Kampf gegen illegalen Kunsttransfer

Von Margarete Limberg |
Aus dem seit 30 Jahren durch politische Unruhen gezeichneten Land wurden buddhistische wie islamische Kunstwerke, antike Manuskripte, Bronzen und Holzobjekte illegal exportiert. Die Rote Liste versammelt Typen von Kulturgütern, die eines Tages auf den Märkten auftauchen könnten. Ihre Wirksamkeit ist vom guten Willen von Museen, Kunsthändlern und Polizei abhängig.
Der Weltverband der Museen (ICOM) hat den Kampf gegen den illegalen Kunsttransfer zu seinem zentralen Anliegen gemacht und sieht sich veranlasst, erneut Alarm zu schlagen. Es geht um Afghanistan, das durch bewusste Zerstörung von archäologischen Stätten und Monumenten, Plünderung, Raub und Schmuggel einen großen Teil seines einzigartigen kulturellen Erbes bereits verloren hat.

Der Weltverband hat deshalb eine Rote Liste antiker afghanischer Kunstwerke zusammengestellt, von denen man annehmen kann, dass sie eines Tages auf den Kunstmärkten und -messen Europas und der USA auftauchen.

Udo Größwald, Präsident des ICOM Europa: "Im wesentlichen geht es dabei darum, der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung zu stellen, insbesondere Kunsthändlern, Auktionshäusern, Museen und Sammlern, entsprechende Kunstwerke und archäologische Funde, die unrechtmäßig in den Besitz gekommen sind, zu identifizieren."

Das archäologische Erbe Afghanistans ist von einzigartiger und universaler Bedeutung, und die Verluste sind unschätzbar: Kunstobjekte jeder Art und jeder Epoche von der Steinzeit bis ins 20. Jahrhundert, buddhistische ebenso wie islamische Kunstwerke, antike Manuskripte, Bronzen und Holzobjekte wurden illegal exportiert.

Die afghanische Botschafterin in Berlin, Maliha Zulfacar: "Die großartige Kulturgeschichte Afghanistans hat in Verbindung mit dreißig Jahren politischer Unruhen das Land zum bevorzugten Ziel international organisierter Plünderungen gemacht. Deshalb ist diese Rote Liste von großer Bedeutung für die Bewahrung seiner kulturellen Vergangenheit."

Dabei geht es um mehr als einzelne Kunstwerke. Beim Verlust des kulturellen Erbes, ob durch Raub oder Zerstörung, geht es auch um nationale Identität, im Fall Afghanistans auch um den Zusammenhalt eines zerrissenen Landes. Das hat kaum etwas so dramatisch gezeigt wie die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bhamian durch die Taliban.

Die Erinnerung daran ist der Botschafterin, die damals im amerikanischen Exil lebte, noch sehr präsent.

Zulfacar: "Die sozialen und politischen Implikationen dieses barbarischen Aktes gehen viel tiefer als die physische Vernichtung des Monuments. Diese wüste Attacke war nicht nur der Versuch, Afghanistans kulturelle Identität zu zerstören und zu beschädigen, sondern auch ein Erbe auszuradieren, das Jahrhunderte multikulturellen Zusammenlebens und religiöser Toleranz widerspiegelte. Es war sehr schmerzlich für mich, aus dem Exil zu beobachten, was in meinem Land passierte, aber der dunkelste Tag war der, an dem die Statuen zerstört wurden."

Die Rote Liste kann natürlich nur begrenzt helfen. Sie ist nicht mehr als ein Instrument, ein Werkzeug, dessen Wirksamkeit vom guten Willen der Museen und Kunsthändler ebenso abhängt wie von der Wachsamkeit der Polizei und des Zolls. Sie alle können sich mit Hilfe des sehr übersichtlichen und handlichen Faltblatts ein Bild von den Kunstgegenständen machen, die möglicherweise illegal verschoben werden.

Es ist also nicht eine Liste mit nachweislich gestohlenen Kunstwerken, die Rote Liste präsentiert vielmehr Typen von Kulturgütern, die eines Tages auf den Märkten auftauchen könnten. Gestohlene Kunstgegenstände werden vom ICOM für verschiedene Länder und Regionen auf einer gesonderten Liste der "100 vermissten Kunstwerke" zusammengefasst, wobei die Zahl 100 lediglich symbolische Bedeutung hat. Diese Aufstellungen gibt es bisher für Angkor, Afrika, Europa, Lateinamerika und demnächst für die arabischen Länder.

Die Rote Liste für Afghanistan ist nach der für Afrika, Lateinamerika und den Irak erst die vierte. Die nächste wird für Peru erstellt.

Wir wirksam ist diese Rote Liste? Einige afrikanische Statuetten wurden dank der Liste auf Kunstmärkten und -messen entdeckt, so dass die Herkunftsländer ihre Ansprüche geltend machen konnten. In einem Fall erkannte Frankreich nach langem diplomatischen Streit an, dass drei Objekte afrikanischer Kunst aus dem Louvre zum kulturellen Erbe Nigerias gehörten, während Nigeria seinerseits die Bereitschaft erklärte, sie für weitere 25 Jahre an Frankreich auszuleihen. Es ist also ein schwieriger Prozess und die Roten Listen sicher nicht ausreichend für den Schutz geraubter Kunst.

Der international organisierte Kunstraub lässt sich weder durch nationale Gesetze noch durch zusätzliche polizeiliche Bewachung von Monumenten abschrecken. Auch diese Erfahrung hat Afghanistan gemacht. Noch einmal die Botschafterin:

"Es gibt immer noch schwere Angriffe der internationalen organisierten Kriminalität. Und die Regierung ist deshalb besonders vorsichtig, wenn es um archäologische Ausgrabungen geht. Es werden Sicherheitskräfte eingesetzt, um sie zu schützen. Der sehr brüchige Frieden in Afghanistan erfordert vermehrte Anstrengungen, um das kulturelle Erbe zu erhalten und zu schützen."

Der ICOM will speziell im Fall Afghanistan nicht nur helfen, dem Land sein kulturelles Eigentum zurückzugeben, sondern auch dazu beitragen, in einer von Bürgerkriegen geplagten Bevölkerung von Neuem ein Bewusstsein für die Zusammengehörigkeit zu wecken. Ganz sicher ein hoher Anspruch. Aber ob er Kunsträuber und ihre Kunden wirklich beeindruckt?