Kampf ums Künstlerinnendasein

01.06.2009
Viele Malerinnen wurden um 1900 wegen ihren künstlerischen Ambitionen, dem Kampf um neue Geschlechterrollen und ihre unkonventionelle Lebensart als "Malweiber" verspottet. Das Buch "Malweiber - Unerschrockene Künstlerinnen um 1900" von Katja Behling und Anke Manigold stellt solche Malerinnen vor – darunter Käthe Kollwitz und Johanna Oppenheimer.
Sie waren unerschrocken, diese Frauen, die um 1900 nicht nur um ihren Platz in der Gesellschaft kämpften, sondern auch um den in der Kunst, die stark akademisch – und vor allem männlich geprägt war. Um Künstlerin werden zu können, mussten Frauen auf private "Malklassen für Damen" ausweichen. Allein in Paris, dem Sehnsuchtsort vieler, gab es um diese Zeit schon eine akademische Frauenmalklasse. In Berlin richtete man einen solchen Ausbildungsort erst 1919 an der Hochschule der Künste ein, nach der Novemberrevolution, nicht ganz freiwillig und eher dem Zeitgeist geschuldet.

Den Titel "Malweiber" haben die beiden Autorinnen Anke Manigold und Katja Behling von dem Münchner Journalisten Fritz von Ostini geborgt, der damals in seinem Artikel "Das Münchner Malweibchen" schrieb. "Malweibchen" werde so ziemlich alles genannt, was unter künstlerischem Vorwand im schönen München lebe und "in Lebensführung und Exterieur" vom gutbürgerlichen Frauentypus abweiche.

Man(n) glaubte also, Frauen seien in der Malerie eine zeitweise Erscheinung, die bald wieder verschwinde, wenn sich diese seltsamen Dilettantinnen einen Ehemann geangelt hätten. Ein Irrtum, wie wir heute wissen. Denn um 1900 fanden gewaltige Veränderungen statt. Gesellschaftlich, aber auch in der Kunst.

In Paris, der Stadt, die Ende des 19. Jahrhunderts die wohl größte Sogwirkung auch für Künstlerinnen hatte, war Marie Bashkirjew die Symbolfigur. Als sie mit Mitte 20 an Tuberkulose starb, hatte sie über 200 Bilder geschaffen. Ihr Tagebuch, das 1891 auch auf Deutsch erschien, las auch die junge Paula Modersohn-Becker, und schrieb danach: "Wenn ich erst etwas könnte! So ist es eine schmähliche Existenz." Da ahnt sie wohl schon, dass dieser Kampf ums Künstlerinnendasein kein Spaziergang werden würde, und auch gegen den eigenen Mann ausgefochten werden musste.

Auch Charlotte Behrend-Corinth, die Frau von Lovis Corinth, war ein Malweib. Die Schülerin von Corinth, 22 Jahre jünger, kam aus einer großbürgerlichen, jüdischen Berliner Familie. Seit sie 1906 ihre Bilder in der "Berliner Secession" ausstellte, hatte sie auch mit Erfolg - mit Landschaften, die ihr Mann ihr zuerst verbieten wollte, und Porträts von Fritzy Massary und ihrem Mann Max Pallenberg, beispielsweise. Beeindruckend ihr Bild "Schwere Stunde" von 1908, auf dem sie eine Gebärende malt, fast nackt und mit blutroten Brustwarzen. Ein Bild, das heftige Reaktionen provozierte, ablehnende zumeist, aber auch begeisterte, wie von Else Lasker-Schüler, der Dichterin und Zeichnerin, die in einem Buchkapitel als "nirgends zuhause" beschrieben wird.

"Malweiber" bietet einen Überblick über die bekannten und die unbekannteren Malerinnen um 1900. Von Käthe Kollwitz bis Käthe Lassen, von der eine witzige Karikatur stammt, mit der sie sich über die damaligen Kunstschulen lustig machte: eine kleine Frau ist darauf zu sehen und ein übergroßer Lehrer. Von dieser norddeutschen Malerin ist auch eines der schönsten Bilder im Band: ein starkes Selbstporträt, voller Kraft, Stolz und Selbstbewusstsein, dass es als Vorbild für alle Künstlerinnen ihrer Zeit stehen könnte.

Erinnert wird auch an die in der NS-Zeit ermordeten Malerinnen, deren Bilder als "entartet" galten, wie Johanna Oppenheimer oder Anna Klein.

Schade, dass Charlotte Salomon fehlt, deren Bildfolge "Leben oder Theater" vor ein paar Jahren im Berliner Jüdischen Museum zu sehen war; und auch Minna Tube, die erste Frau von Max Beckmann, von der nur noch wenige Bilder geblieben sind.

Dennoch ist das Buch eine Einladung, sich an die weibliche Seite der Kunstgeschichte um 1900 zu erinnern, denn die "Malweiber" müssen sich nicht hinter ihren männlichen Kollegen verstecken, im Gegenteil.

Besprochen von Liane von Billerbeck

Katja Behling, Anke Manigold: Malweiber - Unerschrockene Künstlerinnen um 1900
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2009
152 Seiten, 25,50 Euro