Kampf gegen Luftverschmutzung

Schluss mit den "ungeheuren Privilegien" für das Auto

Rauch strömt aus dem Auspuff eines Autos
Man müsse Autos aus Städten verbannen, und zwar nicht nur Diesel-Wagen, fordert Verkehrsexperte Andreas Knie. © Imago
Andreas Knie im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese |
Mit günstigen Preise im öffentlichen Nahverkehr möchten fünf Modellstädte für saubere Luft sorgen. Nicht neu, längst überfällig – so das Urteil des Verkehrsexperten Andreas Knie. Er fordert ein "völliges Verbot von Neuzulassungen für Verbrennungskraftmaschinen".
Fünf sogenannte Modellstädte sollen zeigen, wie sich die Luftverschmutzung in deutschen Städten deutlich senken lässt. Mehr als 125 Millionen Euro möchte das Bundesverkehrsministerium dafür zur Verfügung stellen.
Die Ideen, die nun vorgestellt wurden, hören sich allerdings nicht allzu neu an. So wollen alle fünf – Bonn, Reutlingen, Essen, Mannheim und Herrenberg – die Preise für den öffentlichen Nahverkehr deutlich senken und das Angebot an Bus und Bahn ausbauen.
Mannheim will außerdem einen Umschlagplatz für Paketfirmen errichten, um die sogenannte letzte Meile mit Elektrofahrzeugen bewerkstelligen zu können. Und in Herrenberg soll eine digitale Verkehrslenkung mit flexiblen Geschwindigkeitsbeschränkungen den Verkehr flüssiger machen.

"Da muss ich keine Modellstadt draus machen"

"Das sind alles Maßnahmen, die wir schon kennen, die längst überfällig sind oder die woanders schon gemacht werden", sagt der Sozialwissenschaftler Andreas Knie, der sich unter anderem mit den Themen Verkehrsforschung und Technologiepolitik beschäftigt. Die Maßnahmen seien letztendlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Schließlich sei es eine Selbstverständlichkeit, dass "jede Stadt den öffentlichen Nahverkehr möglichst attraktiv gestaltet", dabei beispielsweise elektrische Busse einsetze, die Verkehrsnetze und Verkehrstaktung optimiert und die Preise attraktiv gestaltet. "Das ist tägliches Tun der Kommunen. Da muss ich doch keine Modellstadt draus machen."
Auch kostenlose Tickets für den öffentlichen Nahverkehr – wie sie in der Öffentlichkeit diskutiert wurden – seien keine Lösung: "Was wir wissen, dass Menschen, die den ÖPNV meiden, ihn deshalb meiden, weil sie ihn nicht attraktiv finden. Da ist der Preis ein Problem, aber es ist vor allem die Qualität, die nicht stimmt: Er kommt nicht dann, wenn ich ihn brauche, und er fährt auch nicht dahin, wo ich hin will. Und dementsprechend reicht Nulltarif nicht aus."

"Jetzt haben wir den Salat"

Stattdessen fordert Knie eine radikale Verkehrswende: "Wir haben 40, 50 Jahre dem Auto ungeheure Privilegien eingeräumt, damit wir alle Autos fahren und diese möglichst auch umsonst abstellen können. Und jetzt haben wir den Salat und jetzt müssen wir da raus."
Man müsse daher "da ran, wo keiner ran will", und Autos aus Städten verbannen, und zwar nicht nur Diesel-Wagen: "Die Wissenschaft ist sich relativ einig: Es muss in einer absehbaren Zeit, das hieße bis 2030, ein völliges Verbot von Neuzulassungen für Verbrennungskraftmaschinen geben."

Parkkosten müssten deutlich erhöht werden

Das zweite Problem sei, "dass Autos meist gar nicht fahren, sondern stehen". Sie nutzen also öffentlichen Raum, meist nur zu geringen Parkgebühren. Und die seien "in deutschen Städten so günstig wie fast nirgendwo auf der Welt".
In Zukunft müsse man Autos daher Parkkosten "anlasten, die sie tatsächlich kosten", so Knie. Das seien ungefähr zehn Euro am Tag. Dann würden ganz automatisch Auto-Sharing-Angebote, der öffentliche Nahverkehr oder das Fahrrad an Attraktivität gegenüber dem Auto gewinnen – und sich alle unterschiedlichen Verkehrsangebote untereinander vernetzen.
"Und wenn ich diese gute Vernetzung der Verkehrsmittel untereinander habe, dann brauche ich kein eigenes Auto mehr vor der Tür stehen lassen. Und dann kriege ich in etwa zwei Drittel der Auto-Flotten aus den Städten heraus, ohne dass ich eine Einschränkung in der Mobilität hätten."
(lk)
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