend frei. Das hat sie als Rechtsanwältin gelernt.
Ein seriöser Staatshaushalt, wirksame öffentliche Ausgaben, ein qualifizierter öffentlicher Dienst und das Versprechen, dass alle Kinder lesen, schreiben, rechnen lernen. Charmant lächelnd reiht die Kandidatin Floskeln aneinander, das Publikum klatscht begeistert. Halbwegs konkret wird sie erst, als sie von sich selber spricht.
"Ja, ich komme aus der Zivilgesellschaft. Ich bin Steuer-Anwältin. Wenn ich sehe, wie unverständlich das Steuergesetzbuch verfasst ist, sage ich mir: Es wäre nicht verkehrt, eine Fachfrau für Steuern in der Nationalversammlung zu haben."

Unerfahrenheit nutzt sie als Waffe

Als Mutter von drei Kindern – ihr Jüngstes ist erst sechs Monate alt – strebt Douieb auch eine bessere soziale Absicherung für Freiberufler an, vor allem beim Mutterschutz. Ihre Unerfahrenheit nutzt sie als Waffe:
"Meine Gegner werden gönnerhaft sagen: Diese Jennifer da, das ist ein Niemand. Sie werden schon sehen! Wenn Sie für die Kandidaten unserer Partei stimmen, wählen Sie das Frankreich des 21. Jahrhunderts. Lasst uns gemeinsam die Republik in Gang bringen.
Nach kurzer Rede geht Jennifer geht zu Händeschütteln und Small-Talk über. Erklärt, warum sie ihre Anwaltskanzlei verlassen und auf einmal Politik machen will.
"Die Bewegung 'En Marche' hat Leute wie mich nach ihrer Meinung gefragt. Dadurch habe ich kapiert, dass man Politik auch von der Basis aus machen kann. Ich kaufe mein Brot beim Bäcker, habe Kinder, arbeite – und fühle mich durchaus in der Lage, Parlamentsabgeordnete zu werden. Es braucht Lust und Opferbereitschaft – beides habe ich."

Allein in ihrem Wahlkreis haben sich rund hundert Macron-Anhänger per Internet als Kandidat für "La République en Marche" beworben. Ihr Prüfungsgespräch fand telefonisch statt, sagt Douieb. Sie habe die Auswahlkommission nie getroffen und eine Schulung sei auch nicht geplant.
Jennifer Douieb
Jennifer Douieb und ihr Wahlkampfteam.© Deutschlandradio / Bettina Kaps
"Sie sagen: Seid pragmatisch. Sie wollen uns nicht beeinflussen. Denn wenn sie uns ausbilden, deformieren sie uns nur."

Keine Inhalte und leere Versprechungen

Ein paar Linkswähler im Saal reagieren ablehnend: Null Inhalt, sagen sie, alles leere Versprechungen. Die meisten Zuhörer aber stört das nicht.
"Gewiss muss sie ihre Ideen noch etwas vertiefen, aber für eine Anfängerin macht sie es sehr gut. Mir gefallen ihr Engagement, ihre Leidenschaft und ihre Jugend."
Auch Chantal Gratiet, Mitglied der Zentrumspartei UDI und gewählte Stadträtin von Charenton, lobt die Kandidatin. Selbst ihre Unerfahrenheit sei keine Schwäche.
"Wenn man sieht, was erfahrene Politiker aus Frankreich gemacht haben, ist das wirklich kein Problem. Eine Anfängerin, die den starken Wunsch hat, die Gesellschaft voran zu bringen und konkrete Ideen zu verwirklichen, ist mir lieber als ein alter Profi, der sich auf seinen Privilegien ausruht."
Um die Wahl zu gewinnen, muss Douieb 14 Konkurrenten aus dem Rennen schlagen. Allen voran Michel Herbillon. Der 66-Jährige ist Mitglied der konservativen Partei Les Republicains und sitzt seit 20 Jahren in der Nationalversammlung. Aber die Franzosen servieren die alte Politiker-Garde ja gerade reihenweise ab. Douieb gibt sich siegessicher.
"Ich opfere meine Karriere und investiere 30.000 Euro. Ich habe keine Ahnung, wie man traditionell Politik macht, aber ich engagiere mich mit ganzem Herzen, genau so wie ich es mir selbst immer von Politikern gewünscht habe. Ich rede schlicht und verständlich. Ja, ich will gewinnen."
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