Kampf gegen Zwangsprostitution und Perspektivlosigkeit

Rezensiert von Adelheid Wedel · 07.04.2006
Lea Ackermann unterstützte mit ihrer Organisation SOLWODI (Solidarität mit Frauen in Not) zunächst Frauen in Afrika auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. Inzwischen kämpft sie in Deutschland gegen Menschenhandel und Sextourismus. Ihrer Biografie "Um Gottes willen, Lea" leiht Jasmin Tabatabai auf einem Hörbuch ihre Stimme.
Um Gottes willen, Lea! Diesen Ausruf hat sie oft gehört, hat ihn sich wohl auch selbst hin und wieder bewusst gemacht. Der Satz steht wie ein Ausrufezeichen über ihrem Leben, einmal aus Aufforderung, ihr Tun noch einmal zu überprüfen, dann aber auch als Motto ihres Handelns.

Denn am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn steht der Entschluss: Sie will das Evangelium leben. Will schwachen und unterdrückten Menschen helfen, um Gottes Willen. Und so beginnt alles an einem Tag im Mai 1960:

"Am 29. 5. 1969 stand ich also an der Bernhardstraße in Trier Heiligkreuz vor einer deutschen Niederlassung der in Nigeria gegründeten Missionsschwestern Unserer lieben Frau von Afrika, weil ich nach Afrika wollte, unbedingt. Wegen der seit meiner Kindheit tief in mir verwurzelten Überzeugung, dass man wahres Christentum nur durch tätige Nächstenliebe leben kann, moderner ausgedrückt durch soziales Engagement für die Armen, Unterdrückten, Schwachen, Ausgegrenzten. Aber es war auch Abenteuerlust, die mich trieb. Ich gebe es zu."

Von diesem abenteuerlichen Leben der Ordensschwester Lea erzählen viele Episoden aus Ruanda, aus Kenia, aus Deutschland. Immer setzt sie ihren Kopf durch, so auch, als sie sich in Ruanda entschließt, statt in einem Leihwagen in einem Bus quer durch das Land zu reisen, um den Menschen nah zu sein.

"Um Gottes willen, Lea, lass es, riet mir meine erfahrene Mitschwester Leonie, als ich sie in meine gefährlichen Reisepläne einweihte. LKW-Fahrten durch den Urwald wären gefährlich, warnte sie mich. Nicht nur wegen schrottreifer Laster, sondern auch wegen marodierender Banden. Aber ich lass mich nicht von meinem Vorhaben abbringen."

Und so ist sie schließlich unterwegs in einem Bus, 30 Menschen zusammen mit sieben Hühnern, fünf Ziegen, einem Polizisten und zwei Gefangenen.
Konsequentes, zielstrebiges Handeln, das prägt ihr Leben. So wird aus dem "Hexenbärbel", aufgewachsen in Saarbrücken, die Ordensschwester, die 1985 in Kenia Solwodi gründet, eine Organisation deren Name Programm ist: Solidarität mit Frauen in Not.

Dieser Arbeit widmet sie ihr Leben. Das Hörbuch schildert diesen Weg, der oft steinig genug war, gleichzeitig aber auch in Lea Ackermann Kräfte wach rief, die unbesiegbar zu sein scheinen. In warmen Farben schildert sie ihr Elternhaus. Dort wurde der Grundstein für ihr Handeln gelegt:

"Vatertochter oder Muttertochter? [...] Meinen Gerechtigkeitssinn habe ich von beiden."

In fünf Hörstunden erfahren wir viel über Lea Ackermann, die Lehrerin, Ordensschwester, Menschenrechtlerin. Sie nimmt uns mit zu ihren Wirkungsstätten in Ruanda, Kenia, auf die Philippinen. Sie analysiert die politische Situation in den Ländern, erklärt beispielsweise die Entwicklung des Konflikts zwischen Hutu und Tootsi, wir werden Zeuge ihrer Erfolge und Rückschläge.

Die Beschreibungen sind manchmal gewürzt mit einer Prise Humor, beispielsweise, wenn sie eine Schreckensnacht in Ruanda schildert, in der die Ordensschwestern von Dieben überfallen werden und sie, in Nachthemden und bewaffnet mit Speeren aus dem kleinen Schulmuseum, um Hilfe suchen. Aber das sind Begegnungen am Rande. Größeres Gewicht haben Erlebnisse, die ihr Wirken widerspiegeln:

"Als ich auf den Festplatz komme, eilt mir meine ehemalige Schülerin entgegen. Sie flüstert mir ins Ohr: Direkt vor meinen Augen haben sie meinen Mann ermordet. Kurz darauf haben sie auch noch meine beiden Söhne umgebracht. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Nein, auf keinen Fall. Marie M., diese elegante, stolze Frau, moderiert das Jubiläumsprogramm. Meine Schülerin, denke ich gerührt."

Um möglichst vielen jungen Mädchen die Perspektive zu selbstbewusstem Leben zu eröffnen, gründet sie ihre Menschenrechtsorganisation SOLWODI. Sie kaufen Nähmaschinen, leiten die Frauen an, vergeben Kleinstkredite, es kostet viel Anstrengung und Mühe:

"Menschen, für die es selbstverständlich ist, lesen und rechnen und schreiben zu können, haben nicht den Hauch einer Ahnung davon, was es bedeutet, nie eine Schule besucht zu haben. Die meisten meiner Frauen waren nicht in der Lage, einen Stoff nach einem einfachen Papierschnitt aus einer Modezeitschrift zu schneidern, weil sie keine Zahlen kannten und nicht messen konnten."

Heute hat Lea Ackermann ihren Arbeitsschwerpunkt nach Deutschland verlegt. Hier gibt es inzwischen zehn Beratungsstellen von SOLWODI, einer Anlauf- und Betreuungsstelle für Frauen, die durch Sextourismus, Menschenhandel und Heiratsvermittlung nach Deutschland gekommen sind. Und sie will, wie sie sagt, die Öffentlichkeit wach rütteln.

"Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist nicht mehr die schillernde Exotin gefragt, sondern die willfährige Slawin. Massenhaft nach Westeuropa verschleppt oder mit falschen Versprechungen gelockt von unmenschlichen, mitleidslosen Menschenhändlern für unmenschliche, mitleidlose Freier. Nach der Wende, die Freiheit bringen sollte, sind viele Osteuropäerinnen so unfrei wie nie."

Lea Ackermann findet hier ein breites Betätigungsfeld. Sie unterstützt die Mädchen, stellt Opfern von Menschenhandel Verteidiger zur Seite. Und immer wieder erfährt sie von Elendsschicksalen:

"Elena war 18, als sie in Rumänien von einer Künstleragentur als Tänzerin angeworben wurde. Man versprach ihr den Himmel auf Erden und sie landete in der Hölle."

Lea Ackermann kämpft gegen dieses Elend. Und sie findet Mitstreiterinnen. Eine davon ist Jasmin Tabatabai. Die beiden Frauen trafen sich in einer Talkshow im Fernsehen. Die iranisch-deutsche Schauspielerin sagte sofort ihre Unterstützung für SOWODI zu und so kam es zu dieser Hörbuchproduktion.

Die Lesung absolviert Jasmin Tabatabai mit beruflicher Professionalität, sie versetzt sich in die einzelnen Szenen, ahmt auch mal einen Dialekt nach, wird wütend, nachdenklich. Aber als Hörer vermisst man die Stimme von Lea Ackermann. Vielleicht wäre eine Mischung empfehlenswert, bei der auch die Autorin selbst einzelne Passagen liest. Der jungen Stimme von Jasmin Tabatabai nimmt man zwar ihr Engagement für das Gelesene ab, aber die Reife, die Lebenserfahrung von Lea Ackermann – das würde man doch gern authentisch hören.

Lea Ackermann : Um Gottes willen, Lea!
Autorisierte Hörfassung, Sprecherin: Jasmin Tabatabai
4 CDs, ca. 314 Minuten
Buch: Herder-Verlag
Hörbuch: Steinbach, Preis 24,90 Euro