Kampf mit der Hecke

Rezensiert von Wiebke Hüster |
Besser als an der Semperoper, möchte man annehmen, könnten doch die Umstände einer Neuinszenierung des Petipa-Klassikers "Dornröschen" kaum sein. Tschaikowskys berühmte, minutiös nach den Wünschen des von ihm verehrten Ballettmeisters komponierte Musik spielt die Sächsische Staatskapelle Dresden unter Leitung David Colemans, eines der besten Ballettdirigenten der Welt.
Bühnenbild und Kostüme wurden neu in Auftrag gegeben. Das Ballett der Semperoper ist unter der Direktion des Kanadiers Aaron Watkin in ausgezeichneter Verfassung. Nur der Ballettchef selber erwies sich in der Rolle des Choreographen als keine gute Besetzung.

Arne Walthers Bühnenbild verlegt den Märchenschauplatz nach Sachsen, gezeigt werden in prachtvoller Arbeit des Malersaals und der anderen Werkstätten Schloss Albrechtsberg, sein Garten mit Springbrunnen, der Wald, in dem Dornröschen hundert Jahre schläft und ein Festsaal, in dem die prächtige Ballszene des dritten Akts aufgeführt wird – oder das, was Watkin davon übriggelassen hat.

Gemeinsam mit Francine Watson Coleman hat er die märchenhafte Handlung umgeschrieben. Die böse Fee Carabosse etwa greift hier wesentlich stärker in die Handlung ein als bei Petipa, und sie ist auch gar nicht grundböse, sondern nur vorübergehend gekränkt, weil sie zur Taufe von Prinzessin Aurora versehentlich nicht eingeladen wurde. Am Ende, ihre Perücke ist erblondet und statt schwarz trägt sie nun gelb, wirft sie sich einfach vor Auroras Eltern, - die hier König Heinrich und Königin Katharina von Sachsen heißen -, mit dem Gesicht in den Staub und alles ist verziehen. Huldvoll grüßt sie die Fliederfee. Die Königin wirft sich im Unglück schon mal zu Boden oder wird von ihrem Gatten mit der Hand im Rücken von der Szene geschoben. Wir sehen, wie Aurora zu Bett geht. Ach, das soll die Geschichte lebendiger machen? Prinzessinnen sind auch nur Menschen? Wie langweilig, wie unnötig, wie falsch – das hier sind nicht die Windsors auf sächsisch, das waren Märchenfiguren – verzauberte und verzaubernde Wesen.

Vor allem aber hat sich Watkin gegenüber der tänzerischen Dramaturgie und der Originalchoreographie Freiheiten herausgenommen, die inhaltliche Verluste bedeuten. Aurora schaut weder ihre Mutter, noch die Fliederfee, noch den Prinzen richtig an. Hier wird Dornröschen in einer Märchenkulisse gespielt, als wäre es das Einfachste von der Welt. Aber wer sich so sicher fühlt und Petipas Sinn für Timing, pantomimische Erzählung und tänzerische Musikalität so überlegen, kann schrecklich flach auf den Bauch fallen. Und wenn die Kostüme noch so Melitta-Puppengeschirr-bunt sind und alles doppelt nach den Technicolor-Historienschinken der fünfziger Jahre aussieht inklusive silberner Allonge-Perücken für alle! (Kostüme: Erik Västhed).

Den Tänzern hat niemand gesagt, dass man ein Märchen nicht ohne Anmut spielen kann. So tanzen sie eben nur möglichst auffällig. Ihre Schuld ist das nicht.

Dresden Semperoper Ballett: "Dornröschen"
Choreographie: Aaron Watkin nach Marius Petipa
Musik: Peter I. Tschaikowsky
Sächsische Staatskapelle Dresden
Musikalische Leitung: David Coleman