Kampfsport Buhurt

Mehr als Ritterspiele für Erwachsene

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Zwei Kämpfer in mittelalterlicher Rüstung, mit Schild, Helm und Schwert.
Was ursprünglich als Rollenspiel in authentischen Kostümen begann, ist längst ein fordernder Sport geworden - auf internationaler Ebene. © picture alliance / abaca / David Niviere
Von Peter Kaiser · 09.08.2020
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Das Mittelalter liegt nach wie vor im Trend. Doch anders als die Rollenspiele vor Burgkulissen, hat sich Buhurt zu einer offenbar ernst zu nehmenden Kampfsportart entwickelt. Frauen und Männer begegnen sich dabei auf Augenhöhe.
Sonntagvormittag, gegen 11 Uhr, in Berlin-Reinickendorf. In einer alten Fabrikhalle ziehen sich mehrere Frauen und Männer dicke Wamse, also Jacken, an. Darunter die 26-jährige Denise. "Ich mache Buhurt, weil es ist was anderes als so ein 08/15-Kampfsport, und es ist ein Kampfsport in einer Szene, wo jeder einfach jeden gerne hat, und wo es einfach Spaß macht, auf die Leute zusammen zu treffen."
Buhurt, das Wort kommt aus dem mittelhochdeutschen Buhurd für Stoßen und war eine mittelalterliche Turnierform. Daneben gab es die Turnei, den Gruppenkampf mit scharfen oder auch stumpfen Waffen, und den Einzelkampf mit der Lanze und dem Schwert, Tjost genannt. Vor etwa zehn Jahren entstand aus den drei historischen Turnierformen das moderne Buhurt als Kampfsport.
"Das ist eine der wenigen Kampfsportarten, die ich kenne, in der ich mit vielen meiner Freunde im Ring, und generell im Team, einem wunderbaren fairen, sehr herausfordernden Kampfsport frönen kann", schwärmt Denise.

Wie in einem Historienfilm

Nachdem die Wamse zugeschnürt sind, kommen Kettenhemden darüber, dann Brustpanzer. Danach steigen die Kontrahenten in gepolsterte Beinkleider, Beinröhren. Wenig später müssen Helfer, früher waren das wohl die Ritterknappen, die Bein- und Armschienen aus gehämmertem Blech umschnallen, und die Metallschuhe, Sabatons, über die Sneakers stülpen. Am Ende schützen sich die fast fertiggerüsteten Ritter mit blechernen Handschuhen noch, dann greifen sie zu ihren Waffen.
Eine Buhurt Kämpferin mit Rüstung und Schwert 
Buhurt-Kämpferin Denise voller Montur.© Peter Kaiser
Sieht man die Ritter vor sich, fühlt man sich unmittelbar in einen Historienfilm hineinversetzt. "Meine Rüstung ist entsprechend einer mittelalterlichen Darstellung von 1430 bis 1450, wäre sie im Rahmen. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, ich könnte damit eine museale Belebung machen. Ganz und gar nicht", sagt Jonas Freese.
Er ist Teamkapitän des Berliner Vereins "Ursus Destructivus" und Kapitän der deutschen Nationalmannschaft im Buhurt. Wie der Verein "Deutsche Schwert- und Rossfechter", "Deus Vult" oder "Eiserne Löwen" ist der Verein "Ursus Destructivus" Mitglied im "Eisen-Liga-Verband", dem deutschen Verband für historisch gerüsteten Vollkontaktkampf.
In einem abgetrennten Bereich der Fabrikhalle treten Denise und Jonas gegeneinander an. Beide haben Schwerter in den Händen, mit denen sie sich auf die Brust und gegen die Schilde schlagen. Zugleich versuchen sie sich umzuwerfen.
Ein Ritter erklärt die Buhurt-Regeln: "Man gilt generell als ausgeschieden, wenn ein dritter Punkt den Boden berührt, der nicht die Füße sind. Also, sobald man mit der Hand, dem Schild, oder mit dem Knie den Boden berührt, und auch nur streift, gilt man als raus. Des Weiteren würde man zum eigenen Schutz disqualifiziert werden, wenn sich Rüstungsteile lösen."

Frauen kämpfen anders als Männer

Am Anfang ging es beim Buhurt nur um die realitätsnahe Rekonstruktion historischer mittelalterlicher Kämpfe, erläutert Freese. "Es gibt so ein Wort: 'Experimentelle Archäologie', wo man quasi herausfindet, ob es so gewesen sein könnte, das ist zum Beispiel bei uns im Team schwerlich stellenweise möglich, weil wir den Authentizitätsgrad nicht ganz so hoch haben."
Doch dann wurde 2013 der Weltverband im mittelalterlichen Vollkontakt, "International Medieval Combat Federation" gegründet. Schon ein Jahr nach der Gründung traten 20 Nationalteams in Spanien zur ersten Weltmeisterschaft gegeneinander an. In den Teams ganz selbstverständlich Frauen und Männer.

Authentisch wie im Mittelalter

"Ich war mal eine Zeitlang im Boxen unterwegs, habe auch mal Taekwondo gemacht, und das ist noch eine stärkere körperliche Herausforderung, weil zusätzlich noch das Gewicht und die Einschränkung der Rüstung vorhanden ist." Und natürlich, sagt Denise, seit fünf Jahren beim Buhurt, kämpft eine Frau anders als ein Mann: "Ich glaube, dass bei den Frauen auch viel mehr über Technik läuft, und vielleicht die Schlagkraft bei allen Frauen nicht gleich ist, aber ich glaube, dass es trotzdem mit Taktik sehr gut funktioniert."
In Rüstungen gekleidete Kämpfer des mittelalterlichen Kampfspiels Buhurt
Der Vereinsname "Ursus Destructivus" klingt martialisch - doch den Vereinsmitgliedern geht es vor allem um den sportliche-fairen Wettbewerb. Und den Spaß. © Ursus Destructivus
Buhurt ist mehr als nur ein aufeinander Einschlagen. Vielmehr bekommt man beim Anblick der Kämpfenden ein sehr dichtes, fast schon beklemmendes Gefühl dafür, wie im Mittelalter ein solcher Kampf ausgesehen haben muss. Ob auch damals danach alle beim Bier zusammengesessen haben wie heute, haben die Historiker noch nicht herausgefunden.
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