Kandidatenturnier
Deutschland sucht den Superstar für den Präsidentenposten, weil die uns alle bevormundende Presse, die klabauterhaften Medien und gut gebügelten Politiker Horst Köhler uns entzogen haben. In einem Akt absolut fehlenden Anstandes und mit Methoden, die an die SED-Parteipresse mehr als nur erinnerten: Diffamierung, Hohn, Häme, Infamie, Unterstellungen, Bösartigkeit – ein Angriff auf die Menschenwürde, von der sonst so heuchlerisch die Rede ist.
Horst Köhler mag morgen vergessen sein, in Erinnerung aber bleibt, was dieser auf den Hund gekommene Journalismus sich selber zugefügt hat: Er hat den eigenen Ruf lädiert, nach dem Motto von Kurt Tucholsky: Deutsch bleibt deutsch – da helfen keine Pillen.
Haben wir jetzt die Qual der Wahl? Wohl kaum. Denn man wird uns einen Kandidaten servieren, den wir zu akzeptieren haben, ob wir wollen oder nicht. Wo bleibt die Werbeüberschrift "Der Kandidat Ihres Vertrauens"? Wir, die Wähler, sind doch mittlerweile der Politik gegenüber ziemlich misstrauisch geworden, weil man besagtes Vertrauen zu oft missbraucht hat.
Also wer von den Favoriten soll uns denn im Ausland vertreten oder den Regierenden manchmal sanft die Leviten lesen? Frau von der Leyen? Zu selbstständig und schwer zu lenken, hört man. Kein Stromlinienmodell. Passt auch nicht. Erwartungsgemäß hat stattdessen Papst Gregor, genannt der Gysi, seine Tochter Lukrezia ins Rampenlicht gestellt. Vorhang, bitte Vorhang!
Man schaut sich um und siehe, in diesem unserem Land mangelt es an politisch unabhängigen Selbstdenkern für das höchste Amt der Republik. Woher mag es bloß kommen, dass die Anzahl wirklich integrer Menschen in den höheren Etagen derart gering ist? Ich fürchte, da kann uns selbst Darwin nicht Bescheid stoßen.
Also was denn nun? Kein Rotkäppchen, sondern ein harmloser Wolf? Müssten wir dann insgesamt das Niedersächseln lernen? Ein Glück, dass es bei Rot-Grün einen Zauberkünstler gegeben hat, der einen exquisiten Kandidaten aus dem Hut zog: Joachim Gauck. Wenn es überhaupt eine Person, eine Persönlichkeit für den vakanten Posten gibt, dann ist es dieser Mann, der durch sein Leben, sein Schicksal bewiesen hat, dass in ihm, dem einstigen Pfarrer, mehr steckt als ein Sonntagsprediger. Denn von dieser Sorte haben wir schon eine ausreichende Anzahl.
Nein, Gauck, den ich anlässlich meines Besuches in Mielkes Aktengruft kennenlernen durfte, scheint immun gegen politisch unsittliche Anträge. Früher, als wir, außer Basic-German, noch eine verständliche Sprache besaßen und Worte, die keine Vertuschungen und Täuschungen waren, hätte man Gauck zu Recht Anständigkeit bescheinigt. Das ist sehr, sehr viel.
Ein anständiger Mensch ist in unserer wenig glanzvollen Gegenwart ein Solitär. Den sollten wir unbedingt behalten und nicht leichtfertig verspielen. So was gibt's nicht alle Tage.
Ich denke, wir sollten mit den wenigen aufrechten Gestalten in unserer Geschichte sorgsam und pfleglich umgehen. Also: Gaucken wir uns mal eine ...
Günter Kunert, geboren 1929 in Berlin, wurde von Johannes R. Becher entdeckt und protegiert. Bis zu seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik 1979 galt Kunert in der DDR als einer der meistgelesenen Autoren. Sein vielseitiges Werk umfasst u.a. Gedichte, Essays, Erzählungen, Märchen, Reisejournale und Kinderbücher. 1976 gehörte Kunert zu den Erstunterzeichnern des Protestbriefes einer Reihe von DDR-Schriftstellern gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Zu den zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen Kunerts zählen u.a. der Heinrich-Mann-Preis, der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf, der Hölderlin-Preis, der Hans-Sahl-Preis und der Georg-Trakl-Preis. Kürzlich erschienen ist Kunerts Aufzeichnungsbuch "Die Botschaft des Hotelzimmers an den Gast".
Haben wir jetzt die Qual der Wahl? Wohl kaum. Denn man wird uns einen Kandidaten servieren, den wir zu akzeptieren haben, ob wir wollen oder nicht. Wo bleibt die Werbeüberschrift "Der Kandidat Ihres Vertrauens"? Wir, die Wähler, sind doch mittlerweile der Politik gegenüber ziemlich misstrauisch geworden, weil man besagtes Vertrauen zu oft missbraucht hat.
Also wer von den Favoriten soll uns denn im Ausland vertreten oder den Regierenden manchmal sanft die Leviten lesen? Frau von der Leyen? Zu selbstständig und schwer zu lenken, hört man. Kein Stromlinienmodell. Passt auch nicht. Erwartungsgemäß hat stattdessen Papst Gregor, genannt der Gysi, seine Tochter Lukrezia ins Rampenlicht gestellt. Vorhang, bitte Vorhang!
Man schaut sich um und siehe, in diesem unserem Land mangelt es an politisch unabhängigen Selbstdenkern für das höchste Amt der Republik. Woher mag es bloß kommen, dass die Anzahl wirklich integrer Menschen in den höheren Etagen derart gering ist? Ich fürchte, da kann uns selbst Darwin nicht Bescheid stoßen.
Also was denn nun? Kein Rotkäppchen, sondern ein harmloser Wolf? Müssten wir dann insgesamt das Niedersächseln lernen? Ein Glück, dass es bei Rot-Grün einen Zauberkünstler gegeben hat, der einen exquisiten Kandidaten aus dem Hut zog: Joachim Gauck. Wenn es überhaupt eine Person, eine Persönlichkeit für den vakanten Posten gibt, dann ist es dieser Mann, der durch sein Leben, sein Schicksal bewiesen hat, dass in ihm, dem einstigen Pfarrer, mehr steckt als ein Sonntagsprediger. Denn von dieser Sorte haben wir schon eine ausreichende Anzahl.
Nein, Gauck, den ich anlässlich meines Besuches in Mielkes Aktengruft kennenlernen durfte, scheint immun gegen politisch unsittliche Anträge. Früher, als wir, außer Basic-German, noch eine verständliche Sprache besaßen und Worte, die keine Vertuschungen und Täuschungen waren, hätte man Gauck zu Recht Anständigkeit bescheinigt. Das ist sehr, sehr viel.
Ein anständiger Mensch ist in unserer wenig glanzvollen Gegenwart ein Solitär. Den sollten wir unbedingt behalten und nicht leichtfertig verspielen. So was gibt's nicht alle Tage.
Ich denke, wir sollten mit den wenigen aufrechten Gestalten in unserer Geschichte sorgsam und pfleglich umgehen. Also: Gaucken wir uns mal eine ...
Günter Kunert, geboren 1929 in Berlin, wurde von Johannes R. Becher entdeckt und protegiert. Bis zu seiner Übersiedelung in die Bundesrepublik 1979 galt Kunert in der DDR als einer der meistgelesenen Autoren. Sein vielseitiges Werk umfasst u.a. Gedichte, Essays, Erzählungen, Märchen, Reisejournale und Kinderbücher. 1976 gehörte Kunert zu den Erstunterzeichnern des Protestbriefes einer Reihe von DDR-Schriftstellern gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Zu den zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen Kunerts zählen u.a. der Heinrich-Mann-Preis, der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf, der Hölderlin-Preis, der Hans-Sahl-Preis und der Georg-Trakl-Preis. Kürzlich erschienen ist Kunerts Aufzeichnungsbuch "Die Botschaft des Hotelzimmers an den Gast".

Der Schriftsteller Günter Kunert auf einem Archivbild von 1983© AP