Kampf um die Milch

17.12.2008
Man musste kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der Kampf der Milchbauern mit den luftigen Versprechungen von Politik und Lebensmitteldiscountern nicht entschieden war. Statt der geforderten 43 Cent pro Liter soll der Milchpreis für die Bauern schon wieder auf 27 bis 34 Cent gedrückt worden sein. Aldi, Lidl und Co. werben mit Preissenkungen um 20 Prozent für Milch und Milchprodukte. Was kommt beim Bauern wirklich an, wer profitiert von niedrigen Milchpreisen: Handel, Molkereien oder Verbraucher?
Besuch beim Milchbauern im Münsterland
Von Klaus Seifert

Heiner Stauvermann: "Ich heiß’ Heiner Stauvermann, bin 48 Jahre, verheiratet, hab’ zwei Kinder und führe diesen landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Metelen im Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Wir haben 160 Großtiere, davon sind 60 Milchkühe und der Rest ist Bullenmast und Nachzucht für die Kühe."
Lisa Stauvermann: "Wir sind jetzt im Kälberstall. Es ist jetzt zehn nach sieben …"

Frau Stauvermann ist seit zweieinhalb Stunden auf den Beinen. Draußen ist es stockdunkel. Es regnet …

"Um Viertel vor fünf mach’ ich erstmal Frühstück fertig für uns und dann geh’ ich um Viertel vor sechs in den Stall. Fange mit melken an und dann löst mich mein Mann ab – und dann mach’ ich die Kälber…, ja, und dann geht’s weiter."

Nebenan im Kuhstall herrscht Hochbetrieb. Acht Kühe wollen von Herrn Stauvermann gleichzeitig bedient werden.
Der geflieste Gang zwischen den vier rechts und vier links aufgestellten Tieren ist um einen Meter vertieft – das erinnert an die Grube in einer Autowerkstatt. – Hier sorgt er für bequemen Zugriff auf die prall gefüllten Euter.

"Jetzt bin ich beim morgendlichen Melken. Jede Kuh wird hier im Melkstand getrieben, oder die laufen auch von selber rein …
… ja, bevor ich das Melkgerät anschließe, werden die Zitzen gereinigt, dass sie absolut sauber sind und dann werden die Melkgeräte angeschlossen …
… und so nach fünf, sechs, sieben Minuten ist jede Kuh dann fertig – und hat dann Pause bis heute Abend und dann ist die gleiche Prozedur noch mal angesagt."

Man ahnt, dass der Arbeitstag einer Milchbauernfamilie kein Minijob ist. Er ist zwar klar geregelt, aber richtig lang.

"Es wird zweimal am Tag gemolken und da die Zeitabstände immer gleich sein sollen und ich abends gerne Feierabend haben möchte, muss ich morgens früh anfangen. Ich fange fünf Uhr, halb sechs morgens an zu melken, damit ich abends auch wieder um fünf Uhr, halb sechs melken kann, um dann auch irgendwann gegen sieben Uhr, halb acht meine Beine hochzulegen. Gut, ich könnte auch um zehn anfangen, müsste dann einen Kompromiss eingehen, wenn ich dann abends um fünf Uhr wieder melke, dass ich weniger Leistung von den Tieren habe, oder ich müsste abends um zehn Uhr eine Nachtschicht einlegen."

Solche Regelarbeitszeiten gelten nur, solange nichts Außergewöhnliches passiert. Und dass immer etwas passiert, ist auf dem Milchbauernhof eher die Regel als die Ausnahme: Wenn eine der 60 Kühe kalbt oder ein Tier krank wird, ist die Nachtruhe passé. – Als hätte Bauer Stauvermann nicht tagsüber genug zu tun …

"Ich habe heute morgen schon recht zeitig den Tieren Mais gegeben und jetzt bekommen sie noch ein bisschen Grasssilage nach, damit sie heute auch ihren Bedarf decken können. Bei den Kühen haben wir einen Futtermischwagen, wo wir das ganze Futter mischen können und das Futter immer die gleiche Qualität hat. Wird einmal am Tag gefüttert und dann am Abend noch mal wieder vorgeschoben, dass auch alles erreichbar ist für die Tiere. Hier das Jungvieh fütter’ ich morgens und abends, also zweimal am Tag."

Ist erstmal der Winter überstanden, verspricht der kommende Frühling rosige Zeiten für die niedlichen Kälbchen und glücklichen Kühe.

"Die Jungrinder werden auf die Weide gebracht und sind dann den ganzen Sommer da und die Kühe können rein- und rausgehen, weil sie auch zu ihren Kraftfutterautomaten müssen und sie müssen ja sowieso morgens und abends in den Stall, weil sie dort gemolken werden."

Im nächsten Frühjahr könnte der süße Milchstrom jäh ins Stocken kommen Wie schon im Mai 2008, als empörte Bauern einen spontanen Milch-Lieferboykott ausriefen und in halb Deutschland ihre Milch lieber verschenkten oder auf die Felder schütteten als sie – vertragsgetreu – ihrer Molkerei abzuliefern. – Auch wir haben den Streik mitgetragen, sagt Heiner Stauvermann. – Weil Bauern und Tiere auch mit dem aktuellen Milchpreis nicht mehr leben können.

"Wir haben jetzt für den Monat Oktober noch 33 Cent pro Liter Milch bekommen, aber ab 1. November sind die so runter gegangen, die Milchpreise, dass wir wohl für den nächsten Monat vielleicht wieder unter 30 Cent bekommen werden."

In stürmischen Zeiten ist der Bauer mehr denn je als Unternehmer gefordert.

"Ich hab’ dieser Tage mit der Landwirtschaftskammer ne Betriebszweigauswertung für meine Milchviehhaltung hier gemacht und da hatte ich Kosten von 33 Cent pro Liter Milch. Im Moment ist es noch Plusminus Null, wenn die nächsten Monat nur noch 30 oder 29 Cent geben, dann schieße ich zu."

Beschleunigt dürfte sich dann eine Entwicklung fortsetzen, die in der Region schon tiefe Spuren hinterlassen hat.

"Vor 25 bis 30 Jahren gab’s in Metelen noch 40 Milchviehhalter und jetzt mittlerweile sind’s noch 9."

Selbst mit immer größeren Betrieben ließ sich der Abwärtstrend nur verzögern.

"Damals waren die Bestände so zwischen 10, 12, 13, 14 Kühen und heute ist der Durchschnitt schon bei 30 Kühen."

Höchste Zeit für die verbliebenen Landwirte, sich nach neuen Erwerbsmöglichkeiten umzuschauen.

"Die Milchviehhaltung bei uns in unserem Dorf wird in nächster Zeit noch eine kleinere Rolle spielen, da die letzten Betriebe, die es hier noch gibt, auch in absehbarer Zukunft aufgeben werden."

Dass künftig nur noch wettbewerbsfähige Großbetriebe wie die Agrargenossenschaften im Osten mit 2000 und mehr Rindern überleben könnten – selbst davon ist Heiner Stauvermann nicht überzeugt. Das unterscheidet seine Sicht von der der Agrarstrategen der EU in Brüssel.

"Wenn der Milchpreis wirklich auf Weltmarktniveau runterfällt, was zur Zeit, glaube ich, 27 oder 28 Cent ist, dann können auch in den neuen Bundesländern die größeren Betriebe nicht mehr konkurrieren, (mit diesen Preisen)."

Erst ein gutes halbes Jahr ist es her, da fühlten sich Deutschlands Milchbauern nach ihrem verlustreichen Lieferstreik so gut wie am Ziel. In einem "Milchgipfel" brachten Politiker die streitenden Akteure an einen Tisch. Nachdem sogar Verbraucher in Umfragen mit großer Mehrheit versprachen, für einen fairen Milchpreis würden sie bei Butter, Yoghurt oder Käse tiefer in den Geldbeutel greifen, gelobten Molkereien und Lebensmittelhandel, den Landwirten nun auskömmliche Milchpreise zu zahlen.

Das Kuriose: nach dem Streik stieg der Milchpreis nicht, sondern er fiel. Weil die Bauern schlicht im falschen Moment gestreikt hatten – als der Milchpreis oben war!

"Vorigen Herbst ist die Milch um einiges gestiegen, weil auf dem Weltmarkt die Milch knapp wurde. Und unsere deutsche Milch floss vermehrt auf den Weltmarkt weil die Nachfrage da war und somit stieg der Preis: von 28 Cent auf 41,5 – haben wir da zwei, drei Monate bekommen. – Die Molkereien und die Bauern versuchten danach, diesen Preis zu halten, indem sie die Discounter unter Druck setzten und sagten: Unsere Milch ist aber 40 Cent wert! Wenn Ihr uns die auf Dauer nicht gebt, werden wir unsere Forderung anders durchsetzen – und dann hat’s den Streik gegeben."
Den Aufbruch in neue Zeiten hat man auf dem Stauvermann-Hof in 250 Jahren Familientradition immer wieder neu schaffen müssen. Als der heutige Chef in achter Generation übernahm, hat er - typisch männlich - auf technische Innovationen gesetzt. Betriebsabläufe wurden weiter motorisiert, dann computergesteuert und technisch hochgerüstet: man sagt, ein PS im neuen Traktor koste tausend Euro … Inzwischen wird, auch auf dem Land, wirtschaftliches Denken immer wichtiger und das hat – vor gut einem Vierteljahrhundert – die heute fast achtzigjährige Mutter des Hausherren erkannt:

"Ich hatte eine Nachbarin, die hatte immer wenn wir mal losgingen, damals noch eine Mark mehr im Portemonnaie zum Ausgeben, wo ich immer so ein bisschen hinschielte …
Und da habe ich immer gedacht: Jetzt musst du mal gucken, wie du dein eigenes Geld bekommst, ja? Dann bin ich mit dem ersten Urlaubsangebot angefangen: Urlaub auf dem Bauernhof."

Urlaub auf dem Bauerhof – die Idee der Altbäuerin Maria wurde seit 1981 zum Bombenerfolg.

"Die Nachbarin vermittelte mir die ersten Schlafgäste. Die kamen wieder und dann sagte mir mal jemand: Inseriere doch mal im Ruhrgebiet, in einer damals noch großen Kirchenzeitung. Und siehe da: wir hatten das Haus voll von Januar bis Weihnachten und rund ums Jahr."

Mit oft ausgebuchten acht Gästebetten ist das Urlaubsangebot inmitten der Münsterländer Parklandschaft für den Hof ein wichtiger Zusatzverdienst – für Bäuerin Elisabeth Stauvermann aber eine zusätzliche Arbeitsbelastung. – Bei der Arbeit im Stall spricht der Landwirt über seine Lasten: die unvermeidlichen Kosten.

"In erster Linie ist das die Energie, die wir gebrauchen, das ist der Diesel, den wir auf dem Acker für die Trecker benutzen und dann … natürlich die Maschinen, die angeschafft werden müssen, dann ist es das zugekaufte Futter für die Kühe und für die Bullen zur Mast …, ja und dann Versicherungen und solche Sachen, wo das Geld für gebraucht wird. – Auch Düngemittel sind in den letzten ein, zwei Jahren enorm gestiegen, teilweise um 50 Prozent. Und die machen einen sehr großen Kostenfaktor bei uns im Betrieb aus."

Fragt man nach den Einnahmen, die der gefühlten Kostenlawine gegenüberstehen, fällt ein überraschender Satz:

"Ich nehme das ein, was ich bekomme und habe keine Möglichkeiten zu Verhandlungen oder sonstiges …"

Am Schreibtisch erklärt Heiner Stauvermann die bescheidene Rolle der Bauern im Milchgeschäft:

"Ich habe mit der Molkerei einen Liefervertrag. Da steht nicht drin, wie viel gezahlt wird – da steht nur drin, dass diese Molkerei ein Jahr lang die Milch von mir bekommt und der Preis entscheidet sich immer nach Marktlage.
Die Molkerei verhandelt mit dem Discounter. – Jede Molkerei möchte gerne an große Discounter liefern, die Discounter nutzen dieses aus und spielen die Molkereien aneinander aus und wir als Bauern haben keinen Einfluss (dann) mehr auf den Milchpreis."

Bei solchen Machtverhältnissen trifft es sich gut, dass nun das Bundeskartellamt ordnend eingreift. Allerdings mit überraschendem Ergebnis: Sinngemäß heißt es, die Milchbauern hätte mit ihrem Lieferboykott im letzten Sommer Wettbewerbsrecht verletzt, ihr Verband könne im Wiederholungsfall mit einem empfindlichen Bußgeld rechnen. – Bei solchen Aussichten denken die Stauvermanns schon mal über ihren künftigen Lebensunterhalt nach.

"Ja, da müsste ich vielleicht dann auch auf Dauer ne Biogas-Anlage bauen und Strom erzeugen."

Auf einem Gehöft ohne Bullen, Kühe und Kälbchen zu leben kommt dem achten Hoferben doch seltsam vor.

"Wenn ich die Milchwirtschaft aufgeben muss und die Kinder nicht mehr sehen können wie eine Kuh gemolken wird und woher die Milch überhaupt kommt, dann fällt es mir auch schon schwer noch sagen zu können: wir bieten Urlaub auf dem Bauernhof an. Weil das gehört für mich als Landwirt ganz typisch dazu, dass dann auch Tiere auf dem Betrieb sind."

Aus dem Herbstnebel taucht der Milchsammelwagen auf. Jeden zweiten Tag holt er die gekühlte Milch von hier und den Höfen der Umgebung ab. - Gut 2300 Liter haben Stauvermanns Kühe heute abgeliefert. In zwei Stunden kommt die Milch in der Molkerei an. Schon morgen könnte sie als Frischmilch im Supermarktregal stehen. Oder zu Käse verarbeitet werden oder zu Yoghurt. Was sie dann wert ist, entscheidet der Markt. Oder besser: die Einzelhandelsketten – jedenfalls nicht der Bauer oder die Verbraucher.

Die Situation in Sachsen
Von Alexandra Gerlach

Auch ein halbes Jahr danach blickt Armin Möbius aus dem sächsischen Naundorf bei Oschatz mit Grauen auf die Tage im Mai zurück, als aus einem Protest eine Blockade bei der Sachsenmilch AG in Leppersdorf wurde.
Der 61-jährige Möbius ist Herr über 2500 Hektar Acker und 1500 Milchkühe. Sie produzieren am Tag rund 35.000 KG Milch. Ein leicht verderblicher Rohstoff, der in der Agrargenossenschaft Naundorf-Niedergosseln höchstens einen Tag lang frisch gehalten werden kann. Als die Blockade war, sah sich die Agrargenossenschaft schließlich gezwungen, die kostbare Milch wegzukippen, eine andere Verwertungsmöglichkeit gab es nicht:

"Wir können einen Tag die Milch lagern und dann mussten wir die Milch in die Gülle lassen, wir konnten sie nicht einmal über die Biogasanlage veredeln, weil es untersagt ist, Milch in die Biogas-Anlage zu geben. Und das hat zwei Tage lang stattgefunden."

Die Mitarbeiter hätten dabei zum Teil geweint, sagt Möbius, der seinerseits ohnmächtig zuschauen musste, wie sein Hauptkunde bestreikt oder konkret gesagt "blockiert" wurde. Ein Riesenschaden für die Genossenschaft, bei der schon ein Cent Verlust pro KG Milch mit rund 120.000 Euro zu Buche schlägt.

Bis zu 50 Liter Milch gibt eine Hochleistungskuh pro Tag, andere, die eher durchschnittlich "arbeiten", kommen immerhin auf gut 20 Liter. Die Kühe produzieren für den Markt. Vor allem die sogenannte Konsummilch für den Endverbraucher und natürlich Rohstoff für Käse, Quark und Jogurt. Jahrelang galt die Milch als sichere Einkommensquelle für die Bauern. Schließlich sicherten die EU und damit auch der Staat die Einkommen der Milchbauern, Überproduktion war zeitweise gar erwünscht.

Selbst eine Quotenregelung brachte mehr Sicherheit als Wagnis, doch inzwischen gilt das auch nicht mehr. Ab dem Jahr 2015 werden alle Quoten fallen, dann herrscht freier Wettbewerb auf dem europäischen Milchmarkt. Was das bedeuten könnte, haben auch die sächsischen Milchbauern in diesem Jahr ansatzweise erleben können. Der Markt bestimmt den Preis. Und dieser Preis schwankt, mit Tendenz nach unten:

"Wir brauchen 33 bis 34 Cent auf alle Fälle. Wir haben im November 28,5 Cent Grundpreis für die Milch erhalten und die Tendenz ist weiterhin fallend."

Mit Preisen, so hoch wie im Jahr zuvor, um die 40 Cent pro KG Milch, sei bis auf Weiteres nicht mehr zu rechnen, sagt der Genossenschafts-Vorsitzende und zieht die Stirn kraus. Immerhin habe sein Betrieb, der neben der Milchviehhaltung auch noch Hopfen und Getreide anbaut, eine Gärtnerei und eine Biogas-Anlage betreibt, sich etwas Speck angefuttert in den zurückliegenden guten Jahren, das sei jetzt hilfreich.

Die Agrargenossenschaft mit ihren 2500 Hektar Land und 1500 Milchkühen, beschäftigt rund 80 Mitarbeiter. 45 von ihnen, also über die Hälfte arbeiten im Kuhstall. Um ihre Existenz brauchen sie wohl vorerst keine Angst zu haben. Milchbetriebe wie dieser sind gut aufgestellt für den beinharten Wettbewerb, der auf dem Milchmarkt noch bevorsteht.

Den prognostiziert auch Theo Müller, Eigentümer der Molkereigruppe Müller, erst kürzlich in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die "deutsche Milchwirtschaft, so Müller, komme nach 50 Jahren Irrtum und staatlicher Intervention langsam in der Marktwirtschaft an". Derzeit sei das Angebot größer als die Nachfrage und das drücke den Preis.

Den vom damaligen Bundeslandwirtschafts- und Verbraucherminister Horst Seehofer einberufenen "Milchgipfel" vom Sommer hält Müller hingegen für politisches Placebo. Bund und Länder hätten, so Müller im Zeitungsinterview, "wenig bis keine Handlungsmöglichkeiten, was die Höhe des Milchpreises anbelange. Deutschland müsste dazu aus der EU austreten, um wieder zu einem nationalen Milchmarkt zu gelangen und das sei unwahrscheinlich.

Diesen Standpunkt vertritt auch der sächsische Landesbauernverband. Manfred Uhlemann ist im Verband unter anderem der Milchreferent. Täglich schaut er auf die Entwicklung des Milchpreises:

"Mit großer Sorge muss ich Ihnen sagen. Heute haben wir die Situation, dass die Erlöse drastisch zurückgegangen sind, wir liegen bei unter 30 Cent, zum Teil bei 28 Cent, so dass die Milchproduktion derzeit stark defizitär ist."

Diese Entwicklung hat sich über längere Zeit angebahnt. Fest steht: das Jahr 2007 war eine Ausnahme. Ein Rekordjahr, was den Milchpreis betraf. So war Trinkmilch im Herbst 2007 rund 20 Prozent teurer als im Jahr zuvor. Butter kostete plötzlich doppelt so viel. Der Verbraucher reagierte prompt und übte Verzicht, was sich besonders hart auf dem Käsemarkt niederschlug. Bis Ende Mai kauften die Konsumenten 40 Prozent weniger Edamer und Gouda, zwei Evergreens auf dem deutschen Käsemarkt. Und wie im Lehrbuch bestimmte der Markt den Preis. Die sinkende Nachfrage ließ auch die Milchpreise purzeln, zum Verdruss der Bauern.

Als der Molkerei-Gigant Müller-Milch dann auch noch zur Marktankurbelung Sonderpreise mit dem Einzelhandel vereinbarte, die zwischen 12 und 15 Cent unter den bisherigen Preisen lagen, kochte auch bei den sächsischen Milchbauern die Galle über. Am 26. Mai 2008 zogen 1000 der insgesamt 1200 sächsischen Milcherzeuger vor die Tore der zum Müller-Konzern gehörenden Sachsenmilch-Molkerei in Leppersdorf, um gegen diese Preispolitik zu protestieren, nicht aber – wie Manfred Uhlemann vom Bauernverband betont – um zu blockieren:

"Was dann aber eine Woche bzw. 14 Tage später passiert ist, ist eine Aktion gewesen, die nicht vom sächsischen Bauernverband ausging und von ihm auch nicht unterstützt wurde. Das betraf insbesondere die Blockade des Werkes. Dort waren weit über 90 Prozent der Blockierer nicht aus Sachsen. Das waren Bauern, die aus anderen Ländern angereist sind, die hier das Werk blockiert haben, was dazu führte, dass hier die Bauern ihre Milch nicht mehr abgeholt bekamen und die auch kein Milchgeld mehr bekamen."

Armin Möbius von der Agrargenossenschaft Naundorf-Niedergosseln schwillt noch heute der Kamm, wenn er an die Aktion des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter – kurz BDM - zurückdenkt. Ohnehin sind kaum Sachsen unter den Mitgliedern des BDM, der eher kleinere Milchviehbetriebe vertritt. Möbius jedenfalls wird in absehbarer Zeit auch nicht beitreten:

"Das ist nicht der Weg die Blockade. Das ist meine Meinung, das war meine Meinung und ist es auch zukünftig. Wir müssen miteinander reden, Molkereien und Milcherzeuger."

Auf der Suche nach Lösungen für den Konflikt, der sich aller Voraussicht nach noch verschärfen dürfte in den kommenden Jahren, schaut der sächsische Agrargenossenschafts-Vorsitzende ins Ausland; nach Dänemark und nach Schweden:

"Dort sind 30 Molkereien, aber die sind unter einem Dach und sitzt eine Person dem Handel gegenüber, um den Preis zu verhandeln und nicht 30 Molkereien."

Im Gegensatz zu den Kampfansagen des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, BDM, sieht Möbius nicht die Molkereien als geborenen Gegner der Milchbauern an. Aus seiner Sicht ist es eher der Handel, der die Preise drückt. Schuld trage aber auch der Endkonsument. Und da sich keiner so richtig in die Karten schauen lassen will – Molkereien und Handel sind in dieser Frage derzeit äußerst Auskunftsscheu – liegt der Schwarze Peter nunmehr bei den Bauern, die sich über ihre Effizienz und über ihre Strukturen Gedanken machen müssen.

Der Strukturwandel ist auch im Freistaat Sachsen in vollem Gange. Wer wird überleben? Wachsen oder Weichen? Das wird die Schicksalsfrage der nächsten Jahre sein. Nicht nur für die Milchbauern im Freistaat Sachsen.